Von der Commedia dell’arte zum Kriminalroman
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Für die Liebe und fürs Theater kam Claudio Caiolo nach Deutschland. Hier gründete der Sizilianer eine freie Theatergruppe und spielte in diversen Filmen. Nun hat er als Krimiautor Erfolg - in deutscher Sprache aber mit italienischem Inhalt.
Für "Birthday", seinen ersten Kinofilm, den er zusammen mit Stefan Jäger drehte, erhielt Claudio Caiolo beim Max-Ophüls-Filmfestival den Preis für das beste Drehbuch, obwohl es eigentlich gar kein Drehbuch gab. Der Film war komplett improvisiert. "Ich war überzeugt, gute Schauspieler, guter Regisseur, gute Idee, tolle Kamera – damit kann man schon einen Film machen. Natürlich hatten wir keine Förderung, niemand wollte das produzieren." Geklappt hat es schließlich doch, und mit dem Ergebnis waren nicht nur die Macher zufrieden.
Theater in der Kneipe
Mit dem Improvisieren hatte Caiolo schon viel Erfahrung. In Stuttgart, wohin er seiner deutschen Freundin gefolgt war, hatte er einige Jahre eine Theatergruppe, die Improvisationstheater machte – wenn auch selten auf den üblichen Bühnen: "Ich wollte eine moderne Form der Commedia dell’Arte inszenieren. Für mich war die Idee, nicht mehr Theater zu spielen im Theater, sondern z.B. im Café, in Kneipen, Restaurants oder Diskotheken. Ich wollte auch Zuschauer gewinnen, die normalerweise nicht ins Theater gehen."
Geschichtenerzähler als Vorbild
Sein eigener Weg zum Theater führte nicht durch die Kneipen, sondern über den Marktplatz. Dort machten in seinem Heimatort, einem Fischerdorf in Sizilien, fahrende Geschichtenerzähler Station. "Diese Leute kamen mit einer Gitarre und einer selbstgemalten Leinwand, so wie ein Comic. Ich sah als Kind, vielleicht mit sechs oder sieben Jahren, zum ersten Mal diesen Mann, der die Geschichte erzählte. Das hatte mich so beeindruckt. Es war phantastisch. Es war wie eine kollektive Form von Erzählung. Deswegen war immer in meinem Kopf: 'Ich will ins Theater.' Das war für mich Theater."
Bevor Caiolo tatsächlich in Venedig die Theaterschule besuchte, arbeitete er aber erstmal einige Jahre als Konditor. Das Praktische an diesem Job war für ihn die Nachtarbeit – so konnte er sich schließlich auch seine Schauspielausbildung finanzieren. Nach Venedig ist er immer mal wieder zurückgekehrt, doch nie erschien ihm die Stadt so seltsam wie im letzten Jahr während des Lockdowns: "Ich war echt schockiert und erstaunt, diese leere Stadt zu sehen."
Ein Sizilianer in Venedig
Ein Grund dafür, warum sich Caiolo nun wieder mehr mit Venedig befasst, sind die Kriminalromane, die er gemeinsam mit Wolfgang Schorlau verfasst. Darin geht es um den sizilianischen Kommissar Morello, der nach Venedig versetzt wird, weil er in seiner Heimat von der Mafia bedroht wird. Gerade ist der zweite Band mit dem Titel "Der Tintenfischer" erschienen. In seiner Jugend hat Caiolo in Sizilien selbst Erfahrungen mit der Mafia gemacht. Als sein Bruder mit 18 wählen durfte, habe dieser gesagt: "Komm mit, da ist ein Mann von dieser Partei. Ich werde seine Partei wählen und dann bekomme ich etwas zu essen." Er geht mit und bekommt wie sein Bruder eine Plastiktüte. "Da drin war ein Liter Milch, ein Kilo Pasta, eine Dose Thunfisch und Crackers. Das war's. Ich habe selbst erlebt, dass die Mafia diese Gelegenheiten nutzt, um Einfluss auf die Politik zu haben."
In Deutschland solle man sich seiner Ansicht nach der Tatsache bewusst sein, welchen Einfluss verschiedene Mafia-Strukturen auch hierzulande haben. Als italienischer Schauspieler wurde er im deutschen Film und Fernsehen allerdings weniger als Mafioso gebucht - eher als Pizzabäcker. Irgendwann reichte ihm das, und er suchte sich gezielt andere Rollen aus. "Es muss doch noch was anderes geben…" So sieht man ihn z.B. in der Marthaler-Krimi-Reihe als Kriminaltechniker, der allerdings nebenbei auch noch ein Restaurant betreibt…
(mah)