Schauspieler der Extreme
Alexander Scheer ist ein Ausnahmetalent, denn eine Schauspielschule hat er nie besucht. Als Hauptdarsteller in Leander Haußmanns Film "Sonnenallee" stürmte er 1999 auf die Leinwand. Seither ist er auf der Theaterbühne ebenso zu Hause wie im Fernsehen und Kino. Zurzeit beeindruckt der wandlungsfähige Jungschauspieler als "Kean" in Frank Castorfs Inszenierung an der Berliner Volksbühne.
"Ich bin ja ein Method Actor, also zumindest töne ich immer 'rum, dass ich ein Method Actor bin, weil ich ja auch keine Schule gemacht habe und nur das spielen kann, was ich selber auch verstehe. Und wenn ich es nicht verstehe, dann versuche ich es halt zu lernen. Ich habe das Handwerk nicht, ich kann nicht etwas technisch herstellen, was ich mir dann selber nicht glaube."
Berlin, Prenzlauer Berg. Der Autodidakt unter den deutschen Jungschauspielern, Alexander Scheer, sitzt mir gegenüber. Die braunen Haare sind verstrubbelt, er trägt eine große Hornbrille aus den 70ern, Kapuzenpulli, Sneakers, Zigarette in der Hand. Er ist ein bisschen müde, aber gut gelaunt.
Als Micha Ehrenreich wurde er Ende der 90er Jahre in Leander Haußmanns Film "Sonnenallee" über Nacht berühmt. Momentan steht er in Frank Castorfs fünfeinhalb Stunden Inszenierung "Kean" auf der Bühne. Er spielt Edmund Kean, den genialen Shakespearedarsteller Englands um 1800, einen Trunkenbold und Womanizer. Eine Rolle, ganz nach dem Geschmack des 32-jährigen.
"Die Schauspielerei ist das älteste Gewerbe der Welt, nicht die Prostitution, nein, es ist die Schauspielerei, das fahrende Volk. Wir waren ja vogelfrei, also Schauspieler waren ja nie gut angesehen. Was man auch bei Kean sehen kann, da kommt halt die ganze Hautevole ins Theater, die Könige und der Prinz von England aber, der wird nie mit zur Jagd dürfen."
Scheers erste Liebe galt dem Kino. Das entdeckte der gebürtige Ostberliner im Alter von 6 Jahren, beim Familienurlaub an der Ostsee.
"Wir sind immer ins Kino gegangen, und da liefen so Westfilme, so Olsenbande und eben auch diese Winnetou-Streifen, die Karl May Filme, die ja jeder kennt. Das Licht geht aus, die Magie fängt an. Und da war eben dann auch, abgesehen von Winnetou und Old Shatterhand, ein Cowboy.
Der konnte toll reiten, der machte Stunts, der fiel vom Felsen, dann ritten die Bösen weg. Und dann stand er wieder auf und klopfte sich ab und sagte: Na, ich habe nur so getan. Und da dachte ich, ach Mann, das will ich auch machen. Der Mann hieß Götz George, und ich habe dann zweimal mit ihm gearbeitet."
Eine Schauspielschule hat Alexander Scheer nie besucht. Der Institution Schule stand er immer skeptisch gegenüber, denn Mitte der 90er Jahre war Berlin bekanntlich die aufregendste Stadt der Welt.
"Also, ich kann mich erinnern, mein ganzer Jahrgang, zumindest die Jungs, sind alle sitzen geblieben in der Schule, weil wir einfach immer nur Party gemacht haben und in der Schule den Unterricht dazu nutzten, zu schlafen. Ja, dann habe ich verschiedene Jobs gemacht - als Preisboxer gearbeitet und als Friedhofsgärtner und als Postbote - und kann auch noch recht gute Cocktails mixen. Ich habe in verschiedenen Bars gearbeitet. Und dann habe ich auch off und off off und off off off Theater gemacht - also wo man sich so selber die Kostüme genäht hat und die Kulissen gebaut hat."
Nach der 11. Klasse verlässt Alexander Scheer ohne Abschluss die Schule, dreht mit Freunden auf eigene Faust Underground-Filme, jobbt als Modell für Bausparverträge, als Statist und Kleindarsteller bis zu jenem denkwürdigen Tag.
Als Micha Ehrenreich erobert der damals 23-jährige die Leinwand, doch es zieht ihn auf dieTheaterbühne.
"Leander Haußmann rief mich an nach dem Dreh. Komm' nach Bochum, werde Schauspieler, lern' dein Handwerk, ich schmuggel dich rein. Da war ich zwei Jahre, die Lehr- und Wanderjahre nennt man das ja auch. Und das war für mich der richtige Weg, ich habe da keine Schule gebraucht . Praktisch jeden Abend zu spielen, das war meine Schule."
Sieben Jahre steht Alexander Scheer fast ausschließlich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, 2008 wird er mit dem renommierten Ulrich Wildgruber Theaterpreis ausgezeichnet. Er verkörpert den Neonazi Kurt in dem Fernsehfilm "Brennendes Herz", den kiffenden Comicladenbesitzer Lenny in der Vorabendserie "Berlin, Berlin" und demnächst den deutschen Top-Terroristen Johannes Weinrich in einem französischen Dreiteiler.
"Ich kann mir mittlerweile aussuchen, was ich mache, wobei ich glaube, eigentlich, ich kenne das von früher: Man kann sich ja immer aussuchen, was man macht. Und man kann immer nein sagen, wenn es einem nicht passt. Dann hat man halt die Kohle nicht, okay, aber dann hast du wenigstens noch dein Gesicht im Spiegel. Und bei Keith Richards wars so: Natürlich will ich den spielen, natürlich, da gibts gar keine Frage - nur äh, wie mache ich das."
In der Verfilmung der Uschi-Obermeier-Biografie "Das wilde Leben" spielt Alexander Scheer Keith Richards - exzessiv und hemmungslos - ein Kindheitstraum, denn neben der Schauspielerei gilt seine große Liebe der Musik.
"Eigentlich bin ich ja Musiker, weil in Sonnenallee heißt es ja nicht umsonst, ich wollte immer mal ein Popstar sein. Und deswegen spiele ich ja in verschiedenen Bands."
Alexander Scheer liebt die Extreme - auf der Bühne, im Leben und auf der Leinwand. Gibt es da überhaupt noch einen Unterschied zwischen Kunst und Leben?
"Es gibt keinen Unterschied. Und ich finde immer, ich will von einem Schauspieler nicht wissen, wie der privat is. Das erfahre ich, wenn ich ihm zugucke wie er arbeitet. Wenn du mich privat kennen lernen willst, guck' mich auf der Bühne an, da geb' ich alles von mir preis."
Service:
Auf der Bühne ist Alexander Scheer in Frank Castorfs Inszenierung "Kean" am 09.01., 17.01., 24.01., 07.02. 09 immer um 19.00 Uhr in der Berliner Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz zu sehen.
Berlin, Prenzlauer Berg. Der Autodidakt unter den deutschen Jungschauspielern, Alexander Scheer, sitzt mir gegenüber. Die braunen Haare sind verstrubbelt, er trägt eine große Hornbrille aus den 70ern, Kapuzenpulli, Sneakers, Zigarette in der Hand. Er ist ein bisschen müde, aber gut gelaunt.
Als Micha Ehrenreich wurde er Ende der 90er Jahre in Leander Haußmanns Film "Sonnenallee" über Nacht berühmt. Momentan steht er in Frank Castorfs fünfeinhalb Stunden Inszenierung "Kean" auf der Bühne. Er spielt Edmund Kean, den genialen Shakespearedarsteller Englands um 1800, einen Trunkenbold und Womanizer. Eine Rolle, ganz nach dem Geschmack des 32-jährigen.
"Die Schauspielerei ist das älteste Gewerbe der Welt, nicht die Prostitution, nein, es ist die Schauspielerei, das fahrende Volk. Wir waren ja vogelfrei, also Schauspieler waren ja nie gut angesehen. Was man auch bei Kean sehen kann, da kommt halt die ganze Hautevole ins Theater, die Könige und der Prinz von England aber, der wird nie mit zur Jagd dürfen."
Scheers erste Liebe galt dem Kino. Das entdeckte der gebürtige Ostberliner im Alter von 6 Jahren, beim Familienurlaub an der Ostsee.
"Wir sind immer ins Kino gegangen, und da liefen so Westfilme, so Olsenbande und eben auch diese Winnetou-Streifen, die Karl May Filme, die ja jeder kennt. Das Licht geht aus, die Magie fängt an. Und da war eben dann auch, abgesehen von Winnetou und Old Shatterhand, ein Cowboy.
Der konnte toll reiten, der machte Stunts, der fiel vom Felsen, dann ritten die Bösen weg. Und dann stand er wieder auf und klopfte sich ab und sagte: Na, ich habe nur so getan. Und da dachte ich, ach Mann, das will ich auch machen. Der Mann hieß Götz George, und ich habe dann zweimal mit ihm gearbeitet."
Eine Schauspielschule hat Alexander Scheer nie besucht. Der Institution Schule stand er immer skeptisch gegenüber, denn Mitte der 90er Jahre war Berlin bekanntlich die aufregendste Stadt der Welt.
"Also, ich kann mich erinnern, mein ganzer Jahrgang, zumindest die Jungs, sind alle sitzen geblieben in der Schule, weil wir einfach immer nur Party gemacht haben und in der Schule den Unterricht dazu nutzten, zu schlafen. Ja, dann habe ich verschiedene Jobs gemacht - als Preisboxer gearbeitet und als Friedhofsgärtner und als Postbote - und kann auch noch recht gute Cocktails mixen. Ich habe in verschiedenen Bars gearbeitet. Und dann habe ich auch off und off off und off off off Theater gemacht - also wo man sich so selber die Kostüme genäht hat und die Kulissen gebaut hat."
Nach der 11. Klasse verlässt Alexander Scheer ohne Abschluss die Schule, dreht mit Freunden auf eigene Faust Underground-Filme, jobbt als Modell für Bausparverträge, als Statist und Kleindarsteller bis zu jenem denkwürdigen Tag.
Als Micha Ehrenreich erobert der damals 23-jährige die Leinwand, doch es zieht ihn auf dieTheaterbühne.
"Leander Haußmann rief mich an nach dem Dreh. Komm' nach Bochum, werde Schauspieler, lern' dein Handwerk, ich schmuggel dich rein. Da war ich zwei Jahre, die Lehr- und Wanderjahre nennt man das ja auch. Und das war für mich der richtige Weg, ich habe da keine Schule gebraucht . Praktisch jeden Abend zu spielen, das war meine Schule."
Sieben Jahre steht Alexander Scheer fast ausschließlich auf den Brettern, die die Welt bedeuten, 2008 wird er mit dem renommierten Ulrich Wildgruber Theaterpreis ausgezeichnet. Er verkörpert den Neonazi Kurt in dem Fernsehfilm "Brennendes Herz", den kiffenden Comicladenbesitzer Lenny in der Vorabendserie "Berlin, Berlin" und demnächst den deutschen Top-Terroristen Johannes Weinrich in einem französischen Dreiteiler.
"Ich kann mir mittlerweile aussuchen, was ich mache, wobei ich glaube, eigentlich, ich kenne das von früher: Man kann sich ja immer aussuchen, was man macht. Und man kann immer nein sagen, wenn es einem nicht passt. Dann hat man halt die Kohle nicht, okay, aber dann hast du wenigstens noch dein Gesicht im Spiegel. Und bei Keith Richards wars so: Natürlich will ich den spielen, natürlich, da gibts gar keine Frage - nur äh, wie mache ich das."
In der Verfilmung der Uschi-Obermeier-Biografie "Das wilde Leben" spielt Alexander Scheer Keith Richards - exzessiv und hemmungslos - ein Kindheitstraum, denn neben der Schauspielerei gilt seine große Liebe der Musik.
"Eigentlich bin ich ja Musiker, weil in Sonnenallee heißt es ja nicht umsonst, ich wollte immer mal ein Popstar sein. Und deswegen spiele ich ja in verschiedenen Bands."
Alexander Scheer liebt die Extreme - auf der Bühne, im Leben und auf der Leinwand. Gibt es da überhaupt noch einen Unterschied zwischen Kunst und Leben?
"Es gibt keinen Unterschied. Und ich finde immer, ich will von einem Schauspieler nicht wissen, wie der privat is. Das erfahre ich, wenn ich ihm zugucke wie er arbeitet. Wenn du mich privat kennen lernen willst, guck' mich auf der Bühne an, da geb' ich alles von mir preis."
Service:
Auf der Bühne ist Alexander Scheer in Frank Castorfs Inszenierung "Kean" am 09.01., 17.01., 24.01., 07.02. 09 immer um 19.00 Uhr in der Berliner Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz zu sehen.