Schauerte kritisiert "knallharte Forderung"
Der stellvertretende Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Günter Schauerte, hat sich in der Debatte um die griechische Forderung nach einer Rückgabe des Parthenon-Frieses auf die Seite des Britischen Museums gestellt. Diese "knallharte Forderung" aus Griechenland bedeutete die Demontage eines Museums, das seit über 200 Jahren existiere, sagte Schauerte.
Dieter Kassel: Am vergangenen Samstag eröffnete in Athen direkt unterhalb der Akropolis das neue Akropolis-Museum. Da werden verschiedene Dinge gezeigt, aber das besonderste, das schönste Stück ist wohl doch der sogenannte Parthenos-Fries, der dort im dritten Stock des Museums zu sehen ist. Na ja, der dort nicht ganz zu sehen ist, denn das, was man sieht, das sind doch zu einem nicht unwesentlichen Teil Kopien, denn wesentliche Teile des Parthenons-Frieses, die befinden sich an anderen Orten. Zum Teil in Würzburg, zu einem etwas größeren Teil in Basel, zu einem noch größeren Teil in Kopenhagen und zu einem sehr großen Teil in London, die sogenannten Elgin Marbles. Und gerade diesen Teil aus London, den wollen die Griechen nun, wo sie das neue Museum haben, natürlich endlich zurückhaben, noch viel stärker als bisher. Mein Kollege Frank Meyer hat darüber mit dem stellvertretenden Generaldirektor der staatlichen Museen zu Berlin, Günter Schauerte, geredet und hat ihn natürlich zunächst einmal gefragt, was er denn von diesen jetzt immer aktueller werdenden Rückgabeforderungen hält.
Günter Schauerte: Ich würde das Ganze in verschiedene Bereiche aufteilen: Einmal eine rechtliche Frage, die von Juristen zu klären ist, das andere ist eine moralische Frage.
Frank Meyer: Dann bleiben wir bei der juristischen Frage. Erst mal, die Briten sind ja der Auffassung, wir haben wasserdichte Kaufverträge für diese Elgin Marbles. Gehen Sie da mit?
Schauerte: Bis zum heutigen Tage sind wir tatsächlich auf der Seite unserer britischen Kollegen, gestehen den britischen Kollegen dabei aber auch ausdrücklich zu, dass dieses in bilateralen Verhandlungen zwischen der griechischen und dann ja nicht der britischen Seite, sondern dem Britischen Museum geregelt werden muss. Das britische Museum ist, obwohl es Britisches Museum heißt, ein privates Museum, das getragen wird von diesen Trustees. Und genauso verhält sich die britische Regierung, die die ganzen Claims der griechischen Seite an das Museum und ihre Trustees direkt verweist.
Meyer: Es wird ja immer wieder angezweifelt, ob diese juristischen Verträge damals mit dem Osmanischen Reich auf eine Weise zustande gekommen sind, die man heute noch zu akzeptieren bereit ist. Was würden Sie dazu sagen?
Schauerte: Da muss man sagen: andere Zeiten, andere Sitten. Jedes Rechtsgeschäft, das getätigt wird, muss im Grunde aus der Situation, in der es entstanden ist, beurteilen. Ich kann da nur sozusagen aus deutscher Sicht auch sagen, unsere wirklich mehr als schmerzlichen Verluste im Bereich entartete Kunst, als die Naziregierung wichtigste Kulturschätze der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weggegeben hat, die haben für uns weiterhin Bestand, obwohl wir natürlich auch sagen, das ist von einem Unrechtsregime ausgegangen. Pacta sunt servanda, sagt man.
Meyer: Also Sie sagen, Herr Schauerte, die juristische Seite ist erst mal bis auf Weiteres geklärt, juristisch gehören diese Kulturgüter nach London, aber Sie sagen auch, es hat auch einen moralischen Aspekt. Und wie beurteilen Sie den?
Schauerte: Ja, der moralische Aspekt ist im Grunde aus der Bedeutung der Objekte und der Beziehung untereinander zu regeln. Auch da ist es Brauch seit Langem, dass wir den Kollegen vor Ort keine Ratschläge erteilen, also weder der griechischen Seite noch der englischen Seite, dem Britischen Museum. Es sind alle Möglichkeiten denkbar. Es gibt ja nicht dabei nur ein Schwarz oder Weiß, sondern eine ganze Bandbreite von dem, wo man zusammenfinden kann. Ich nenne nur ein eigenes Beispiel: 2002 haben wir einen Vertrag mit sechs italienischen Museen und fünf deutschen Museen geschlossen, die einen antiken Tausch untereinander abmachen mit langfristigen Leihgaben, wo wir einfach sagen, was im einen Land fehlt, wird im anderen Land im Übermaß unter Umständen vorrätig sein, und wir ergänzen unsere Bereiche, ohne in diese Fragen von Eigentum und Kauf und dann vielleicht auch illegalem Handel zu kommen. Das ist eine Möglichkeit, um aus diesen ganz harten Situationen der Vorwürfe von Recht und Unrecht herauszukommen. Dann muss man das natürlich auch mit den Umfängen verbinden. Diese knallharte griechische Forderung, die im Moment ein bisschen zu einem Alles-oder-nichts hingeht, ist natürlich, wenn man die andere Seite betrachtet, dann eine Demontage eines Museums, das seit über 200 Jahren existiert und …
Meyer: Das wäre dann das British Museum?
Schauerte: Genau … und dort natürlich Spuren hinterlässt im Grunde, dass man sagt, das ist dann nicht mehr das Britische Museum.
Meyer: Hinter dieser ganzen Frage, hat man oft den Eindruck, steht ja bei den Museumsleuten die Angst, wenn jetzt ein solcher Präzedenzfall geschaffen wird und diese weltberühmten Stücke tatsächlich zurückgehen sollten nach Athen, da können wir eigentlich alle unsere Museen leer räumen, wenn wir jetzt alles zurückgeben sollen. Und wir haben vor zwei Tagen hier in unserem Programm im Deutschlandradio Kultur mit dem Direktor des neuen Akropolis-Museums, mit Dimitrios Pandermalis gesprochen, und er hat zu diesem Problem Folgendes gesagt:
Dimitrios Pandermalis: Es ist die Rede immer nur über die Parthenon-Skulpturen. Das Museum sagt nicht, dass alle Kunstwerke, die mal aus Griechenland weggegangen sind, also im Ausland sich befinden, dass sie alle zurückkommen müssen. Das Einzige, was wir sagen, ist, für ein Monument, und das ist ein sehr symbolisches, ein sehr besonderes Monument, nur für das verlangen wir die Fragmente und die Platten aus den Reliefs, die Dekoration des Tempels, nur diese. Und die sollen nun vereinigt werden mit den Fragmenten, die in Athen sind. Also was wir sagen, ist, man soll die getrennten Skulpturen wieder vereinigen. Es ist wirklich ein surrealistisches Bild. Also sie haben von Skulpturen den Kopf in Athen und den Körper in London, sie haben die Brust in Athen und den Torso in London. Das sind wirklich komische Sachen.
Meyer: Das sagt Dimitrios Pandermalis, der Direktor des neuen Akropolis-Museums, in dem eben Teile des Parthenon-Frieses ausgestellt sind, die anderen Teile in London. Herr Schauerte von den Berliner Museen, unter dieser Voraussetzung, dass die griechische Seite sagt, wir wollen konkret diese Teile, um die gemeinsam auszustellen hier in diesem Tempel, unweit des historischen Entstehungsortes, könnte man nicht unter dieser Voraussetzung sagen, da ist die Rückführung dann gerechtfertigt?
Schauerte: Ich würde nicht so weit gehen. Ich halte die Forderung von griechischer Seite, insbesondere von Herrn Pandermalis, mit dem wir sehr intensiv zusammenarbeiten – also uns verbindet institutionell eine langjährige Freundschaft –, das ist eine aus griechischer Sicht absolut verständliche Haltung. Und mich freut sehr, dass Herr Pandermalis auch zu differenzieren weiß, also nicht aus einem speziellen Fall, der hoch emotional ist, einen Fall zu machen, der im Grunde das ganze System von Museumsarbeit, aber auch von Kunsthandel und auch privatem Sammeln weltweit infrage stellen würde. Aber es löst im Grunde aus griechischer Sicht vielleicht ein Problem, dass es für die Griechen kein Präzedenzfall ist. Aber ob der Rest der Welt genauso reagieren würde oder für sich dann auch spezielle Präzedenzfälle wünschen würde, die genauso wieder in diesem Spannungsfeld von Recht und Moral verlaufen, mit manchmal auch nicht ganz klaren Trennlinien, das ist, denke ich, höchst kompliziert. Dafür ist es dann besser, denke ich, dass wir an harte Fakten uns halten, die für uns bedeuten in dem Miteinander mit den Staaten, dass wir auf Grundlagen wie der UNESCO-Konvention, auf der Grundlage einer EU-Richtlinie 93, von 1993, die Export von Kulturgütern ganz eindeutig regelt, auf der Basis von Recht wie Handelsrecht oder Sachenrecht bleiben. Sonst ist im Grunde Tür und Tor für alles offen, und dann haben Sie eine solche Forderung im Grunde gleich wieder konterkariert.
Meyer: Und was würden diese Regelungen, die Sie gerade ansprechen, auf der Ebene des Europarechts zum Beispiel, was würden die für diesen Fall bedeuten?
Schauerte: Für diesen Fall bedeuten die tatsächlich gar nichts, weil rechtliche Regelungen üblicherweise ab dem Zeitpunkt des Erlasses, unter Umständen noch mit einer Einführungsfrist, gelten. Bei der UNESCO-Konvention bedeutet das für Deutschland, dass das mit dem Tage der Hinterlegung bei der UNESCO in Paris zeitlich angelaufen ist. Wir haben für uns aber – und zu meiner großen Freude auch die amerikanischen Kollegen, die in den vergangenen Jahren ja immer im Brennpunkt dieser Weltöffentlichkeit für diese Frage standen, Metropolitan Museum, Getty Museum – eine Regelung, dass wir sagen, mit November 1970, wo die UNESCO-Konvention von der Weltgemeinschaft verabschiedet wurde, gilt einfach: Alles, was an Kulturgut auf dem Markte ist, was sich bewegt, muss vor 1970 legitimiert sein, was danach kommt und verfügt über keine klare und einwandfreie Herkunft, das wird in den Museen nicht gekauft und sollte auch nicht ausgestellt werden.
Meyer: In Berlin gibt es ja nun auch einen sehr prominenten Fall, eben den Pergamon-Altar, der kommt ja aus einer antiken Stadt, die auf dem Gebiet der heutigen Türkei liegt. Gibt es eigentlich in diesem Fall auch Rückgabeforderungen?
Schauerte: Es gibt im Grunde gestufte Rückgabeforderungen. Die türkische Regierung, die sich dann doch in einer Rechtsnachfolge zum Osmanischen Reich sieht, fordert nichts zurück, während natürlich die lokalen Vertreter, die ein anderes Verhältnis dazu haben, auch natürlich die Prosperität ihrer eigenen Gemeinde oder Gemeinschaft dort sehen, aus diesem Bereich kommt das. Nur ist da im Grunde genommen die Situation, wenn man überhaupt noch das ausdrücken kann, entschieden noch klarer, denn das Ganze ist auf einer absolut eindeutigen vertraglichen Regelung entstanden und in einem solchen Milieu, dass man sagt, für die Ausgrabungen und die Erforschung der lokalen oder auch nationalen Geschichte bekommt der Ausgräber in der Regel im 19. Jahrhundert die Hälfte des Fundmaterials, das dann nach gewissen Regularien zwischen dem Ursprungsland und dem Ausgräber, also dem Drittstaat, dann aufgeteilt wird.
Kassel: Wohin gehören die Elgin Marbles aus dem Athener Parthenon-Fries? Das war eine Antwort darauf von Günter Schauerte, dem stellvertretenden Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin. Mein Kollege Frank Meyer hat mit ihm gesprochen.
Günter Schauerte: Ich würde das Ganze in verschiedene Bereiche aufteilen: Einmal eine rechtliche Frage, die von Juristen zu klären ist, das andere ist eine moralische Frage.
Frank Meyer: Dann bleiben wir bei der juristischen Frage. Erst mal, die Briten sind ja der Auffassung, wir haben wasserdichte Kaufverträge für diese Elgin Marbles. Gehen Sie da mit?
Schauerte: Bis zum heutigen Tage sind wir tatsächlich auf der Seite unserer britischen Kollegen, gestehen den britischen Kollegen dabei aber auch ausdrücklich zu, dass dieses in bilateralen Verhandlungen zwischen der griechischen und dann ja nicht der britischen Seite, sondern dem Britischen Museum geregelt werden muss. Das britische Museum ist, obwohl es Britisches Museum heißt, ein privates Museum, das getragen wird von diesen Trustees. Und genauso verhält sich die britische Regierung, die die ganzen Claims der griechischen Seite an das Museum und ihre Trustees direkt verweist.
Meyer: Es wird ja immer wieder angezweifelt, ob diese juristischen Verträge damals mit dem Osmanischen Reich auf eine Weise zustande gekommen sind, die man heute noch zu akzeptieren bereit ist. Was würden Sie dazu sagen?
Schauerte: Da muss man sagen: andere Zeiten, andere Sitten. Jedes Rechtsgeschäft, das getätigt wird, muss im Grunde aus der Situation, in der es entstanden ist, beurteilen. Ich kann da nur sozusagen aus deutscher Sicht auch sagen, unsere wirklich mehr als schmerzlichen Verluste im Bereich entartete Kunst, als die Naziregierung wichtigste Kulturschätze der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weggegeben hat, die haben für uns weiterhin Bestand, obwohl wir natürlich auch sagen, das ist von einem Unrechtsregime ausgegangen. Pacta sunt servanda, sagt man.
Meyer: Also Sie sagen, Herr Schauerte, die juristische Seite ist erst mal bis auf Weiteres geklärt, juristisch gehören diese Kulturgüter nach London, aber Sie sagen auch, es hat auch einen moralischen Aspekt. Und wie beurteilen Sie den?
Schauerte: Ja, der moralische Aspekt ist im Grunde aus der Bedeutung der Objekte und der Beziehung untereinander zu regeln. Auch da ist es Brauch seit Langem, dass wir den Kollegen vor Ort keine Ratschläge erteilen, also weder der griechischen Seite noch der englischen Seite, dem Britischen Museum. Es sind alle Möglichkeiten denkbar. Es gibt ja nicht dabei nur ein Schwarz oder Weiß, sondern eine ganze Bandbreite von dem, wo man zusammenfinden kann. Ich nenne nur ein eigenes Beispiel: 2002 haben wir einen Vertrag mit sechs italienischen Museen und fünf deutschen Museen geschlossen, die einen antiken Tausch untereinander abmachen mit langfristigen Leihgaben, wo wir einfach sagen, was im einen Land fehlt, wird im anderen Land im Übermaß unter Umständen vorrätig sein, und wir ergänzen unsere Bereiche, ohne in diese Fragen von Eigentum und Kauf und dann vielleicht auch illegalem Handel zu kommen. Das ist eine Möglichkeit, um aus diesen ganz harten Situationen der Vorwürfe von Recht und Unrecht herauszukommen. Dann muss man das natürlich auch mit den Umfängen verbinden. Diese knallharte griechische Forderung, die im Moment ein bisschen zu einem Alles-oder-nichts hingeht, ist natürlich, wenn man die andere Seite betrachtet, dann eine Demontage eines Museums, das seit über 200 Jahren existiert und …
Meyer: Das wäre dann das British Museum?
Schauerte: Genau … und dort natürlich Spuren hinterlässt im Grunde, dass man sagt, das ist dann nicht mehr das Britische Museum.
Meyer: Hinter dieser ganzen Frage, hat man oft den Eindruck, steht ja bei den Museumsleuten die Angst, wenn jetzt ein solcher Präzedenzfall geschaffen wird und diese weltberühmten Stücke tatsächlich zurückgehen sollten nach Athen, da können wir eigentlich alle unsere Museen leer räumen, wenn wir jetzt alles zurückgeben sollen. Und wir haben vor zwei Tagen hier in unserem Programm im Deutschlandradio Kultur mit dem Direktor des neuen Akropolis-Museums, mit Dimitrios Pandermalis gesprochen, und er hat zu diesem Problem Folgendes gesagt:
Dimitrios Pandermalis: Es ist die Rede immer nur über die Parthenon-Skulpturen. Das Museum sagt nicht, dass alle Kunstwerke, die mal aus Griechenland weggegangen sind, also im Ausland sich befinden, dass sie alle zurückkommen müssen. Das Einzige, was wir sagen, ist, für ein Monument, und das ist ein sehr symbolisches, ein sehr besonderes Monument, nur für das verlangen wir die Fragmente und die Platten aus den Reliefs, die Dekoration des Tempels, nur diese. Und die sollen nun vereinigt werden mit den Fragmenten, die in Athen sind. Also was wir sagen, ist, man soll die getrennten Skulpturen wieder vereinigen. Es ist wirklich ein surrealistisches Bild. Also sie haben von Skulpturen den Kopf in Athen und den Körper in London, sie haben die Brust in Athen und den Torso in London. Das sind wirklich komische Sachen.
Meyer: Das sagt Dimitrios Pandermalis, der Direktor des neuen Akropolis-Museums, in dem eben Teile des Parthenon-Frieses ausgestellt sind, die anderen Teile in London. Herr Schauerte von den Berliner Museen, unter dieser Voraussetzung, dass die griechische Seite sagt, wir wollen konkret diese Teile, um die gemeinsam auszustellen hier in diesem Tempel, unweit des historischen Entstehungsortes, könnte man nicht unter dieser Voraussetzung sagen, da ist die Rückführung dann gerechtfertigt?
Schauerte: Ich würde nicht so weit gehen. Ich halte die Forderung von griechischer Seite, insbesondere von Herrn Pandermalis, mit dem wir sehr intensiv zusammenarbeiten – also uns verbindet institutionell eine langjährige Freundschaft –, das ist eine aus griechischer Sicht absolut verständliche Haltung. Und mich freut sehr, dass Herr Pandermalis auch zu differenzieren weiß, also nicht aus einem speziellen Fall, der hoch emotional ist, einen Fall zu machen, der im Grunde das ganze System von Museumsarbeit, aber auch von Kunsthandel und auch privatem Sammeln weltweit infrage stellen würde. Aber es löst im Grunde aus griechischer Sicht vielleicht ein Problem, dass es für die Griechen kein Präzedenzfall ist. Aber ob der Rest der Welt genauso reagieren würde oder für sich dann auch spezielle Präzedenzfälle wünschen würde, die genauso wieder in diesem Spannungsfeld von Recht und Moral verlaufen, mit manchmal auch nicht ganz klaren Trennlinien, das ist, denke ich, höchst kompliziert. Dafür ist es dann besser, denke ich, dass wir an harte Fakten uns halten, die für uns bedeuten in dem Miteinander mit den Staaten, dass wir auf Grundlagen wie der UNESCO-Konvention, auf der Grundlage einer EU-Richtlinie 93, von 1993, die Export von Kulturgütern ganz eindeutig regelt, auf der Basis von Recht wie Handelsrecht oder Sachenrecht bleiben. Sonst ist im Grunde Tür und Tor für alles offen, und dann haben Sie eine solche Forderung im Grunde gleich wieder konterkariert.
Meyer: Und was würden diese Regelungen, die Sie gerade ansprechen, auf der Ebene des Europarechts zum Beispiel, was würden die für diesen Fall bedeuten?
Schauerte: Für diesen Fall bedeuten die tatsächlich gar nichts, weil rechtliche Regelungen üblicherweise ab dem Zeitpunkt des Erlasses, unter Umständen noch mit einer Einführungsfrist, gelten. Bei der UNESCO-Konvention bedeutet das für Deutschland, dass das mit dem Tage der Hinterlegung bei der UNESCO in Paris zeitlich angelaufen ist. Wir haben für uns aber – und zu meiner großen Freude auch die amerikanischen Kollegen, die in den vergangenen Jahren ja immer im Brennpunkt dieser Weltöffentlichkeit für diese Frage standen, Metropolitan Museum, Getty Museum – eine Regelung, dass wir sagen, mit November 1970, wo die UNESCO-Konvention von der Weltgemeinschaft verabschiedet wurde, gilt einfach: Alles, was an Kulturgut auf dem Markte ist, was sich bewegt, muss vor 1970 legitimiert sein, was danach kommt und verfügt über keine klare und einwandfreie Herkunft, das wird in den Museen nicht gekauft und sollte auch nicht ausgestellt werden.
Meyer: In Berlin gibt es ja nun auch einen sehr prominenten Fall, eben den Pergamon-Altar, der kommt ja aus einer antiken Stadt, die auf dem Gebiet der heutigen Türkei liegt. Gibt es eigentlich in diesem Fall auch Rückgabeforderungen?
Schauerte: Es gibt im Grunde gestufte Rückgabeforderungen. Die türkische Regierung, die sich dann doch in einer Rechtsnachfolge zum Osmanischen Reich sieht, fordert nichts zurück, während natürlich die lokalen Vertreter, die ein anderes Verhältnis dazu haben, auch natürlich die Prosperität ihrer eigenen Gemeinde oder Gemeinschaft dort sehen, aus diesem Bereich kommt das. Nur ist da im Grunde genommen die Situation, wenn man überhaupt noch das ausdrücken kann, entschieden noch klarer, denn das Ganze ist auf einer absolut eindeutigen vertraglichen Regelung entstanden und in einem solchen Milieu, dass man sagt, für die Ausgrabungen und die Erforschung der lokalen oder auch nationalen Geschichte bekommt der Ausgräber in der Regel im 19. Jahrhundert die Hälfte des Fundmaterials, das dann nach gewissen Regularien zwischen dem Ursprungsland und dem Ausgräber, also dem Drittstaat, dann aufgeteilt wird.
Kassel: Wohin gehören die Elgin Marbles aus dem Athener Parthenon-Fries? Das war eine Antwort darauf von Günter Schauerte, dem stellvertretenden Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin. Mein Kollege Frank Meyer hat mit ihm gesprochen.