Schatten der Vergangenheit

Von Leonie March · 26.07.2010
Die hohe Gewaltkriminalität in Südafrika, die fremdenfeindlichen Übergriffe gegen afrikanische Flüchtlinge und die Kluft zwischen Arm und Reich, die am Kap so tief ist wie in keinem anderen Land der Welt – diese Themen bestimmen das Programm des Internationalen Filmfestivals in Durban.
Die Schatten seiner Vergangenheit holen einen erfolgreichen Geschäftsmann ein, ein Junge rächt sich für den Mord an seinem Vater, eine Familie zerbricht am Teufelskreis der Gewalt. Versöhnung ist in "State of Violence", dem Spielfilm des südafrikanischen Regisseurs Khalo Matabane, unmöglich. Eindringlich schildert er den inneren Konflikt seiner Charaktere und beschreibt damit auch den gegenwärtigen Zustand der südafrikanischen Gesellschaft, betont Hauptdarsteller Fana Mokoena:

"Unser Land hat eine sehr gewalttätige Geschichte. Daher kann man die hohe Kriminalitätsrate von heute auch nicht isoliert betrachten. Man muss sie im Kontext der Vergangenheit sehen. Jeder, der den Film schaut, sollte sich fragen, welche Rolle Gewalt in seinem Leben gespielt hat, wie er damit umgegangen ist und ob er die Erlebnisse verarbeitet hat. Denn sonst wiederholen sich die Dinge. Viele Jugendliche bekommen bereits die Nachwirkungen der Gewalt meiner Generation zu spüren."

Der 39-jährige Schauspieler ist beim Internationalen Filmfestival in Durban in einer weiteren Hauptrolle zu sehen. Auch in "A small town called descent" geht es um Gewalt – um Fremdenfeindlichkeit in Südafrika: Ein Mob aufgestachelter Jugendlicher ermordet einen jungen Mann aus Simbabwe, seine Freundin wird brutal vergewaltigt, sein Bruder kommt schwer verletzt und traumatisiert mit dem Leben davon.

Die Szenen des Films erinnern an die fremdenfeindlichen Übergriffe vor zwei Jahren, bei der über 60 Flüchtlinge und Einwanderer aus anderen afrikanischen Ländern getötet, Hunderte verletzt und Zehntausende vertrieben wurden. Jetzt ist die Angst wieder da – seit Ende der Fußball-WM wurden am Kap erneut Ausländer angegriffen. Eine Entwicklung, die dem Regisseur des Spielfilms, Jahmil XT Qubeka, Sorgen bereitet:

"Es beweist, dass wir uns nicht mit dem Problem auseinandergesetzt haben. Damit meine ich jeden einzelnen Südafrikaner und natürlich auch die Regierung. Wenn sie gehandelt hätte, würde die Fremdenfeindlichkeit jetzt nicht wieder aufflackern. Als die Angriffe 2008 eskaliert sind, habe ich mich geschämt, Südafrikaner zu sein. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie es soweit kommen konnte. Während der Apartheid waren wir selbst Flüchtlinge in anderen Ländern, heute jedoch sind wir extrem intolerant. Diese Fragen standen für mich im Mittelpunkt."

Aus einem anderen Blickwinkel werden die Ausländerfeindlichkeit und alltägliche Gewalt im Dokumentarfilm "The Battle for Johannesburg" beleuchtet. Als Symptome einer verfehlten Politik und eines immer härter werdenden Überlebenskampfes.

Im Zentrum Johannesburgs werden Gebäude geräumt: Mütter mit Babys und arbeitslose Väter stehen mit ihren Habseligkeiten auf der Straße. Investoren haben die verwahrlosten Häuser aufgekauft, ganz im Sinne der Stadt, die das heruntergekommene Zentrum Johannesburgs sanieren will. Die Polizei greift mit aller Härte durch. Es sind erschütternde Bilder von Armut und Staatsgewalt. Hier wiederholt sich die Geschichte, betont Regisseur Rehad Desai – früher wurden Schwarze aus den Vierteln gejagt, heute sind es die Armen.

"Es wird momentan ein regelrechter Krieg gegen die Armen geführt, um sie aus der Innenstadt zu vertreiben. Es fehlt die Einsicht, dass diese Gebäude nicht nur einen materiellen Wert haben, sondern auch einen gesellschaftlichen. Wenn man sie zu Sozialwohnungen ausbauen würde, hätten die Menschen das Gefühl, Teil der Stadt und damit auch unserer Demokratie zu sein. Wenn man sie dagegen weiter ausgrenzt und sich selbst hinter immer höheren Mauern verschanzt, dann vertieft das die Kluft zwischen Arm und Reich, die wesentlich zur hohen Kriminalitätsrate in Südafrika beiträgt."

Rehad Desai spart wie viele südafrikanische Filmemacher nicht mit Kritik an der Regierung. Doch es bleibt nicht dabei, die Missstände anzuprangern. In vielen der aktuellen Dokumentar- und Spielfilme werden Visionen für eine bessere Zukunft entwickelt. Ein Schritt aus dem Schatten der Vergangenheit.

Homepage des Durban Filmfestivals
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