Schauspiel Wuppertal

Neustart mit vereinten Kräften

Ein Luftballon mit der Aufschrift "Theater macht reich!" vor dem geschlossenen Schauspielhaus Wuppertal.
Ein Luftballon mit der Aufschrift "Theater macht reich!" vor dem geschlossenen Schauspielhaus Wuppertal © picture alliance / dpa / Foto: Bernd Thissen
Von Ulrike Gondorf |
Unter massiven Protesten wurde im vergangenen Jahr wegen Einsparungen das Schauspielhaus Wuppertal geschlossen. Nach Spenden von Bürgern und Unternehmen startet jetzt ein kleines Ensemble in einer umgebauten Lagerhalle von vorn.
Spielzeiteröffnung 2014 in einem neuen Schauspielhaus in Wuppertal. Das ist eine Möglichkeit, mit der lange niemand gerechnet hatte. In der völlig überschuldeten Stadt ist aus Geldmangel das denkmalgeschützte Schauspielhaus aus den 50er-Jahren geschlossen worden. Die längst überfällige Sanierung konnte und wollte die Stadt (die unter Haushaltsaufsicht steht) nicht finanzieren. Intendant und Ensemble wurden gekündigt. Aber der lange sich abzeichnende Kahlschlag rief Proteste in der Stadt hervor. Bürger und Unternehmen machten sich für das Schauspiel stark, es wurden Sponsoren gefunden, die den Umbau einer alten Lagerhalle in ein 150-Plätze-Theater finanzierten. Die Stadt ist nur für Ausstattung und Unterhalt zuständig. Der neuen Intendantin Susanne Abbrederis steht ein Mini-Ensemble mit neun Mitgliedern zur Verfügung.
Einfach und funktional
Dass hier eine Bürgerschaft für ein Theater gestritten hat, das ist das Wuppertaler Theaterwunder. Und man wünscht dem neuen Team, dass es mit diesem Pfund wuchern kann. Das neue Schauspielhaus ist einfach und funktional, mit bequemen Sesseln und breiten Sitzreihen komfortabel ausgestattet. Aber es ist natürlich nur eine Art Werkraumbühne ohne technische Möglichkeiten. Als kleine Zusatzspielstätte wäre es gut geeignet, als einziges Zentrum eines Theaters setzt es von vornherein enge Grenzen. Zudem ist es so klein, dass selbst bei guter Auslastung kaum nennenswerte Besucherzahlen erreichbar sind. Es steht also zu befürchten, dass die politische Diskussion darüber, ob sich die städtischen Zuschüsse für das Theater begründen lassen, schon bald wieder aufflammen könnte.
Eröffnung mit einem Liederabend
Susanne Abbrederis macht einen Spielplan, für den sie Zustimmung erwartet in Wuppertal: "Minna von Barnhelm", Else Lasker-Schülers "Wupper", eine Backstage-Comedy. Außerdem sind viele Extras, Lesungen, Chansonabende u.a. geplant. Die Eröffnung mit dem Liederabend "Die schöne Müllerin" ließ allerdings noch nicht recht erkennen, wohin die Reise gehen soll. Vermutlich ist das Projekt erdacht worden, um alle neun Ensemblemitglieder in möglichst gleichwertigen Aufgaben zum Einstand vorstellen zu können.
Aber ob sie ein Ensemble sind und welche Ideen sie prägen, davon wurde an diesem ersten Abend noch nichts erkennbar. Den stärksten Eindruck hinterließ Thomas Braus, der als einziger Protagonist des "alten" Wuppertaler Schauspiels im Engagement geblieben ist. Er fand einen Weg, Schuberts Lieder als Schauspieler zu singen und andere Mittel einzubringen, als man von den Tonaufnahmen professioneller Sänger im Ohr hat. Das todesstarre Lied "Trockene Blumen“ wurde so zu einem beklemmenden Moment. Uwe Dreysel, studierter Opernsänger, hatte dagegen souveräne stimmliche Möglichkeiten und konnte Schubert aus der Musik heraus interpretieren. Alle anderen suchten irgendwo dazwischen eine Möglichkeit und manches geriet dabei doch ziemlich schräg – oder bei weitem nicht schräg genug.
Schuberts Meisterwerk als Performance
Denn das größte Manko des Abends ist, dass Regisseur Jos van Kan nicht deutlich machen kann, warum er Schuberts Meisterwerk auf die Bühne bringen wollte. Im Programmheft liest man etwas vom Verlust romantischer Ideale (die doch schon für Schubert höchst fragwürdig geworden waren!) und der Befragung einer Gefühlskultur des digitalen Zeitalters. Auf der Bühne sieht man performanceartige Aktionen: Der Bach, zweiter Protagonist des Liederzyklus, wird wassereimerweise herumgegossen; aus den neun flachen Kästen, die das Bühnenbild darstellen, werden wahlweise Stoffbahnen, Sandkästen, ausgestopfte Rehe oder Schultafeln herausgeklappt, auf die dann Schlüsselwörter gekritzelt und wieder ausgewischt werden.
Der größte Teil der Lieder, die Christoph Schnackertz (in einer eher peinlichen Schubert –Maske, aber musikalisch kompetent) am Flügel begleitet, ist chorisch oder in einer Art Wechselgesang arrangiert. Aber was da singend verhandelt wird zwischen diesen neun Darstellern, bleibt größtenteils nebulös. Von wenigen Momenten abgesehen, hinterlässt einen dieser Liederabend ziemlich indifferent. Was das neue Wuppertaler Ensemble kann und will, muss sich noch erweisen.
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