"Schieß doch, mach ihn tot!"

Von Regina Kusch |
Sieben Jungen verteidigen in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs eine strategisch unwichtige Brücke: Eindringlich dokumentiert Bernhard Wickis Antikriegsfilm "Die Brücke" die Sinnlosigkeit des Krieges; einer der meist prämierten Spielfilme der deutschen Nachkriegszeit. Vor 50 Jahren wurde er in München erstmals gezeigt.
"Ich habe einfach die Geschichte so erzählt, wie ich geglaubt habe, dass man einen Kriegsfilm machen muss."

Bernhard Wickis Film "Die Brücke", der am 22. Oktober 1959 in München uraufgeführt wurde, war anders, als alle Filme über den Zweiten Weltkrieg, die man bis dahin im Kino gesehen hatte. Es gab keine "deutschen Helden", nur tragische Figuren.

Im Mittelpunkt stehen sieben Jugendliche, die noch in den letzten Kriegstagen von der Schulbank geholt und an die Front geschickt werden. Sie sind mutig, kampfbereit und können bis zum bitteren Schluss nicht begreifen, dass sie doch nur sinnlos geopfert werden.

"Wir lernen die verschiedenen Mütter dieser Jungs kennen, um die es sich dann handelt, sehen die Jungs in der Schule. An diesem Tag werden die Jungs eingezogen. Am nächsten Tag sind sie bereits in der Kaserne. Sie werden dann an eine Brücke gestellt, die sie völlig sinnlos und aus einem falsch verstandenen Idealismus bis zum letzten Mann verteidigen."

Diese Brücke ist strategisch bedeutungslos. Doch das sagt ihnen niemand; auch nicht ihr Offizier, der gerade selbst seinen Sohn verloren hat. Er platziert die 16-Jährigen an diesem Ort, weil er da nicht mit Kämpfen rechnet und glaubt, so ihr Leben retten zu können.

"Ich habe nicht Offiziere oder Soldaten als Unmenschen überhaupt hingestellt, sondern was in diesem Film angeklagt wird, ist die Maschinerie, ist der Krieg. Und dieser Offizier versucht, die Kinder zurückzuhalten. Die Kinder lassen sich gar nicht mehr zurückpfeifen. Es ist so viel an falscher Erziehung in sie hineingepumpt worden."

"Wir haben hier auf Befehl Stellung bezogen."

"Das ist doch Unsinn, was Ihr hier macht. Der ganze Ort wird zusammengehauen. Ich kenn das doch. Geht doch nach Hause!"

"Sie wollen uns wohl zur Fahnenflucht überreden! Schwache Nerven, was? Es ist Krieg! Verstehen Sie? Und wir müssen hier die Brücke halten!"

Als Vorlage für den Film diente der gleichnamige Roman von Manfred Gregor, der in seinem Buch eigene Kriegserlebnisse verarbeitet hatte.

"Ich hab in diesen letzten drei Kriegstagen aus der Gruppe, mit der ich ausgerückt war, vier Mann verloren. An diesem Sterben stimmte nichts mehr. Es hatte nichts Heldenhaftes an sich. Es stimmte vor allem deshalb nichts mehr, weil die Leute, die hier starben, Kinder waren. Und für sie hab ich eigentlich meinen Roman geschrieben."

Für den Film wählte Bernhard Wicki unbekannte Schauspieler aus, die selbst fast noch Kinder waren, wie Fritz Wepper, Volker Lechtenbrink oder Michael Hinz.

"Ich glaube, dass man nur auf diese Weise die dokumentarische Echtheit damit erreichen kann, dass man Leute hat, wo man nicht weiß, ah, das ist der Herr Fischer und das ist Herr Jürgens und der spielt das, sondern dass man glaubt, das sind die Jungs."

Um größtmögliche Authentizität zu erreichen, wandte Bernhard Wicki Methoden an, für die er sich später schämte. Er warf seinen Darstellern Sand in die Augen und ohrfeigte sie. Fritz Wepper erinnert sich:

"Das waren ja echte Tränen, die ich damals vergossen habe. Ich würde mich heute hüten, so weit seelisch zu huren. Ich würde es heute eher technisch herstellen wollen. Aber wir waren damals in diese Arbeit so eingebettet und so intensiv damit befasst, dass das möglich war."

Die Kritik überschlug sich mit Lob für die Jungschauspieler, die romantische Abenteuerlust und vaterlandstreue Entschlossenheit ebenso beeindruckend spielten wie ihr erbärmliches Sterben. Heftige Diskussionen lösten aber jene Szenen aus, in denen Wicki schonungslos die Grausamkeit der Kämpfe zeigte.

"Da kommt noch einer! Pass auf! Schieß den ab!"

"Hey stop shooting! Give up!"

"Was schreit der?"

"We don't fight kids! Go home! Go to the kindergarten!"

"Kindergarten! Dir werd ich es zeigen!"

"Karl schieß doch! Mach ihn tot Karl! Schieß doch, mach ihn tot!"

Vielfach preisgekrönt und Oscar-nominiert wurde "Die Brücke" von einer Expertenkommission zu den 20 besten deutschen Filmen gezählt. Bis heute wird dieses Plädoyer für den Frieden in Schulen als Unterrichtsmaterial genutzt. Bernhard Wicki, der im Jahr 2000 starb, erhielt bis zuletzt Briefe von jungen Männern, für die sein Film mit ein Grund war, den Wehrdienst zu verweigern. Darauf war Wicki, der mehrere Monate im Konzentrationslager verbracht hatte, mindestens genauso stolz wie auf alle Auszeichnungen.