"Es geht um die Magie des Moments"
32:50 Minuten
Wenn man nicht Stammgast in Berliner Theatern ist, kennt man Anne Ratte-Polle aus der Netflix-Serie „Dark“ oder von ihrem spektakulären Auftritt beim Bayrischen Filmpreis im Januar. Jetzt ist sie bei der Berlinale in "Undine" zu sehen.
"Es geht um die Magie des Moments", sagt Anne Ratte-Polle. "Film ist die Herstellung eines Moments, der besonders ist, den man vorbereiten, aber nicht erzwingen kann. Es kommt, es passiert irgendetwas, was man nicht ganz genau planen kann."
Und genau das reizt Anne Ratte-Polle in ihrem Kurzauftritt in dem Wettbewerbsfilm "Undine" von Christian Petzold. Diese kurze Szene sei eine große Herausforderung, sagt die Schauspielerin: Man müsse schnell auf dem Punkt sein, könne sich nicht "rein- und rausspielen". Mit dem Regisseur Christian Petzold sei das allerdings ein großes Vergnügen gewesen, "weil er einen als Schauspielerin sehr mit auf die Reise seiner ganzen Gedankenwelt nimmt, die er in der Vorbereitungszeit gehabt hat."
Anne Ratte-Polle, die ihren Namen vom Großvater geerbt hat, spielt gern vielschichtige Charaktere. "Ich versuche bei jeder Figur zu gucken, wo sind da die Gegensätze: Wo ist die Chefin, die gerne Ansagen macht, verletzbar? Wo ist die Mörderin total liebenswert? Wenn ich eine Verkäuferin spiele, da schau ich: wo hat sie Poesie?"
Humor mit Tiefgang
Sie dreht Filme, sie spielt aber auch gern Theater. "Auch wenn es nicht immer ganz leicht ist, auf verschiedenen Hochzeiten zu tanzen", meint Anne Ratte-Polle. Es ist die Vielseitigkeit, die sie reizt. "Theater ist vielmehr das Spiel mit Elementen, mit dem Raum an sich, der direkte Energie-Austausch mit dem Publikum."
So wie bei dem Stück "Murmel Murmel" des Schweizers Dieter Roth. Das habe ihrem Leben eine völlig neue, positivere Richtung gegeben. Ein abendfüllendes, humorvolles Stück, das textlich nur aus einem einzigen Wort besteht: "Murmel". Der Rest ist Mimik, Gestik, Schauspielkunst.
"Das im Ensemble zu spielen, hat in mir eine ungeheure Freude ausgelöst," sagt Anne Ratte-Polle. Die letzten 15 Jahre habe sie nur "Stückentwicklung" gemacht: "Ich entwickle die Texte immer selber, zusammen mit den jeweiligen Regisseuren. Das macht den Kopf auf. Man hat da eine ganz andere Verantwortung als beim Film."
Beim Film gefalle ihr die große Nähe: "Es ist auch körperliches Spiel, aber ein viel sensitiveres körperliches Spiel."
Einzigartige Hartnäckigkeit
Jüngst hat ihr der Bayerische Filmpreis wieder einen besonderen Moment beschert: Sie bekam ihn als beste Schauspielerin für ihre Rolle als Flugkapitänin Marion in "Es gilt das gesprochene Wort".
Anne Ratte-Polles Dankesrede war in ihrer Hartnäckigkeit einzigartig. Nicht nur, weil das zu früh einsetzende Orchester ihre Rede nicht stoppen konnte. Auch als das Mikrophon langsam im Boden versank, folgte sie ihm, bis sie selber auf dem Boden lag:
"Ich fühlte mich sehr geehrt durch den Preis und wollte gerne etwas zurückschenken. Es ging mir einfach darum, Kraft zu wünschen in den heutigen komplexen Zeiten. Diese ganze Angstmacherei und Manipulation ist nicht gut. Es geht um Freiheit und Kraft und Mut und Vertrauen. Dass wir die 20er-Jahre in unserem Jahrhundert neu besetzen, dass sie nicht ins Braune kippen, auch nicht nur Gold werden, sondern bunt!"
(kuc)