Hochwasserschutz

Schaffen wir klimaresiliente Städte

Hochwasser in Passau: Fluss mit Straßenschild, Brücke und Häuser.
Hochwasser auch in Passau: Besiedlung, Versieglung, Flurbereinigung und Flussbegradigungen begünstigen Überschwemmungen. © imago / Bihlmayerfotografie
Ein Kommentar von Klaus Englert |
Die Hochwasserkatastrophe in Deutschland hat gezeigt: Die Kommunen müssen auf den Klimawandel reagieren. Manches könne schnell gemacht werden, meint der Publizist Klaus Englert: beispielsweise Flächen entsiegeln.
18.000 Euro für eine Fläche von 30 Quadratmeter. Der Kostenvoranschlag für die Beseitigung des betonierten Terrassenbodens verschlägt auch erfahrenen Bauherren den Atem. Da überlegt man sich zweimal, ob der kleine private Beitrag zu Flächenentsiegelung so wichtig ist.
Aber natürlich ist er es. Zumal solche Maßnahmen ohne bürokratischen Vorlauf durchzuführen sind. Gefordert ist der Beitrag eines jeden zum Hochwasserschutz – ein Beitrag, der unbedingt von der öffentlichen Hand gefördert werden sollte. Das wird nicht überall so gesehen. Hier in Mettmann, wo das letzte Hochwasser deutliche Spuren hinterlassen hat, wartet man erst mal ab und hofft auf das Beste.
Dabei sind die Mängellisten, die aufzählen, welche Faktoren die Katastrophe verstärkten, längst erstellt. Bauliche Mängel im Ahrtal sind schnell genannt: Besiedlung, Versieglung, Flurbereinigung und Flussbegradigungen begünstigten die Auswirkungen des Starkregens. Missstände sind vor allem in Vorstädten mit Alibi- und Abstandgrün, mit versiegelten Wegen und Stellflächen zu finden.

Handeln erst nach dem Hochwasser-Schock

Wie lässt sich wirksam gegensteuern? Das NRW-Umweltministerium weiß nicht erst seit diesem Sommer, dass die Kommunen der Schlüssel zur Anpassung an den Klimawandel sind. Aus diesem Grund legte man bereits im Oktober 2020 das Sofortprogramm „Klimaresilienz in Kommunen“ auf.
Erst nach dem Schock über die jetzt entstandenen Schäden und nach einem erneuten Förderangebot im letzten August haben sich nun etliche zum Handeln entschlossen. Dabei bleibt die Frage: Wie sorgt eine Gemeinde vor, die nicht von 30 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe profitiert, weil sie keine eingestürzten Brücken, keine zerstörten Wohnhäuser und keine überfluteten Straßen hatte, dafür aber zahllose verzweifelte Menschen, die ihren Besitz in überfluteten Kellern verloren haben? Es sind dieselben, die noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen sind, bei der nächsten, absehbaren Katastrophe aber möglicherweise miterleben müssen, wie ihr Haus in den Fluten untergeht.
Die Furcht ist keineswegs unbegründet. Sie trifft sich mit Vorhersagen, die Klimaforscher im Magazin „Science“ veröffentlichten. Dort schreiben sie, dass uns die Katastrophen künftig in immer kürzeren Abständen heimsuchen. In den nächsten 15 Jahren rechnen die Forscher für Deutschland mit 710.000 Flutopfern.

Flächen müssen entsiegelt werden

Für NRW, wo der Anteil stark versiegelter Flächen in den letzten 30 Jahren um rund ein Drittel gestiegen ist, hat das klare Konsequenzen: Viele öffentliche Parkplätze und wenig befahrene Straßen müssten gezielt entsiegelt werden, ebenso private Flächen, damit der Regen ins Grundwasser abfließen kann. Je mehr desto besser. Da viele Schottergärten, Stellflächen, Garagen, asphaltierte Wege und wasserundurchlässige Terrassen in privater Hand sind, käme es darauf an, auch Hauseigentümer finanziell einzubinden oder durch kommunale Förderprogramme zu unterstützen. Wie das möglich ist, zeigt Düsseldorf mit dem „Förderprogramm Flächenentsieglung, Dach- und Fassadenbegrünung“. Hier erkannte man, dass zur Klimaresilienz untrennbar auch Gebäuderesilienz gehört. Was bedeutet, Gebäude ohne großen Aufwand an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. Begrünte Dächer und Fassaden wirken wie ein Schwamm und vermögen 50 bis 80 Prozent der Niederschläge zu speichern.

Asphalt, Beton und kein Umdenken

Diese Forderungen standen kürzlich in einem vom Autor verfassten Offenen Brief, gerichtet an die Bürgermeisterin der rheinischen Kreisstadt Mettmann. Das Resultat: Abwehr und Schweigen.
Die Schwammstadt, die viele im benachbarten Wuppertal bewundern, ist in Mettmann in weiter Ferne. Hier setzt man – als wäre nichts gewesen – auf Asphalt und Beton. Und vergisst dabei das stärkste Argument: Entsiegelung wäre endlich ein wichtiger Schritt hin zur lebenswerten Stadt.

Klaus Englert promovierte in Germanistik und Philosophie an der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf, ist Journalist und Buchautor. Er schreibt für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und den Hörfunk, vornehmlich über architektonische und philosophische Themen. Des Weiteren ist er als Kurator für Architektur-Ausstellungen tätig. Seine letzten Bücher sind „Jacques Derrida“ (2009) und „New Museums in Spain"(2010), „Barcelona“ (DOM Publishers, 2018), "Wie wir wohnen
werden. Die Entwicklung der Wohnung und die Architektur von morgen" (Reclam 2019).

© Quelle: privat
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