Schaurig neue Arbeitswelt
Die Arbeit ist inzwischen überall: In der modernen kapitalistischen Gesellschaft verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Privatleben, beklagen die Wirtschaftswissenschaftler Carl Cederström und Peter Fleming in "Dead Man Working". Eine ebenso faszinierende wie gruselige Lektüre.
Eine Warnung vorab: Dieses herausragende Büchlein verfolgt seine Leser und Leserinnen auf Schritt und Tritt, denn es stellt jede Alltäglichkeit unter Verdacht. Der nette Plausch mit Chef und Kollegen, der Kauf des neuen Businessanzugs und das häusliche Tischgespräch am Abend, das sich natürlich um die Arbeit dreht. Tut man all das freiwillig? Passt man sich nur an? Oder ist man in Wirklichkeit fremdbestimmt vom kapitalistischen Wirtschaftsbetrieb, der auch auf die privateste Ebene unserer Persönlichkeit Einfluss zu nehmen sucht?
Letzteres zumindest ist die These der beiden Wirtschaftswissenschaftler Carl Cederström und Peter Fleming, die beide an renommierten Universitäten in Großbritannien lehren. In der modernen kapitalistischen Welt, so ihr Ansatz, ist es nahezu unmöglich, noch zu irgendeinem Zeitpunkt nicht von Arbeit dominiert zu sein. Der Grund: Die Grenze zwischen Arbeit und Nichtarbeit hat sich längst auflöst.
Das führt dazu, dass man Berufliches mit nach Hause nimmt und sogar davon träumt. Mehr noch: Während sich früher durch die Trennung von Arbeits- und Privat-Ich zumindest gefühlt eine gewisse Autonomie herstellen ließ, ist heute jeder Schutz durch eine klare Rollentrennung obsolet. Gefordert wird die absolute Authentizität – ein nettes Lächeln, Begeisterung, Engagement – und zwar immer, egal, ob das dem privaten Ich entspricht oder nicht.
Letzteres zumindest ist die These der beiden Wirtschaftswissenschaftler Carl Cederström und Peter Fleming, die beide an renommierten Universitäten in Großbritannien lehren. In der modernen kapitalistischen Welt, so ihr Ansatz, ist es nahezu unmöglich, noch zu irgendeinem Zeitpunkt nicht von Arbeit dominiert zu sein. Der Grund: Die Grenze zwischen Arbeit und Nichtarbeit hat sich längst auflöst.
Das führt dazu, dass man Berufliches mit nach Hause nimmt und sogar davon träumt. Mehr noch: Während sich früher durch die Trennung von Arbeits- und Privat-Ich zumindest gefühlt eine gewisse Autonomie herstellen ließ, ist heute jeder Schutz durch eine klare Rollentrennung obsolet. Gefordert wird die absolute Authentizität – ein nettes Lächeln, Begeisterung, Engagement – und zwar immer, egal, ob das dem privaten Ich entspricht oder nicht.
Der Angestellte muss per Zwang authentisch sein
Warum das so ist und worin sich das äußert, beschreiben die beiden auf leicht verständliche Weise in einer Mischung aus theoretischer Analyse und Praxisbeispielen. Die Theorie: Das Kapital ist in seiner ökonomischen Rationalität auf der Suche nach immer neuen Wertschöpfungsquellen, so die Wissenschaftler. Übrig geblieben ist nur noch der Teil des Menschen, der bislang für die Industriearbeit nicht von Interesse war - seine Gefühle, sein Wesen, seine Begeisterungsfähigkeit.
Dies wird nun als Wertquelle angezapft, mit einschneidenden Folgen: Der Angestellte muss per Zwang authentisch sein. Ob im Callcenter, als Stewardess bei Delta Airlines, ob als Banker oder als chinesischer Foxconn-Arbeiter – der Job fordert jetzt den ganzen Menschen. In "Teambildungsübungen", die Cederström und Fleming quälend anschaulich beschreiben, wird mit entsprechenden Motivationstechniken trainiert, sich komplett rein zu geben und so echt wie möglich zu sein.
Die Autoren nennen das den lebendigen Tod, der schlimmer sei, als der Tod selbst, da nicht nur kein Ende in Sicht ist, sondern auch kein Platz mehr, an dem man zu sich selbst finden kann. "Auf ätzende Weise unterhaltsam", hat die englische Zeitung "The Guardian" diese Schilderung bezeichnet und trifft es damit ziemlich genau. Dieser Einblick in die neue Arbeitswelt ist faszinierend und gruselig zugleich – zumal diese beunruhigende Analyse aus Sicht der Autoren auch auf die Sphäre der Geistes- und Kulturproduktion zutrifft, die sich ja gern davon ausgenommen glaubt. Und wie kann man dem lebendigen Tod entkommen? Die Antwort: Man soll seine sozialen Beziehungen von der Logik der Arbeit trennen. Wie, das muss jeder für sich selbst ausloten.
Besprochen von Vera Linß
Dies wird nun als Wertquelle angezapft, mit einschneidenden Folgen: Der Angestellte muss per Zwang authentisch sein. Ob im Callcenter, als Stewardess bei Delta Airlines, ob als Banker oder als chinesischer Foxconn-Arbeiter – der Job fordert jetzt den ganzen Menschen. In "Teambildungsübungen", die Cederström und Fleming quälend anschaulich beschreiben, wird mit entsprechenden Motivationstechniken trainiert, sich komplett rein zu geben und so echt wie möglich zu sein.
Die Autoren nennen das den lebendigen Tod, der schlimmer sei, als der Tod selbst, da nicht nur kein Ende in Sicht ist, sondern auch kein Platz mehr, an dem man zu sich selbst finden kann. "Auf ätzende Weise unterhaltsam", hat die englische Zeitung "The Guardian" diese Schilderung bezeichnet und trifft es damit ziemlich genau. Dieser Einblick in die neue Arbeitswelt ist faszinierend und gruselig zugleich – zumal diese beunruhigende Analyse aus Sicht der Autoren auch auf die Sphäre der Geistes- und Kulturproduktion zutrifft, die sich ja gern davon ausgenommen glaubt. Und wie kann man dem lebendigen Tod entkommen? Die Antwort: Man soll seine sozialen Beziehungen von der Logik der Arbeit trennen. Wie, das muss jeder für sich selbst ausloten.
Besprochen von Vera Linß
Carl Cederström, Peter Fleming: Dead Man Working
Die schöne neue Welt der toten Arbeit
Übersetzt von Norbert Hofmann
Edition Tiamat, Berlin 2013
144 Seiten, 13 Euro
Die schöne neue Welt der toten Arbeit
Übersetzt von Norbert Hofmann
Edition Tiamat, Berlin 2013
144 Seiten, 13 Euro