„Mutter Beimer ist ein Teil von mir“
In Deutschland gibt es wohl kaum jemanden, der sie nicht als Mutter Beimer kennt. Marie-Luise Marjan bildete mit dieser Rolle 35 Jahre lang das Herzstück der ARD-Serie "Lindenstraße". Auch wenn im März die letzte Folge läuft – sie spielt weiter.
Selbst wer die "Lindenstraße" nie gesehen hat, von der "Mutter der Nation", gespielt von Marie-Luise Marjan, wird man gehört haben. Mit der Bezeichnung kann sich die Schauspielerin heute sogar anfreunden.
"Es ist natürlich schön, einen Begriff zu haben, an dem man sich festhalten kann. Wenn die Menschen sich darüber freuen, gleich ein Bild von mir haben, nehme ich es gerne an. Und wenn Sie sagen, da kann ich nix mit anfangen, ist es auch in Ordnung."
"Ich habe mir die Rolle angezogen"
Seit 1985 spielt Marie-Luise Marjan in Deutschlands erster Soap die "Mutter Beimer". Viele Zuschauer trennen zwischen der Schauspielerin und ihrer Rolle schon lange nicht mehr, Marie-Luise Marjan ist "Mutter Beimer" und umgekehrt.
Ganz verkehrt ist das vielleicht nicht. "Ich würde sagen, ich habe mir die Rolle angezogen. Teile meiner Identität hat Helga Beimer bekommen. Wenn man eine Rolle anvertraut bekommt, dann muss man sie sich anziehen wie einen Mantel. Und man muss sich hineinfühlen. Welche Eigenschaften von mir kann ich diese Rolle geben? Denn sonst wäre sie nicht lebendig."
"Mutter Beimer sollte Hippie-Kleider tragen"
Also überlegte sich Marie-Luise Marjan, was diese Helga Beimer für eine Frau ist, welche Interessen und Eigenschaften sie ihrer Rollenfigur geben möchte. Ursprünglich hatte sie sich die "Mutter Beimer" in Hippie-Kleidern vorgestellt.
"Sie ist auf jeden Fall nicht so, wie ich am Anfang gedacht habe. Sie ist bürgerlich, sie war immer das bürgerliche Zentrum, die heile Familie, mit den drei Kindern, mit Marion, Benny und Klaus. Das war diese wunderbare deutsche, brave Familie. Wie an ein Lagerfeuer konnte man sich heransetzen, sich wärmen, sich gut fühlen damit. Darum wurde das auch so angenommen von der Bevölkerung. Und als Helga Beimer geschieden wurde, da stand ja die Nation Kopf."
Von Aids bis Zölibat
Schon immer, das ist Marie-Luise Marjan ganz besonders wichtig, hat die "Lindenstraße" aktuelle Themen, auch kontrovers diskutierte, aufgegriffen.
"Die Lindenstraße, das ist das Alleinstellungsmerkmal, die geht ja mit dem Leben. Also sie könnte ja theoretisch immer weitererzählt werden. Es ist ja abgebildetes Leben mit Themen, die das Leben bewegen. Von Aids, Aberglaube, Abfall, bis Sex, Zölibat, Zahnschmerzen und Zwangsernährung."
"Es kommen noch unglaublich aufregende Folgen"
Im März, nach 35 Jahren, wird die "Lindenstraße" abgesetzt. Für Marie-Luise Marjan ein trauriger Moment, auch wenn sie als gelernte Theaterschauspielerin weiß, dass ein Engagement endlich ist.
"Es ist schon ein Abschied, den ich noch nicht so wahrhaben will, weil das ja doch ein Teil von mir ist. Und ich glaube auch, dass im Bewusstsein der Zuschauer diese Figur immer weiterlebt. Ich glaube, man kann die nicht so ablegen wie ein Kleidungsstück, dafür ist sie viel zu präsent gewesen oder ist noch präsent. Es kommen ja noch unglaublich aufregende Folgen. Sie werden sich wundern."
Mit fast 80 Jahren ist Marie-Luise Marjan stolz, wenn sie auf ihre Karriere zurückblickt. Die Adoptiveltern waren über ihren Berufswunsch nicht besonders beglückt. Der Vater sprach über die Schauspielerei nur von "brotloser Kunst". Seine Tochter hatte aus seiner Sicht "Flausen im Kopf", sie sollte besser "einen Beruf lernen".
Nach der Schauspielschule in Hamburg folgten Theater-Engagements unter anderem in Basel, Berlin und Hamburg.
Patenkinder auf der ganzen Welt
Aber auch wenn in der "Lindenstraße" bald keine neuen Geschichten erzählt werden, "Mutter Beimer" ihren letzten Auftritt haben wird, Marie-Luise Marjan wird es nicht langweilig werden.
Seit vielen Jahren engagiert sie sich bei den Kinderhilfswerken "UNICEF" und "Plan International". Für die Organisationen ist sie auf verschiedenen Kontinenten unterwegs, hat selber fünf Patenkinder.
"Wir arbeiten daran, dass in den Ländern die Menschen ein Auskommen finden, damit sie dort eine Zukunft haben, damit sie versorgt sind, dort leben können und sich nicht auf die große Flucht begeben. Wir können helfen, indem wir Patenschaften übernehmen, damit das Dorf autonom wird, damit es ein kleines Krankenhaus hat, dass das Schulsystem funktioniert."
Auch für diese Arbeit hat Marie-Luise Marjan 2010 das Große Bundesverdienstkreuz bekommen.