Scheel: Für stärkere Nutzung der Grünen Gentechnik

Moderation: Jürgen König |
Vor der Eröffnung der Grünen Woche hat der Direktor des Leibniz-Institutes für Pflanzenbiochemie in Halle, Dierk Scheel, die Vorteile Grüner Gentechnik betont. Unerwünschte Substanzen wie Allergene oder Bitterstoffe könnten so vermieden und Obst und Gemüse in Größe und Struktur optimiert werden.
König: Sie plädieren für den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft, wollen sie forcieren. Warum?

Scheel: Ich denke, diese Technik hat einen sehr hohen potenziellen Nutzwert, was man auch schon an den Beispielen sieht, die Sie eben im Vorspann genannt haben, die schon in der Anwendung sind. Aber noch wesentlich darüber hinaus, weil sie einerseits ermöglicht, dass sie einzelne, gezielt einzelne Gene in Pflanzen einbringen, die dann auch genau die gewünschten Eigenschaften auf diese Pflanze übertragen, während sie mit herkömmlicher Züchtung Genome mischen, also wesentlich mehr Merkmale einbringen in die dann selektierten Pflanzen. Darüber hinaus, lassen Sie mich noch eins dazu sagen...

König: Ja, ja, natürlich!

Scheel: ... darüber hinaus ist es nicht nur möglich neue Gene hineinzubringen, sondern Sie können auch bestimmte Gene ausschalten. Zum Beispiel Gene, die für die Produktion von Allergenen und so weiter oder für Bitterstoffe, die man nicht haben will in Tiernahrung oder auch in anderer Nahrung, also unerwünschte Substanzen, die in Pflanzen auch produziert werden natürlich, ausschalten. Und das sind natürlich Riesenvorteile, die Sie mit herkömmlicher Züchtung, jedenfalls so schnell und so gezielt, nicht erreichen können. Das ist ein Potenzial, was - glaube ich - über alles hinausgeht, was man bisher gehabt hat. Und diese Möglichkeiten sollte man sich nicht verschließen.

König: Nehmen wir doch zum Beispiel mal das Lieblingsgemüse der Deutschen, die Kartoffel. Inwiefern macht die Gentechnik sie besser?

Scheel: Da kann man sich verschiedene Möglichkeiten vorstellen. Verwirklicht ist ja schon eine Veränderung der Stärke, Erhöhung und Veränderung der Struktur der Stärke, die man dann für industrielle Nutzung verwenden kann. Aber man könnte sich genau so gut vorstellen, dass man die Kartoffel zum Beispiel resistenter machen kann mithilfe der Gentechnologie gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule, das ist die hauptsächliche Krankheit, die in der Kartoffelproduktion eine Rolle spielt, und die nach wie vor zu erheblichen Verlusten führt. Und es gibt keine vernünftigen chemischen Bekämpfungsmittel mehr gegen diese Krankheit. Also das wäre ein Potenzial, was dann dazu führt, dass man auf jeden Fall gesunde Pflanzen hat und gesunde Kartoffeln bekommt, die keine Substanzen enthalten, mit denen Pflanzen sich natürlicherweise gegen solche Schädlinge wehren und die auch für den Menschen schädlich sind. Das wäre ein Riesenvorteil auch für den Verbraucher.

König: Gibt es auch Nachteile? Also, zum Beispiel unbekannte Allergien oder so? Ich bin Laie, ich verstehe nichts davon, aber könnte ja sein.

Scheel: Wir haben ja in Deutschland - und nicht nur in Deutschland, allgemein in Europa - das Prinzip, dass jeder Einzelfall einer neu geschaffenen Pflanze geprüft wird, einer transgenen Pflanze. Und diese Prüfung, zu dieser Prüfung gehört, dass Sie das Gen, was Sie in die Pflanze einbringen, genau kennen, charakterisieren und das aus diesem Gen entstandene Eiweiß, also das Protein charakterisieren. Das heißt Sie müssen vorher nachweisen, dass es nicht giftig ist, dass es keine nachteilige Wirkung hat bei Verzehr, dass es keine allergische Wirkung hat. Insofern können Sie das bei dieser Technologie, wo sie ganz, ganz gezielt über einzelne Proteine diskutieren, können Sie das viel genauer nachweisen und testen als bei der herkömmlichen Züchtung, wo Sie - wie ich eben schon sagte - ganze Genome mischen und erstmal schauen müssen, was sie zusätzlich zu dem gewünschten Effekt auch noch eingebracht haben in die gezüchteten Pflanzen.

König: Und das gilt dann für alle Pflanzen? Also sind alle Pflanzen geeignet für einen solchen - sagen wir mal - genetischen Umbau? Oder gibt es Favoriten oder auch solche, die auszuschließen sind?

Scheel: Im Prinzip sind alle geeignet. Ein Nadelöhr ist hier natürlich die Technologie, mit der man die Gene einbringt in diese Pflanzen, also die Transformationstechnologie, und die funktioniert bei einigen Pflanzen sehr gut und hervorragend, aber bei anderen eben nicht so gut, und da muss man dann einen großen Aufwand betreiben, um die Technologie anzupassen. Das ist also nicht trivial. Es ist im Moment noch so, dass man eine ganze handvoll Pflanzen hervorragend für diese Technologie geeignet sind, andere eben noch nicht, da wird noch Forschungsaufwand notwendig sein. Aber im Prinzip gilt das für alle Pflanzen.

König: Die Biolandwirte fürchten - so weit ich das weiß - die Gentechnik wie der Teufel das Weihwasser. Sie sagen, Nein, diese Befürchtungen seien falsch. Sie könnten sich sehr wohl eine Kombination von Öko- und Gentechnik vorstellen. Wie soll das funktionieren? Was können biologisch-ökologischer Anbau und der Einsatz transgener - glaube ich nennt man das - Pflanzen voneinander lernen?

Scheel: Vielleicht nehmen wir als Beispiel einfach diesen Mais, den Sie auch schon im Vorspann erwähnt hatten, der das Toxin vom Bacillus thuringiensis produzieren kann und dadurch widerstandsfähig wird gegen seine Insektenschädlinge. Diese Technologie, also die Verwendung dieses Toxins vom Bacillus thuringiensis, wird seit 1960 im Ökolandbau angewendet. Dort sprüht man diese Bazillen, dieses Bacillus thuringiensis, direkt auf die Pflanzen und hat dadurch den gleichen Effekt, wie er auch in den transgenen Pflanzen erzeugt wird. Und nur mal ein Beispiel, die erste Resistenz gegen das Bt-Toxin wurde im ökologischen Landbau durch eine fehlerhafte Anwendung erzeugt und nicht durch die transgenen Pflanzen. Nichtsdestotrotz, ich wollte damit sagen, dass es eine - im Prinzip - eine Technologie ist, die auch im Ökolandbau als nützlich erkannt wurde. Was man jetzt an diesen Pflanzen macht: Man sprüht nicht diese Bakterien oder das Toxin selber, sondern man expremiert, also man produziert dieses Toxin in der Pflanze selber. Und dadurch hat man Pflanzen, die von vornherein diesen Widerstand haben, was dazu führt nicht nur, dass diese Pflanzen resistent sind gegen ihre Fraßschädlinge, sondern zusätzlich haben sie einen deutlich geringeren Gehalt an so genannten Mykotoxinen, die kommen in diese Pflanzen hinein, dadurch dass an den Fraßschädigungen - an den Stellen, wo Insekten gefressen haben - nachträglich Pilze eindringen, die diese Pflanzen besiedeln und dann diese Toxine synthetisieren, die ein Riesenproblem sind. Das sind ungefähr die giftigsten Stoffe, die wir überhaupt kennen und sind ein großes Problem gerade bei Getreide. Wenn man jetzt also im Ökolandbau zum Beispiel solche Produkte anbauen würde, hätte man einen Riesenvorteil und die Art und Weise der Anwendung, die müsste natürlich so gestaltet sein, dass man vermeidet, dass Resistenzen entstehen, wie Sie im Vorspann gesagt haben. Das ist aber keine Frage, die speziell sich jetzt mit transgenen Pflanzen beschäftigt, sondern das ist ein generelles Problem, was man hat, wenn man auch herkömmlich gezüchtete Pflanzen, die ein bestimmtes Merkmal haben, ausbringt in die …, in den Erwerb, also ausbringt aufs Land.

König: Das deutsche Gentechnikgesetz aus rot-grünen Zeiten soll verändert werden, wir haben das eingangs gehört. Nicht mehr alle Genlandwirte in der Nachbarschaft sollen haften, sondern nur der eine nachgewiesene Verbraucher. Ist das vernünftig?

Scheel: Ja, diese Haftungsregelung ist natürlich ein stark diskutierter Punkt. Wie man das im Endeffekt regeln wird, das wird eine gesetzliche Frage sein, zu der ich nicht die Kompetenz habe. Da gibt es bestimmte Vorschriften, Haftungsregelungen, die an anderer Stelle in Gesetzen verankert sind und die man hier dann zur Anwendung kommen lassen muss. Auf jeden Fall halte ich für einen Fortschrift, dass nur derjenige haftet, der auch der Verursacher ist. Es wird schwierig sein, das im Einzelfall nachzuweisen. Also wie man das praktisch durchführen möchte, ist mir noch nicht ganz klar, und das haben Sie ja auch im Vorspann erwähnt. Diese generelle Haftungsregelung, wie sie vorher in einem Gesetzentwurf vorgesehen war, die wäre natürlich eine Katastrophe gewesen.

König: Herr Scheel, ich danke Ihnen. Ökologischer Landbau und Gentechnik sollten voneinander lernen, sagt Dierk Scheel, Geschäftsführender Direktor des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie in Halle.
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