Sönke und Wotan Wilke Möhring
Sönke Möhring und Bruder Wotan Wilke. Ein gemeinsamer Aufenthalt in New York in den frühen 90er-Jahren prägt das Verhältnis der Brüder bis heute. © imago / James Coldrey
Brüder über die Gene hinaus
37:33 Minuten
Beide sind „Tatort“-Kommissare – einer im TV, einer im Radio, bisweilen stehen sie gemeinsam vor der Kamera: Sönke und Wotan Wilke Möhring. Ihr Brüdersein feiern sie nun in einem Buch, dessen heimliche Hauptfigur eine Stadt ist: New York.
Es sei „eine permanente Euphoriewelle“ gewesen, auf der er und sein älterer Brüder Wotan Wilke im Sommer 1991 gesurft seien, sagt Sönke Möhring. Der Eiserne Vorhang war gefallen, Deutschland Fußballweltmeister – und vor den Brüdern lag die große Freiheit eines Sommers in New York. „Alles war möglich“, ergänzt Wotan Wilke Möhring.
Gemeinsamer Rausch in New York
In ihrem gemeinsam verfassten Buch "Rausch und Freiheit – Über das Leben, die Nacht und das Brüdersein" schreiben die beiden in wechselnder Perspektive von diesen Sommermonaten, in denen sie berauscht von Freiheit, Neugier und anderen Substanzen durch die Metropole an der US-Ostküste treiben.
„Die Erfahrung, die uns das beschert hat, geht weit über die Genetik als Brüder hinaus“, findet Wotan Wilke Möhring. Fünfeinhalb Jahre älter als Sönke, war er schon im Jahr zuvor in der Stadt gewesen und hatte zuhause in Herne den jüngeren Bruder für New York City begeistert.
„Die Euphorie in Wotans Augen“ sei für ihn der Grund gewesen, „um das überhaupt interessant zu finden“, sagt Sönke. Ohne zu wissen, was ihn erwartet, machte er nach der Schule ein Praktikum in den USA und traf schließlich den älteren Bruder in New York, um mit ihm bei Freunden in einer fensterlosen Galerie zu wohnen und sich der Stadt hinzugeben. Er sei „im positiven Sinn naiv genug“ gewesen, „um mich darauf einzulassen“, sagt er heute.
Die Stadt als Lebensgefühl
1967 und 1972 im Ruhrpott geboren und mit zwei weiteren Geschwistern „behütet und voller Liebe“ aufgewachsen, wie Sönke Möhring sagt, schwärmen die Brüder bis heute von der gemeinsamen Zeit in der Metropole. Die Stadt ist neben ihnen die dritte Protagonistin des Buchs, aber „nicht als Koordinate, sondern als Gefühl“, macht Wotan Wilke Möhring deutlich.
Nach Jahren, in denen der Altersunterschied zwischen den beiden deutlich zu spüren war, hätten sie sich angenähert und schließlich in New York eine Beziehung „auf Augenhöhe“ geführt. Die gemeinsame Erfahrung präge ihre Beziehung bis heute. „Wer nichts zusammen erlebt", sagt Wotan Wilke, „den verbindet weniger“.
Auf Umwegen ans gleiche Ziel
Später leben die Brüder eine Zeitlang zusammen in Berlin, das zu Beginn der 1990er Jahre „das große Fest der Möglichkeiten“ gewesen sei, wenn auch „roher und rauer“ als New York, wie Sönke Möhring findet.
Auf Umwegen gelangen die Brüder zum Film, eine klassische Schauspielausbildung absolviert keiner der beiden. Wotan Wilke Möhring, gelernter Elektriker, studiert an der Hochschule der Künste und ärgert sich, aus Altersgründen nicht noch an einer Schauspielschule vorsprechen zu können: „Wie kann man für irgendeine Form der Kunst zu alt sein?“
Sönke Möhring bricht sein Philosophie- und Psychologiestudium ab, vertreibt eine Zeitlang Kleidung und geht ebenfalls nicht den klassischen Weg des Schauspielers, auch wenn er den Beruf gern „von der Pike auf“ gelernt hätte.
„Wir haben das Buch auch für uns geschrieben“
Heute sind beide Brüder erfolgreich im Filmgeschäft unterwegs – ob als "Tatort"-Kommissar im Fernsehen, in Tarantinos „Inglourious Basterds“ oder gemeinsam in „Anatomie 2“. Sönke Möhring leiht zudem seit einem guten Jahrzehnt im Radio-"Tatort" des WDR dem Kommissar Latotzke seine Stimme.
Einer in Berlin lebend, der andere in Köln, beide mit Familie und Filmprojekten, teilen sie heute nur selten den Alltag. Doch aus Sicht des älteren Bruders hat das Buchprojekt „die Nähe wieder hergestellt“, die während ihrer gemeinsamen Zeit in New York und Berlin entstanden sei.
„Wir haben das Buch auch für uns geschrieben“, sagt Wotan Wilke Möhring, „diesen Sommer kann uns keiner mehr nehmen“.
(era)