"Ich bin vom frühen Ruhm überrannt worden"
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Entdeckt wurde sie auf der Straße, ihre erste Rolle bekam sie für ein Coverfoto. Julia Hummers Karriere klingt wie ein Traum – bis ihr der Ruhm zu viel wurde und sie eine Auszeit nahm, um Musik zu machen. Nun bereitet sie ihr Comeback vor.
Sie ist eine der prägenden Gesichter des neuen Deutschen Films, spielte eine Terroristentochter in Christian Petzolds "Die innere Sicherheit" und später die Terroristin Gabriele Kröcher-Tiedemann in Olivier Assayas' Mini-Serie "Carlos".
Ihr liegen diese Figuren, die aus dem System fallen, erzählt die Schauspielerin. Vielleicht auch, weil sie selbst als Kind ein "Sonderling" gewesen ist: Sie ist 1980 mit einem "blauen Punkt" im Gesicht auf die Welt bekommen, einem Blutschwämmchen.
"Ich hatte als Kind, bis ich 14 war, ein total entstelltes Gesicht. Das hat meine ganze rechte Gesichtshälfte so runtergezogen; das hat sich dann verwachsen. Aber allein deshalb war ich immer so ein Sonderling, also ein seltsames Mädchen. Und dass ich dann nachher zum Film gekommen bin, das war noch sonderbarer, gerade für meine Familie, weil ich ja auch optisch entstellt war die ersten Jahre meines Lebens."
"Ich wollte so sein wie Kurt Cobain"
Julia Hummer wächst mit ihren vier Geschwistern bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf, in Itzehoe, in der Nähe der Kaserne "Hungriger Wolf". Am liebsten spielen die Kinder Krieg im nahegelegenen Wald. Doch dann zieht die Familie in die Schweiz, für Julia Hummer ein "entscheidendes Erlebnis": "Mit 14 wollte ich so sein wie Kurt Cobain, ich hab' mir große Mühe gegeben, so auszusehen. Und dann bin ich da aufgeschlagen, und da war alles so herzig – und das war schwierig für mich."
Sie will nur eines: weg! Mit einem "kleinen Trick" schafft sie es zurück an ihre Schule nach Itzehoe: Unter dem Namen ihrer Mutter schreibt sie einen Bittbrief an ihren ehemaligen Schuldirektor und kann dorthin zurückkehren, allein. Doch letztlich schwänzt sie die Schule, kommt in ein Jugendheim und haut schließlich in einer Nacht-und Nebel-Aktion nach Hamburg ab.
Auf der Straße entdeckt
In Hamburg ändert sich ihr Leben von einem Tag auf den anderen: Sie wird auf der Straße entdeckt, als sie gerade mit einer Tüte Karotten durch ihr Viertel läuft und überlegt, wie sie über die Runden kommen soll.
"Und da kam aus einem Souterrain ein ziemlich verrückter Fotograf rausgesprungen, und der schrie: 'Ey, komm' mal her, komm' mal sofort zurück!'" Es ist der Ausnahmefotograf Daniel Josefsohn; er fotografiert sie für das Titelbild des "Jetzt"-Magazins der "Süddeutschen Zeitung".
Zufall Nummer zwei: Durch das Cover wird der Regisseur Sebastian Schipper auf Julia Hummer aufmerksam und engagiert sie für seinen Film "Absolute Giganten" – und das alles ohne jegliche Schauspielausbildung.
"Ich war nicht selbstbestimmt"
Genauso überraschend, wie sie zum Film gekommen ist, nimmt sie davon nach wenigen Jahren eine Auszeit. "Ich bin vom frühen Ruhm überrannt worden. Ich hatte das Gefühl: Das Leben hat mir dieses Talent und diesen Weg gegeben, aber ohne dass ich da eine Mitentscheidung hatte. Ich war nicht selbstbestimmt. "
Sie entdeckt die Musik als Ausdrucksmittel: "Ich wollte mich verkörpern" – eben nicht nur eine Rolle. Mittlerweile hat Julia Hummer eine neue Agentin und arbeitet an einem filmischen Comeback.