Ihr wahres Ich war Calamity Jane
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Sie sah sich selbst als starke Frau in der Wildnis des gesetzlosen Westens: Doris Day. Doch in der Filmwelt ist die Darstellerin in Erinnerung als das tugendhafte Mädchen und als die Dame mit moralischen Grundsätzen. Nun ist sie im Alter von 97 Jahren gestorben.
Als Doris Day 1956 in dem Alfred Hitchcock Film "Der Mann, der zu viel wusste" den Song "Que Será Será" sang, war sie schon lange ein Star – sowohl als Schauspielern als auch als Sängerin. Das Werk wurde mit dem Oscar für den besten Filmsong ausgezeichnet und damit auch die Interpretin: Doris Day wird 1922 als Doris Mary Ann Kappelhoff in Cincinatti geboren.
Ihre Eltern haben deutsche Wurzeln. Ihr Vater ist Musiklehrer, ihre Mutter überträgt eigene unerfüllte Schauspielambitionen auf die Tochter. Doris hingegen träumt davon, Tänzerin bzw. Sängerin zu werden. Ab 1939 tritt sie im Rundfunk und in Nachtclubs auf, singt in Bands von Bob Crosby oder Les Brown und hat 1944 mit dem Song "Sentimental Journey" ihren ersten Nummer-eins-Hit. Es folgen Hits wie "My Dreams Are Getting Better all the Time" und "Day by Day". Angelehnt an den Titel entsteht der Künstlername Doris Day. Auch wenn sie beteuert, keine Karriere angestrebt zu haben: "Als kleines Kind wollte ich Hausfrau werden und dachte an keine Karriere. Ich wollte heiraten, Kinder und einen Mann haben. Ich war da ganz altmodisch. Aber es funktioniert nicht."
Als Komödiantin der große Publikumsliebling
1947 engagiert das Hollywood-Studio Warner Brothers Doris Day und bringt ihren ersten Film, "Zaubernächte in Rio" von Regisseur Michael Curtiz in die Kinos. Das Werk wird ebenso ein Erfolg wie die Musicals "Romanze mit Hindernissen" oder "Man soll nicht mit Liebe spielen". Doris Day avanciert zur Komödiantin und zum Publikumsliebling und spielt 1953 die Westernheldin "Calamity Jane", die nicht nur singen kann, sondern zugleich Managerin ist und sich in der Männerwelt durchsetzt. Und sie bekennt später, dass Jane ihrem eigenen Wesen sehr nahe kommt: "Ich denke: Calamity Jane - das ist mein wahres Ich, ja das denke ich wirklich."
Doris Day verkörpert all das, was Amerika in der Nachkriegszeit liebt: Sie sieht blendend aus und ist immer gut gelaunt - das nette Mädchen von nebenan mit dem gewissen Etwas. Privat läuft es weniger rund: Ihre erste Ehe mit dem gewalttätigen Posaunisten Al Jordan scheitert nach nur zwei Jahren, ebenso ihre zweite Ehe mit dem Saxofonisten George Weidler. 1951 heiratet sie ihren Manager Martin Melcher. Mit ihm ist sie bis zu dessen Tod 1968 verheiratet. Doch Melcher hat nur mäßigen Erfolg als Manager. Indirekt thematisiert der Film "Love Me or Leave Me", den sie 1955 mit James Cagney dreht, ihre eigene Situation zwischen Karriere und Eifersucht. Darin spielt sie eine Sängerin, die sich von ihrem zwielichtigen Manager eingeengt fühlt.
Neuanfang nach dem Boom der Musical-Filme
Ende der 1950er-Jahre ist die Zeit der Musicals vorbei, Doris Day fühlt sich ausgebrannt. Unterhaltungsfilme, die sie mit Clarke Gable oder Jack Lemmon dreht, gehen an der Kinokasse unter. Anfang der 60er-Jahre wagt sie einen Neuanfang, wendet sich der romantischen Komödie zu und findet in Rock Hudson den perfekten Partner: "Bettgeflüster" wird ihr größter kommerzieller Erfolg, und sie erhält eine Oscar-Nominierung. Darin spielt sie eine sittsame Innenarchitektin, die sich ihren Telefonanschluss mit einem draufgängerischen Komponisten teilen muss.
- "Mrs. Morrow, warum fesseln Sie meine persönlichen Angelegenheiten so?"
- "Ich finde Sie durchaus nicht fesselnd, sondern widerwärtig."
- "Ich beschwere mich auch nicht bei der Telefongesellschaft über ihre Affären."
- "Ich habe keine Affären, Mr. Allen."
- "Kann ich mir denken."
- "Was wollen Sie damit sagen?"
- "Ich finde Sie durchaus nicht fesselnd, sondern widerwärtig."
- "Ich beschwere mich auch nicht bei der Telefongesellschaft über ihre Affären."
- "Ich habe keine Affären, Mr. Allen."
- "Kann ich mir denken."
- "Was wollen Sie damit sagen?"
"Ein Pyjama für zwei" und "Schick mir keine Blumen" sind weitere erfolgreiche Filme mit Rock Hudson. Aber auch "Ein Hauch von Nerz" mit Cary Grant oder "Eine zu viel im Bett" mit James Garner. In einer Zeit, da Schauspielerinnen wie Marylin Monroe oder Jayne Mansfield ihren Sexappeal zur Schau stellen, wirkt Doris Day wie ein moralisches Gegengewicht, steht für die Contenance der kultivierten Welt.
Hinter der Kamera zeigt sich Doris Day unnachgiebig, besteht zum Beispiel darauf, ihre rechte, "schönere" Gesichtshälfte zu zeigen und keinen Zentimeter Haut zu viel: So erhält sie dreimal den Golden Globe als "Beliebteste Schauspielern der Welt" und viermal den Golden Apple Award, den Sauren Apfel für die "unkooperativste Schauspielerin".
Ab Mitte der 60er-Jahre dann sind tugendhafte Frauentypen kaum noch gefragt. 1968 wird Doris Day die Rolle der lasterhaften Mrs. Robinson in "Die Reifeprüfung" angeboten, doch sie lehnt ab und zieht sich aus Hollywood zurück. Im gleichen Jahr stirbt ihr Mann, dessen Partner ihr gemeinsames Vermögen fehlinvestierte. Doris Day ist pleite. Fürs Fernsehen übernimmt sie die Sitcom "The Doris Day Show" und andere TV-Formate, die sie in den 70er- und 80er-Jahren erfolgreich präsentiert und produziert.
Mit Doris Day verlieren wir eine Schauspielerin, die für eine Hoch-Zeit der romantischen Komödien steht. Sie war keine Leinwandrebellin, aber eine Frau, die ziemlich selbstbestimmte Charaktere spielte.