Schauspieler und Synchronsprecher Jürgen Thormann

Der mit der Stimme

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Jürgen Thormann bei einer Fotoprobe für das Stück "Jacobowsky und der Oberst" in der Komödie Winterhuder Fährhaus in Hamburg.
Jürgen Thormann bei einer Fotoprobe für "Jacobowsky und der Oberst" in Hamburg: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als 18-Jähriger, stand er erstmals auf einer Theaterbühne. © picture alliance / Eventpress
Moderation: Tim Wiese |
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Jürgen Thormann ist eine Ikone im Synchrongeschäft: Seit über 70 Jahren ist er in der Branche aktiv, als Stimme für Michael Caine oder Max von Sydow. Für sein Gesamtwerk bekam er 2007 den Synchronpreis. Seine große Leidenschaft aber gilt dem Theater.
Zwei Berufe erschienen Jürgen Thormann als Kind ideal, der des Pfarrers und der des Schauspielers. "Aber nicht deswegen, weil mir der Beruf von Interesse war, das konnte ich gar nicht beurteilen."
Er hatte gehört, Schauspieler und Pfarrer könnten immer laut und viel sprechen, vor allem ohne Unterbrechung. Und genau das begeisterte ihn schon in jungen Jahren.
"Mit dem Pfarrer wurde das nichts, so bin ich Schauspieler geworden", erzählt Jürgen Thormann.

Ohne Ausbildung in großen Rollen

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als 18-Jähriger, stand er in Güstrow erstmals auf der Theaterbühne, eine Ausbildung hatte Thormann nicht.
Aber: "Ich war absolut zuversichtlich. Ich war auch ohne Angst und musste gleich große Rollen spielen. Weil, es gab niemanden, der Theater spielte. Es gab nur solche wie mich oder ein bisschen älter. Aber diejenigen, die eigentlich am Theater die Wichtigen sind, die waren im Krieg", erinnert sich der heute 93-Jährige.
Einige Kritiken waren allerdings vernichtend. Über seine Rolle als Ferdinand in "Kabale und Liebe" hieß es: "Als Ferdinand sahen wir einen jungen Mann, der weder gehen, stehen, noch sprechen konnte."

Missglückte Synchron-Premiere

Auch Thormanns erster Auftritt als Synchronsprecher "ging vollständig daneben". Er hatte nur einen Satz zu sagen: "Mehr nach rechts". Für ihn war klar, dieser Ausspruch sei entscheidend. "Also versuchte ich, den Satz so zu platzieren, dass er hörbar war."
Den Regisseur konnte er damit nicht überzeugen. "Welcher Idiot macht immer den Take kaputt?", soll der gefragt haben.
Jürgen Thormann machte trotzdem Karriere. Er verließ Güstrow und ging in den Westen, landete zunächst in Hamburg. Hier verdingte er sich zunächst als Lastwagenfahrer, erste Rollen an den Kammerspielen kamen hinzu. Später war er am Schauspielhaus Bochum engagiert, und von 1962 bis zur Schließung 1993, am Berliner Schillertheater.

Die Stimme von Michael Caine

Hier hatte Gustaf Gründgens gespielt, Samuel Beckett Regie geführt. "Ich kann mich genau daran erinnern, dass mich, während ich auf der Bühne stand, ein ganz besonderes Gefühl ergriff", erzählt Thormann.
"Nämlich als mir klar war, ich stehe auf der Bühne, auf der Heinrich George gespielt hat. Dieses Gefühl hat sich später ein bisschen gegeben. Aber das Theater hatte damals einen anderen Stellenwert, es war von wirklich ganz großer Wichtigkeit."
Durch seine markante Stimme wurde Jürgen Thormann auch zunehmend als Sprecher engagiert. In den 60er-Jahren lieh er erstmals Michael Caine seine Stimme, später auch Peter O’Toole oder Max von Sydow. 2007 erhielt der gebürtige Rostocker den Deutschen Synchronpreis in der Kategorie "Herausragendes Gesamtschaffen".

"Rundfunk für Kinder war eine Verpflichtung"

Ein besonderes Kapitel nehmen für Jürgen Thormann bis heute Kinderhörspiele ein. Er war in den "Drei ???", "Benjamin Blümchen" oder "TKKG" zu hören.
Vielfach auch in den Kindergeschichten von Reinhard Lakomy. Der Liedermacher, so erinnert sich Thormann, stand plötzlich vor seiner Haustür und fragte: "Wohnt hier der mit der Stimme?"
Vielen ist bis heute diese Stimme in Erinnerung geblieben, auch wenn sie längst erwachsen sind.
"Für Kinder Rundfunk zu machen ist ganz wichtig. Kinder dürfen im Rundfunk keinen Schrott hören. Und deswegen kann ich mich nicht erinnern, dass ich das jemals leichtgenommen hätte. Rundfunk für Kinder war eine Verpflichtung."

"Ich bin ein unglaublich fauler Mensch"

Mit 93 Jahren hat Jürgen Thormann noch immer Lust am Sprechen. Und Anrufe mit der Bemerkung "Ohne sie können wir das gar nicht machen" fordern ihn besonders heraus. "Dann fühle ich mich natürlich geschmeichelt. Schraube sofort meinen Preis in die Höhe."
Bleibt am Schluss die Frage, wie es Jürgen Thormann gelungen ist, mit 93 noch immer so fit zu sein. Steckt Sport dahinter? Der dienstälteste Synchronsprecher schüttelt den Kopf.
"Wahrscheinlich haben mir meine Eltern gute Gene mitgegeben. Ich bin auch kein Sportler. Ich bin von meiner Veranlagung her ein unglaublich fauler Mensch."
(ful)
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