Vor verschlossenen Bühnen
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Durch die Pandemie liegt die Theaterbranche brach. Die 174 Absolventen von staatlichen Schauspielschulen haben es schwer, eine Stelle zu finden. Wie ist es den Studierenden in ihrem Abschlussjahr ergangen?
Eine helle Probebühne in Berlin-Charlottenburg. Die Fenster sind geöffnet. Auf der Bühne probt Charlotte Will ihre Rolle. Ihr Kommilitone Lorenz Hochhuth filmt sie mit seinem Handy. Beide sind im Abschlussjahrgang Schauspiel an der Universität der Künste Berlin. Heute wollen sie neues Videomaterial für ihre Bewerbungen an den Theatern produzieren.
Die Übertragung von Bühne auf Kamera ist nicht leicht. Die Studierenden müssen ihr Spiel anpassen, "kleiner" spielen und zusätzlich noch auf technische Aspekte wie Licht, Ton und Filmqualität achten. Denn dieses Jahr sind die Filme die einzige Möglichkeit, sich den Theatern zu zeigen, erklärt Charlotte Will.
Wichtigste Plattformen fielen weg
"Normalerweise spielen wir an zwei Tagen vor je 400 Leuten und da kommen sehr viele RegisseurInnen und CasterInnen und DramaturgInnen und so weiter. Und dieses Jahr durften 40 Leute den Raum betreten. Das heißt, uns hat einfach niemand gesehen. Und man ist so in den Startlöchern und denkt, ich will mich euch doch präsentieren und mich zeigen und bin da und kann was, aber niemand kann gucken, außer diese Videos."
Neben den Abschlussvorspielen in den Schulen mussten auch die zentralen Vorsprechen in Neuss, Berlin und München abgesagt werden: Für die AbsolventInnen normalerweise die wichtigsten Plattformen, um auf dem schwierigen Schauspielmarkt einen Einstieg zu bekommen.
Szenen auf der Plattform Spectyou
Um überhaupt sichtbar zu sein, konnten die Studierenden auf der Videoplattform Spectyou Szenen und Monologe hochladen. Ausgeglichene Richtlinien gab es dafür allerdings nicht, erinnert sich Lorenz Hochhuth:
"Es war wirklich so, dass wir ziemlich aufgeschmissen waren. Und ich weiß, dass andere Schulen sich auch technische Hilfe geholt haben. Und teilweise mit drei Kameras und Schnitt und ausgeleuchtet und Mikrofon auch."
Ein gerechter Wettbewerb sieht anders aus. Die Theater können sich tinderartig auf der Plattform durch die 174 Gesichter klicken und interessante KandidatInnen zum Vorsprechen einladen. Ein analoges Vorsprechen wird damit nicht ersetzt, findet auch Daniel Pfluger, Hausregisseur am Volkstheater Rostock.
"Es ist natürlich eine Sache, ob man eine Woche mit jungen SchauspielstudentInnen zusammen eingesperrt ist und alles angucken muss, was sie einem da bieten, oder darf. Und dieses Erlebnis gibt es natürlich nicht, wenn man die Chance hat wegzuklicken, vorzuscrollen oder sonst irgendwas. Ich halte das insgesamt für sehr problematisch, und ich finde, die Schulen haben sehr unterschiedliche Formate präsentiert, einige sind gelungener, andere sind eher kontraproduktiv."
Nur ein Drittel fest angestellt
Das Volkstheater Rostock war eines der wenigen Theater, die in dieser Spielzeit Vorsprechen gemacht haben. Denn durch die pandemiebedingte Planungsunsicherheit wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt sehr viel weniger Vakanzen frei als sonst. Erst etwa ein Drittel der AbsolventInnen haben bisher eine feste Stelle, erklärt Beate Darius von der ZAV Künstlervermittlung.
"Ob wir dieses Jahr auf die Zahlen vom letzten und vorletzten Jahr kommen, das wage ich zu bezweifeln, wenn wir jetzt erst bei 60 sind. Also insofern ist die Situation natürlich speziell und relativ dramatisch und es ist zu erwarten, dass es sich noch auf den nächsten Jahrgang auswirken wird."
Denn bereits im Herbst macht der nächste Jahrgang der 19 Schauspielhochschulen seinen Abschluss. Für AbsolventInnen wie Charlotte Will wird es dann noch schwieriger werden, wahrgenommen zu werden. Trotzdem nehmen die Hochschulen weiter neue Studierende auf, und der Arbeitsmarkt ist schon ohne Pandemie überlaufen, erklärt Beate Darius.
"Es kommen jährlich um die 400 AnfängerInnen auf den Markt. Um die 200, 220 von den staatlichen Hochschulen und mindestens nochmal so viele von den privaten Schauspielschulen. So viel kann der sogenannte Markt nicht beschäftigen, zumindest kann ich das ganz klar für die Bühne sagen, dass das nicht hinhaut."
Charlotte Will bleibt trotzdem positiv und glaubt fest daran, dass sie dieses Jahr noch ein Angebot bekommt: "Ich bin immer sehr optimistisch, auch wenn das vielleicht naiv und in dieser Zeit nicht angebracht ist, aber ich habe immer so ein Grundvertrauen, dass ich denke, es wird schon was kommen und auch etwas, dass ich machen will."
Hoffnung geben auch einige für das Frühjahr geplante Vorsprechen – dann, wenn die Theater wieder endlich planen können.