Scheinheilige europäische Flüchtlingspolitik
Im Grundgesetz ist das Recht auf Asyl festgeschrieben. In der Praxis bedeutet Asylpolitik aber vor allem eines: Abschottung. Denn die kommt bei den Wählern besser an. Hilfesuchende Flüchtlinge haben dabei das Nachsehen, denn auf diese Weise werden sie zu Illegalen gebrandmarkt, meint die Journalistin Doris Simon.
Das Ziel der Reise war genau gewählt: Papst Franziskus hat seinen ersten größeren Besuch außerhalb Roms ausgerechnet Lampedusa abgestattet, jener Insel ganz im Süden Italiens, die seit einigen Jahren zum europäischen Anlaufpunkt für Zehntausende von Flüchtlingen geworden ist. Die Botschaft, die sich mit dieser Reise verbindet, ist nicht misszuverstehen. Frischgebackene Regierungschefs reisen nach Washington, Berlin oder Brüssel, zu den Mächtigen dieser Welt. Der neue Papst besucht als erstes die Schwachen und Verfolgten.
Damit definiert Franziskus keineswegs nur das eigene Rollenverständnis. Der Oberhirte der katholischen Kirche erinnert zugleich alle Regierenden an ihre Verantwortung, nicht zuletzt die katholischen Verantwortungsträger, in Spanien, in Bayern und anderswo in Europa.
Da mag mancher europäische Politiker denken: Der tut sich leicht, der Papst, und den Oberhirten insgeheim beneiden. Sich vor den Kameras der Welt als Beschützer der Armen, Schwachen und Verfolgten präsentieren, als Bewahrer und Verteidiger europäischer Grund- und universeller Menschenrechte, das gefiele auch vielen Politikern in Europa.
Doch was dem Papst in dieser Woche die Anerkennung und Achtung vieler Bürger gebracht hat, möchten die wenigsten Minister, Landräte oder Bürgermeister, egal in welchem europäischen Land, selber ausprobieren: Der Einsatz für Flüchtlinge und Asylbewerber ist bei vielen Wählern extrem unbeliebt und daher hochriskant.
Geht es um Flüchtlinge, schlagen meist zwei Herzen in der Brust unserer Politiker. Das Ergebnis dieser Doppelherzen ist in der hochscheinheiligen europäischen Asylpolitik zu besichtigen. Auf dem Papier wird alles großgeschrieben, Menschlichkeit, Mitgefühl, Verständnis. In der Praxis wird dieselbe Asylpolitik dann ganz, ganz klein buchstabiert: Abschottung, Abwehr, Festung Europa. Politiker, die sich trauen, das grundgesetzlich geschützte Recht auf Asyl zu erklären oder gar zu verteidigen, muss man suchen. Für die Mehrheit gilt das Gegenteil: Wer sich in der Asylpolitik profilieren will, zeigt Härte. Das zieht immer.
Risiken und Nebenwirkungen tragen dabei die Flüchtlinge. Viele EU-Länder haben noch nie die europäischen Standards in der Flüchtlings-und Asylpolitik erfüllt. Konsequenzen hatte das keine. Jedes Marmeladenkartell muss mehr Angst vor europäischen Strafen haben als Mitgliedsstaaten, in denen Flüchtlinge von vornherein als Illegale behandelt werden. Mit verheerenden Folgen. Denn Illegale haben keine Wahl. Sie können sich nicht wehren, wenn sie wie Sklaven ausgebeutet werden in der Landwirtschaft, in Hotelküchen, in Bordellen.
Sicher: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten können nicht jeden Flüchtling, der in der Europäischen Union ankommt, aufnehmen. Aber sie müssen sich an ihre eigenen Gesetze und Verträge halten. Und die verlangen, dass ernsthaft geprüft wird, ob Flüchtlinge Anspruch auf Schutz oder Asyl haben. Es darf nicht sein, dass immer öfter nationale Gerichte oder der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg die Verantwortungsträger in Regierungen, Städten und Kommunen an ihre Pflichten erinnern müssen.
Das betrifft übrigens auch Deutschland: Viele Flüchtlinge, die über Griechenland hierher kamen, wurden auch dann noch nach Griechenland zurückgebracht, als längst klar war, dass dieses Land noch nie ein funktionierendes Asylsystem hatte. Bayerische Behörden entschieden im letzten Jahr, syrische Asylbewerber nach Ungarn zurückzuschicken, wohl wissend, dass Ungarn zu diesem Zeitpunkt Syrien trotz des Bürgerkriegs als sicheres Herkunftsland betrachtete und Flüchtlinge dorthin zwangsrückführte.
Wenn Politiker und Behörden so entscheiden, wenn Ermessensspielräume nicht für mehr Menschlichkeit, sondern für demonstrative Härte genutzt wird, dann auch deshalb, weil die Politiker davon ausgehen, dass sie damit in großen Teilen der Bevölkerung Unterstützung finden und politisch punkten können.
Papst Franziskus hat es so gesehen tatsächlich leichter: Er muss sich keiner Wahl stellen. Doch auch Regierungen haben eine Verantwortung für Menschlichkeit und vor allem für Rechtsstaatlichkeit. Als das Asylrecht im deutschen Grundgesetz verankert wurde, passierte das unter dem Eindruck des gerade überwundenen Unrechtsstaates. Niemand dürfe aufgrund seiner Rasse, seines Glaubens, seiner Herkunft oder seiner politischen Überzeugung verfolgt werden. Das war die Quintessenz der deutschen Erfahrungen, eine Quintessenz mit universellem Anspruch.
Genau das ist der Unterschied zwischen einer rechtsstaatlichen Demokratie und einer populistischen Demokratie. Die rechtsstaatlich verfasste Demokratie schreibt ein paar Grundlinien fest, die auch dann noch Bestand haben müssen, wenn sie einer Mehrheit unbequem sind. Wir bräuchten ein paar Politiker, die den Mut haben, menschlich zu sein, auch wenn es unbequem ist. Denn eine bessere Asylpolitik müssen Politiker umsetzen. Der Papst kann nur appellieren. Aber das hat er immerhin getan.
Damit definiert Franziskus keineswegs nur das eigene Rollenverständnis. Der Oberhirte der katholischen Kirche erinnert zugleich alle Regierenden an ihre Verantwortung, nicht zuletzt die katholischen Verantwortungsträger, in Spanien, in Bayern und anderswo in Europa.
Da mag mancher europäische Politiker denken: Der tut sich leicht, der Papst, und den Oberhirten insgeheim beneiden. Sich vor den Kameras der Welt als Beschützer der Armen, Schwachen und Verfolgten präsentieren, als Bewahrer und Verteidiger europäischer Grund- und universeller Menschenrechte, das gefiele auch vielen Politikern in Europa.
Doch was dem Papst in dieser Woche die Anerkennung und Achtung vieler Bürger gebracht hat, möchten die wenigsten Minister, Landräte oder Bürgermeister, egal in welchem europäischen Land, selber ausprobieren: Der Einsatz für Flüchtlinge und Asylbewerber ist bei vielen Wählern extrem unbeliebt und daher hochriskant.
Geht es um Flüchtlinge, schlagen meist zwei Herzen in der Brust unserer Politiker. Das Ergebnis dieser Doppelherzen ist in der hochscheinheiligen europäischen Asylpolitik zu besichtigen. Auf dem Papier wird alles großgeschrieben, Menschlichkeit, Mitgefühl, Verständnis. In der Praxis wird dieselbe Asylpolitik dann ganz, ganz klein buchstabiert: Abschottung, Abwehr, Festung Europa. Politiker, die sich trauen, das grundgesetzlich geschützte Recht auf Asyl zu erklären oder gar zu verteidigen, muss man suchen. Für die Mehrheit gilt das Gegenteil: Wer sich in der Asylpolitik profilieren will, zeigt Härte. Das zieht immer.
Risiken und Nebenwirkungen tragen dabei die Flüchtlinge. Viele EU-Länder haben noch nie die europäischen Standards in der Flüchtlings-und Asylpolitik erfüllt. Konsequenzen hatte das keine. Jedes Marmeladenkartell muss mehr Angst vor europäischen Strafen haben als Mitgliedsstaaten, in denen Flüchtlinge von vornherein als Illegale behandelt werden. Mit verheerenden Folgen. Denn Illegale haben keine Wahl. Sie können sich nicht wehren, wenn sie wie Sklaven ausgebeutet werden in der Landwirtschaft, in Hotelküchen, in Bordellen.
Sicher: Die EU und ihre Mitgliedsstaaten können nicht jeden Flüchtling, der in der Europäischen Union ankommt, aufnehmen. Aber sie müssen sich an ihre eigenen Gesetze und Verträge halten. Und die verlangen, dass ernsthaft geprüft wird, ob Flüchtlinge Anspruch auf Schutz oder Asyl haben. Es darf nicht sein, dass immer öfter nationale Gerichte oder der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg die Verantwortungsträger in Regierungen, Städten und Kommunen an ihre Pflichten erinnern müssen.
Das betrifft übrigens auch Deutschland: Viele Flüchtlinge, die über Griechenland hierher kamen, wurden auch dann noch nach Griechenland zurückgebracht, als längst klar war, dass dieses Land noch nie ein funktionierendes Asylsystem hatte. Bayerische Behörden entschieden im letzten Jahr, syrische Asylbewerber nach Ungarn zurückzuschicken, wohl wissend, dass Ungarn zu diesem Zeitpunkt Syrien trotz des Bürgerkriegs als sicheres Herkunftsland betrachtete und Flüchtlinge dorthin zwangsrückführte.
Wenn Politiker und Behörden so entscheiden, wenn Ermessensspielräume nicht für mehr Menschlichkeit, sondern für demonstrative Härte genutzt wird, dann auch deshalb, weil die Politiker davon ausgehen, dass sie damit in großen Teilen der Bevölkerung Unterstützung finden und politisch punkten können.
Papst Franziskus hat es so gesehen tatsächlich leichter: Er muss sich keiner Wahl stellen. Doch auch Regierungen haben eine Verantwortung für Menschlichkeit und vor allem für Rechtsstaatlichkeit. Als das Asylrecht im deutschen Grundgesetz verankert wurde, passierte das unter dem Eindruck des gerade überwundenen Unrechtsstaates. Niemand dürfe aufgrund seiner Rasse, seines Glaubens, seiner Herkunft oder seiner politischen Überzeugung verfolgt werden. Das war die Quintessenz der deutschen Erfahrungen, eine Quintessenz mit universellem Anspruch.
Genau das ist der Unterschied zwischen einer rechtsstaatlichen Demokratie und einer populistischen Demokratie. Die rechtsstaatlich verfasste Demokratie schreibt ein paar Grundlinien fest, die auch dann noch Bestand haben müssen, wenn sie einer Mehrheit unbequem sind. Wir bräuchten ein paar Politiker, die den Mut haben, menschlich zu sein, auch wenn es unbequem ist. Denn eine bessere Asylpolitik müssen Politiker umsetzen. Der Papst kann nur appellieren. Aber das hat er immerhin getan.