Verschleppte Aufarbeitung von Rassismusvorwürfen?
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Seit zweieinhalb Jahren sei er am Düsseldorfer Schauspielhaus permanent rassistischen Beleidigungen und Bedrohungen ausgesetzt, sagt der Schauspieler Ron Iyamu. Er beklagt, das Haus habe sich erst nach einem Fernsehbeitrag damit auseinandergesetzt.
Der Schauspieler Ron Iyamu erhebt schwere Vorwürfe gegen das Düsseldorfer Schauspielhaus: Iyamu ist dort seit zweieinhalb Jahren festangestellter Schauspieler und in der Zeit habe er immer wieder Rassismus erlebt, schreibt Iyamu auf Instagram: "Seit 2 1/2 Jahren erlebe ich dort immer wieder Rassismus und seit 2 1/2 Jahren tut keine:r etwas."
"Der Regisseur hat mich nur noch 'Sklave' gerufen"
Die Vorwürfe hatte Iyamu bereits in einem WDR-Beitrag in der vergangenen Woche geäußert. Dort sagte er, er habe in einer Produktion einen haitianischen Freiheitskämpfer und ehemaligen Sklaven spielen sollen. Nach seiner Zusage habe ihn der Regisseur fortan nur noch "Sklave" genannt. Das habe dazu geführt, "dass auch andere sich berufen gefühlt haben, rassistische Witze zu machen." Ein Kollege habe ihn sogar mit einem Cuttermesser bedroht.
Iyamu schreibt weiter: "Die rassistischen und sexistischen Strukturen am Düsseldorfer Schauspielhaus sind Dauerzustand. Sie äußern sich in Besetzungen, Beleidigungen und einer Kultur des Schweigens."
Angespannte Situation
Theaterkritiker Stefan Keim hat ein langes Gespräch mit Iyamu über die Vorfälle am Schauspielhaus geführt: "Er hat mir gesagt, es geht ihm nicht darum, irgendwelche Rachefeldzüge zu führen, sondern um einen Dialog, der nun endlich mal weitergeführt werden muss und auch mal Konsequenzen haben muss."
Die Situation am Düsseldorfer Schauspielhaus sei ohnehin angespannt, berichtet Keim:
"Das Düsseldorfer Schauspielhaus ist das Theater, das Matthias Hartmann als einziges deutsches Schauspielhaus weiter beschäftigt hat, nachdem es diese auch ja durchaus heftigen MeToo-Vorwürfe am Burgtheater gegen ihn gegeben hat. Ich habe mitbekommen, dass im Ensemble es den Schauspielerinnen und Schauspielern freigestellt worden ist, ob sie weiter mit Matthias Hartmann zusammenarbeiten wollen."
Um in so einer Situation sagen zu können "ich ziehe klar meine Grenzen", bedarf es eigentlich langjähriger Erfahrung, so Keim weiter. Insofern sei es für einen 29-jährigen Schauspieler wie Ron Iyamu, der noch am Anfang seiner Karriere steht, ein gewaltiger Schritt. Zumal auch gleich "Nestbeschmutzer"-Vorwürfe im Raum waren.
Viele Fälle von Rassismus auch an anderen Theatern
Was Ron Iyamu vor allem verletzt habe, so Keim weiter, sei der Umgang mit dem Thema gewesen, denn er habe die Vorwürfe zeitnah gemeldet, aber es sei erst nach seinem Fernsehinterview darauf reagiert worden.
Das Düsseldorfer Schauspielhaus bedauert in einer öffentlichen Stellungnahme die Vorfälle. Man sei aber seit vielen Jahren am Kampf gegen Rassismus beteiligt, z. B. durch die Einführung eines "Diversity-Beauftragten" und durch antirassistische Fortbildungen. Außerdem wolle man "einen Code of Conduct einführen, mit dem wir unsere Haltung, Werte und unser Handeln innerhalb unserer Institution beschreiben".
Das hält Ron Iyamu für nicht ausreichend, erzählt Stefan Keim weiter. Zudem entpuppe sich Rassismus als strukturelles Problem an deutschen Theatern: Ron Iyamu erhalte momentan zahlreiche Zuschriften von Kolleginnen und Kollegen an anderen Schauspielhäusern, die von ähnlichen Erfahrungen berichten.