Die Rache des kleinen Mannes
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Boshaft, unmoralisch und "unfehlbares Zeichen eines schlechten Herzens": Schadenfreude hat einen schlechten Ruf. Neuronal fühle sich Schadenfreude jedoch an wie das "pure Glück", meint die Psychologin Lea Boecker. Und eine soziale Funktion habe sie auch.
Dies ist ein Beitrag über eine komplexe Emotion. Komplex bedeutet in diesem Fall etwa: gemischt. Ein gemischtes Gefühl.
Es geht um Schadenfreude. Und obwohl es in vielen Sprachen kein so direktes Wort für die Freude am Leid des anderen gibt, ist es doch kein deutsches, sondern ein ziemlich universelles psychologisches Phänomen. Zu dem immer zwei gehören: der Geschädigte und der Beobachtende, sich dabei ins Fäustchen Lachende.
"Bei Schadenfreude gehört auf jeden Fall die Bewertung der Situation dazu", sagt die Psychologin Lea Boecker von der Leuphana-Universität in Lüneburg.
Schadenfreude ist eng mit Mitleid und Neid verknüpft und es gehören eine ganze Reihe Zuschreibungen des Empfindenden dazu, die das Pendel dann in die eine oder andere Richtung ausschlagen lassen:
"Also, irgendeine Art von Beziehung gibt's zu dieser Person. Sei es, dass ich jetzt feststelle: Die ist überlegen oder ich mag die nicht, die gehört zu einer anderen Gruppe."
Die Alternative zur Schadenfreude ist Mitleid
Lea Boecker hat gemeinsam mit dem Psychologen Jens Lange von der University of Amsterdam mehrere Studien zu Schadenfreude durchgeführt:
"Ich muss erst verstehen, wie es der anderen Person geht, was das Unglück für die bedeutet hat, dann kann ich das für mich analysieren und dann erfolgt entweder Schadenfreude oder Mitleid. Das ist ein bisschen komplexer als pure Freude."
"Schadenfreude as social-functional dominance regulator" - Schadenfreude als sozial-funktionaler Dominanzregulator - lautet der Titel der zuletzt von Boecker und Lange veröffentlichten Studie.
"In meiner Studie haben wir uns eher damit beschäftigt mit einer sozialen Funktion von Schadenfreude, also nicht, was das mit mir selber macht, sondern eher: Was könnte die Funktion zwischen Personen sein? Und da haben wir herausgefunden, dass Schadenfreude empfunden wird gegenüber überlegenen Personen, die ihren hohen Status vor allem durch Dominanz erreicht haben. Also nicht durch Prestige, weil sie besonders gut sind in dem, was sie machen, sondern eher durch Einschüchterung und Dominanz. Das löst im ersten Schritt mehr Schadenfreude aus, das konnten wir zeigen."
Herausgefunden haben sie das mit verschieden designten Experimenten, oft in Form von Szenarien, kleinen Geschichten, die den Befragten vorgelegt wurden und auf die sie reagieren sollten.
"Natürlich ist es so, dass Schadenfreude nicht besonders stark berichtet wird, da geben die Leute jetzt nicht besonders hohe Werte an. Aber das Wichtigste für uns als Forscher ist: Wir haben ja eine bestimmte Fragestellung, die wir testen wollen, das heißt, wir manipulieren etwas, zum Beispiel manipuliere ich, ob jemand überlegen oder unterlegen ist und messe dann jeweils Schadenfreude ein paar Mal. Also, es kommt sozusagen nicht darauf an, wie viel Schadenfreude die Leute empfinden, sondern ob es einen Unterschied gibt zwischen diesen Bedingungen, die ich als Forscher manipuliert habe. Und da zeigen meine Studien, dass, wenn mir jemand unterlegen ist, ich eher weniger Schadenfreude empfinde und mehr Mitleid. Und wenn jemand überlegen ist, eher mehr Schadenfreude und weniger Mitleid."
Neuronal gesehen eine positive Emotion
Es findet also eine Art Regulierung der Hierarchien statt, die laut der Studie von Boecker und Lange vor allem dann wirksam wird, wenn der als dominant empfundenen Person öffentlich Schadenfreude widerfährt:
"Wenn diese Person ein Missgeschick erlebt und dann öffentlich ausgelacht wird, dann rutscht die sozusagen runter von ihrer Hierarchie und ich rutsche relativ hoch. Der Abstand verringert sich einfach nur zwischen mir und der anderen Person. Das fühlt sich eben befriedigend an, weil ich dann nicht mehr ganz so unterlegen bin wie vorher."
Öffentliches Auslachen - das klingt hauptsächlich gemein. Dabei wird Schadenfreude zu den positiven Emotionen gerechnet, im Gegensatz zu beispielsweise Neid.
"Zumindest auf einer rein neuronalen Ebene sieht Schadenfreude tatsächlich aus nach purem Glück", sagt Lea Boecker. "Man hat irgendwann angefangen, die Leute mit bildgebenden Verfahren zu untersuchen, während man Schadenfreude empfindet. Und da konnte man interessanterweise zeigen, dass Schadenfreude im Gehirn genauso positiv ist wie Freude. Es hat wirklich diese Belohnungszentren im Gehirn aktiviert, die auch bei purer Freude oder bei anderen positiven Ereignissen sozusagen aktiviert werden."
Dennoch bleiben viele Fragen offen, was die Funktion von Schadenfreude und auch das aus ihr resultierende Verhalten betrifft.
"Es steckt sozusagen noch ein bisschen in den Kinderschuhen, weil man auch noch gar nicht so viel darüber weiß: Was sind eigentlich Konsequenzen von Schadenfreude für andere Personen? Oder: wie fühle ich mich, wenn ich Opfer von Schadenfreude werde? Da gibt's auf jeden Fall noch viel zu tun."
Erstsendedatum: 16.05.2019