"Der süße Geschmack von Freiheit" von Norbert Kentrup ist im Kellner Verlag erschienen, hat 528 Seiten und kostet 18,90 Euro.
"Ein Leben mit Shakespeare ist ein Geschenk"
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Er ist Theatermann mit Leib und Seele: Norbert Kentrup, Mitbegründer der Bremer Shakespeare Company, spielte als erster Deutscher im Londoner Globe-Theater. Warum Freiheit im Theater so wichtig ist, beschreibt er in einem Buch über sein Leben.
Die Liebe zu Shakespeare kam bei Norbert Kentrup übers Spielen. Als man ihn als ganz jungen Mann fragte, ob er für einen erkrankten Schauspieler in "Was ihr wollt" einspringen könnte, war ihm Shakespeare noch weitgehend unbekannt, erzählt er: "Ich wusste gar nicht, wie der geschrieben wurde."
Als jüngster von fünf Jungs wurde Kentrup 1949 in eine Familie geboren, die eigentlich gar nichts mit dem Theater zu tun hatte. Nachdem er dreimal sitzengeblieben war, flog er von der Schule, wusste aber mit ziemlicher Sicherheit, dass er Schauspieler werden wollte. Dass er die erwähnte Rolle letztendlich bekam, führt Kentrup auf "Hochstapelei" zurück - er behauptete einfach, den Part in drei Tagen lernen zu können, und setzte das dann tatsächlich erfolgreich in die Tat um.
Das war der Beginn einer lebenslangen Begeisterung für den englischen Dramatiker – und für dessen Sprache. Zur Figur des Othello, mit der sich Shakespeare für ihn etwas später dann vollkommen erschloss, sagt er: "Sie hat eine ungeheure Kraft, weil sie im Vers geschrieben ist. Wir machten die Übersetzung neu und ich merkte, wie die Sprache anfing, lebendig zu werden und beim Spielen etwas mit dir macht, womit du niemals gerechnet hast."
Keine Scheu vor Komplikationen
Nach Engagements an verschiedenen Theatern, unter anderem in Bremen unter der Intendanz von Kurt Hübner, war Kentrup 1984 Mitbegründer der Bremer Shakespeare Company. Freies Theater zu machen, war von Anfang an sein Ziel gewesen. Dass das nicht immer ohne Komplikationen abläuft, konnte er immer wieder feststellen.
"Das Leben ist nicht dazu da, dass man es sich einfach macht", meint er dazu. Eine Haltung, die er in den 90er-Jahren erneut unter Beweis stellte: Auf dem Sterbebett wünschte sich der amerikanische Schauspieler und Regisseur Sam Wanamaker von seinem Freund Norbert Kentrup, dass dieser am Globe-Theater in London die Rolle des Shylock spielen solle.
Wanamaker hatte Shakespeares Globe-Theater am Originalplatz wieder aufbauen lassen und Kentrup war begeistert von dieser Form des Theaterbaus. Der Haken war nur, dass er kein Englisch sprach. So kam es, dass er ein Jahr lang Privatunterricht nahm und dann den Shylock zwar mit deutschem Akzent aber auf Englisch spielen konnte.
Freiheit statt Sicherheit
Gutes Theater bestehe für ihn darin, "sich wirklich mit der Welt auseinanderzusetzen", sagt er. Es sollte Theater sein, "das an die Substanz geht, das wahr ist". Man müsse sich trauen, auch mal etwas Neues zu machen – und eben Freiheit wagen, worum es ihm auch in seinem Buch "Der süße Geschmack von Freiheit" geht: "Es gibt nichts Schlimmeres, als Theater, wo alle nur noch mit Helm und Sicherheitswesten rumlaufen und so auch spielen, und am Schluss, applaudieren alle, dass keiner verletzt worden ist."
Um Ruhe zu finden und ein wenig Abstand zur Arbeit zu gewinnen, verbringt Kentrup mit seiner Frau, der Autorin und Schauspielerin, Dagmar Papula jedes Jahr einige Wochen bis Monate in Finnland. Dort schreibt sie ihre Stücke und er bereitet seine Inszenierungen vor – vor allem aber genießen beide die Stille.
"Du kommst ganz, ganz runter", sagt er, "und es ist vor allem die Zeit, wo du mal wieder nachdenkst, was machst du da eigentlich?" Vor neun Jahren brachte ein Herzinfarkt Kentrup dazu, auch im Alltagsleben mehr Ruhe einkehren zu lassen. "Das war gut, weil man dann wieder ganz bescheiden werden muss." Auch Freundschaft bekomme dadurch eine andere Wertigkeit: "Jetzt sitze ich da und überlege ein Buch über Freundschaft zu schreiben, keine Ahnung, ob da was draus wird."
(mah)