Schaufenster lateinamerikanischer Kunst

Von Victoria Eglau |
Als überschaubarer Galerien-Treffpunkt fing die argentinische Kunstmesse "arteBA" vor 21 Jahren an - heute ist sie eine der wichtigsten Verkaufsschauen zeitgenössischer lateinamerikanischer Kunst in der Welt. Und die Messe zieht auch immer mehr internationale Besucher an.
Im Lärm der gut besuchten Messehallen von Buenos Aires ist das seltsame, undefinierbare Geräusch in einem der Objekte des Künstlers Eduardo Basualdo kaum zu hören. Sabine Schmidt, Basualdos Galeristin, versucht, die hängende, unförmige, schwarze Skulptur zu beschreiben.

"Die sieht fast aus wie ein großer Bienenstock, man sieht, darin bewegt sich was. Die wackelt, und man hört das auch, man hört was rascheln, aber man weiß nicht, was drin ist. Man ahnt natürlich, es ist ein Motor, aber es fühlt sich wirklich an, als wär da ein kleines Wesen drin."

Eduardo Basualdo beschäftige sich viel mit der Natur und der Psychoanalyse, erklärt Sabine Schmidt. Es ist ihr anzumerken, dass sie begeistert vom Werk des Argentiniers ist. Beide, der junge Konzeptkünstler aus Buenos Aires und die Besitzerin der Berliner Galerie PSM, lernten sich 2011 anlässlich von "arteBA" kennen. In diesem Jahr nimmt Sabine Schmidt zum zweiten Mal an der Kunstmesse von Buenos Aires teil - diesmal mit Werken von Eduardo Basualdo, sowie dem in Berlin lebenden US-Amerikaners Daniel Jackson. PSM wurde in das internationale Projekt "U-Turn" eingeladen, für das die Kuratorin Abaseh Mirvali verantwortlich ist. Die zwölf ausgewählten Galerien stammen unter anderem aus Brasilien, Spanien und Dänemark - immerhin vier sind aus Deutschland.

"Mit dem Projekt 'U-Turn' schafft 'arteBA' zum zweiten Mal eine Plattform für den Dialog zwischen lateinamerikanischen und internationalen Künstlern. Ein Dialog, der vorher wegen der Entfernungen und Kosten schwierig war. Die vier deutschen Galerien, die ich ausgesucht habe, sind junge Galerien aus Berlin. Sie sind nicht nur wegen ihrer interessanten Künstler dabei, sondern auch, weil sie außergewöhnlich gute Arbeit leisten, und das in der Welthauptstadt der zeitgenössischen Kunst: Berlin."

Die US-amerikanisch-iranische Kuratorin Abaseh Mirvali pendelt seit Jahren zwischen den Kunstszenen der Kontinente hin und her, und ist bekannt als engagierte Vernetzerin und erfahrene Entdeckerin von Talenten. Durch ihren Beitrag öffnet sich "arteBA", bisher vor allem nach Lateinamerika orientiert, stärker Richtung Europa und USA. Das bedeutet nicht zuletzt: ein größeres und internationaleres Angebot für die wachsende argentinische Sammlerschaft.

"Wir erleben in Argentinien gerade einen Boom des Kunstsammelns. Es ist unglaublich, wie die Leute in Kunst investieren. Das gab es früher nicht. Jetzt ist es Mode, in Kunst zu investieren, und das ist gut, weil der Kunstmarkt und die ganze Szene in Bewegung kommen,"

erzählt die Kuratorin Laura Batkis, Präsidentin des Galerien-Auswahlkomitees von "arteBa". Dass das Kaufinteresse und Potential groß sind, stellen auch die europäischen Galerien fest. So sind "RaebervonStenglin" aus Zürich und PSM aus Berlin hochzufrieden mit ihren Verkäufen in Buenos Aires, aber auch mit den Einblicken in das argentinische Sammler-Milieu. Sabine Schmidt:

"Das Kaufpotenzial ist hoch. Absolut. Höher als in Berlin. Es gibt tatsächlich ne große Sammlerschaft, die gut zusammen hält, die sich auch kennt. Weil die Szene natürlich auch kleiner ist als in Berlin. Es wird viel kommuniziert, ausgetauscht, über Inhalte gesprochen, und dann aber auch gekauft."

Von der stärkeren internationalen Ausrichtung der Kunstmesse profitieren aber nicht nur die Käufer, sondern auch die lateinamerikanischen Künstler. Wie Eduardo Basualdo, der bei "arteBA" Sabine Schmidt traf, und nun neben seiner Galerie in Buenos Aires auch mit PSM in Berlin zusammenarbeitet.

"Argentinien ist auf der Weltkarte ganz schön abgelegen. Heute läuft zwar alles über E-Mail, aber persönliche Kontakte sind in der Kunstwelt wichtig, und natürlich die Möglichkeit, sich die Werke anzusehen. Insofern ist es wichtig für mich, meine Arbeit in Europa zeigen zu können."

In Argentinien ist Eduardo Basualdo bereits bekannt, in Europa wird er es langsam. Letztes Jahr nahm der 35-Jährige an der Biennale von Lyon teil. Zeitgenössische Kunst aus Lateinamerika findet sich in immer mehr Austellungen, Museen, Auktionshäusern und Sammlungen, erzielt aber nach wie vor viel niedrigere Preise als Werke aus Europa und den USA. Eduardo Basualdo möchte eines klarstellen: DIE lateinamerikanische Kunst gibt es nicht:

"Ich bin lateinamerikanischer Künstler, weil ich hier lebe. Mein Werk muss das nicht widerspiegeln - es sei denn, ich beabsichtige das. Der Stempel 'lateinamerikanischer Künstler' interessiert mich nicht."
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