Schauspielkunst

Kino als Volksfest

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Anstehenede Besucher des Festival des deutschen Films auf der Parkinsel in Ludwigshafen am Rhein © picture alliance / dpa / Festival des deutschen Films
Von Wolfgang Martin Hamdorf |
In Ludwigshafen findet derzeit das 10. Festival des deutschen Films statt. An 18 Tagen sind 50 Filme zu sehen - 19 davon im Wettbewerb. Am 5. Juli wird der mit 50.000 Euro dotierte "Filmkunstpreis vergeben. Mit dem deutschen Schauspielpreis wurden Anja Loos und Jan Liefers ausgezeichnet.
Vier weiße Festzelte stehen am Rhein. Eine lokale Musikgruppe spielt am Strand. Die Menschen flanieren am Ufer, lange Schlangen haben sich vor den Kinozelten gebildet. Das größte fasst 1200 Zuschauer. Eröffnet wurde das Festival mit "Global Player - wo wir sind isch vorne" von Hannes Stöhr.
Global Player:
"Was erhoffst du dir denn von den Verhandlungen mit den Chinesen?"
"Vielleicht steigen sie bei uns ein oder sie kaufen unsere Patente. Irgendeine Form der Zusammenarbeit, vielleicht gibt es die Chance auf ein Joint Venture."
"So ein Quatsch!"
"Ok! Was ist dein Vorschlag?"
"So wie früher? Mit der Luftwaffe Richtung Peking und mit ein paar Leopard 2 Shanghai einkesseln."
"Des hab I nit gsagt. Keiner will Krieg!"
Regionale Identität
Die Tragikomödie um einen bankrotten schwäbischen Familienbetrieb und seine Geschäfte mit chinesischen Investoren erzählt vom Generationskonflikt und vom Zusammenstoß der Kulturen. Regisseur Hannes Stöhr unterstreicht dabei ganz deutlich die regionale Identität seiner schwäbischen Heimat:
"Also ich halte es für eine absolute Selbstverständlichkeit, dass in einem Film so gesprochen wird, wie in dem Milieu in dem der Film spielt, gesprochen wird. Also jeder, der das englische Kino kennt, oder das amerikanische, oder das französische, weiß, wenn da einer in einer Maschinenhalle arbeitet oder einen Arbeiter spielt, dann spricht er auch wie ein Arbeiter und das ist selbstverständlich."
Auch andere Filme leben von dieser direkten regionalen und sozialen Wirklichkeit. In seinem Dokumentarfilm "Heimat unter Strom"setzt sich der Allgäuer Regisseur Leo Hiemer mit dem forcierten Ausbau der Windkraft im ländlichen Raum auseinander:
"Müssen drei Windräder mein Heimatdorf verzieren? Ist das wirklich ein Beitrag zur Rettung des Klimas, oder im Extremfall zur Rettung der Welt oder ist das eigentlich der größte Humbug aller Zeiten? Und in diesem Spannungsfeld bewegt sich eigentlich der Film, indem er Fragen stellt und ich hab sehr schnell festgestellt, viele Leute wollen gar nicht, dass da groß gefragt wird."
Patong Girl:
"Do you know anything about Germany?"
"I know Hitler, Oktoberfest, Sauerkraut and Heidi Klum."
Was wissen wir von anderen Kulturen? In ihrem Regiedebüt "Patong Girl" erzählt Susanne Salonen jenseits lieb gewordener Vorurteile von der Urlaubsreise einer deutschen Familie nach Thailand:
"Ich finde es nämlich in einer bestimmten Weise kulturimperialistisch, wenn man sagt, die sind alle arm und die wohnen alle in der Bambushütte und essen Reis. Das stimmt nicht. Auch gerade Thailand hat eine mittlerweile sehr große Mittelschicht und ich finde das viel zeitgemäßer, wenn man sagt: Ich habe zwei junge Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen, die sich auf Augenhöhe begegnen, die aus Mittelstandsfamilien kommen, aber trotzdem einen ganz unterschiedlichen Hintergrund haben."
Prozess des Filmemachens
Die Bandbreite filmischen Erzählens reicht in Ludwigshafen vom Fernsehgenre bis zum sehr persönlichen Essay. So reflektiert Alfred Behrens in seinem Film "Der Schatten des Körpers des Kameramanns" collageartig und sehr persönlich über den Prozess des Filmemachens selbst:
"Es ist einfacher geworden in gewisser Weise Filme zu machen, weil man nicht mehr einen so großen Apparat braucht. Aber es ist trotzdem gleichzeitig auch schwerer geworden, weil das Fernsehen, das deutsche Fernsehen zumindest, so etwas offenbar nicht mehr will.
Mir haben mehrere Sender geschrieben: Lieber Herr Behrens, oder sehr geehrter Herr Behrens: Die Sendeplätze auf denen wir ihren Film hätten ausstrahlen können sind alle bei der letzten Programmstrukturreform entfallen. Oder noch schöner: Lieber Herr Behrens, unser Programm ist ja jetzt so durchformatiert, dass die Zuschauer einen großartigen Film, wie ihren Schattenfilm bei uns gar nicht erwarten würden. Das wäre doch schade. So was muss man sich anhören."
Das Festival sieht sich als Forum für deutsche Filme, die im herkömmlichen Kinobetrieb zu kurz kommen. Dabei wird kein Unterschied mehr gemacht zwischen Kino- und Fernsehfilmen, sagt Festivaldirektor Michael Koetz:
"Es gibt selbstverständlich komplett schwachsinnige Fernsehproduktionen, es gibt aber mindestens genauso viel schwachsinnige Kinoproduktionen, auch wenn die Millionen Zuschauer haben, sind die immer noch schwachsinnig und das gilt auch fürs Fernsehen. Es gibt aber in beiden Welten hervorragende, sehr kinematografische Filme.
Keiner kann mir heute mehr beweisen, dass es noch so etwas wie Fernsehästhetik gäbe. Es gibt kluge und unkluge Filme, es gibt sinnliche Filme, es gibt Filme mit großen Bildern und Filme mit kleinen Bildern. Aber das gilt für beide Welten."
Die letzte Vorstellung endet vor Mitternacht, oft in Anwesenheit der Schauspieler und Regisseure. Die kleine Festivalstadt, eine Mischung aus Zirkus und Strandbad, ist ein Publikumsmagnet: Vorführungen und Podiumsgespräche sind überfüllt. In Ludwigshafen wird Kino zum Volksfest, eine Alternative zum kriselnden Programmkino und zum einsamen Fernsehabend.
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