Schießtourismus in den USA

Der Traum von der Kalaschnikow

Auf dem Schießstand von "Machine Guns Vegas"
Auf dem Schießstand von "Machine Guns Vegas" © Wolfgang Stuflesser
Von Wolfgang Stuflesser |
Schießen als Freizeitunterhaltung - das ist der neue Trend in Las Vegas. Besonders unter Ausländern ist die Ballerei beliebt. Unser Korrespondent Wolfgang Stuflesser hat sich auf einen Schießstand gewagt und einem Selbstversuch unterzogen.
Das bin ich, der da schießt. Und zwar eine SAW M249, das Standard-Maschinengewehr der amerikanischen Soldaten, ein Monstrum: gut einen Meter lang und sieben Kilo schwer. Der Patronengurt rauscht mit bis zu 850 Schuss pro Minute durch die Waffe.
Dabei bin ich eigentlich absoluter Waffengegner, habe den Kriegsdienst verweigert und stattdessen brav meinen Zivildienst geleistet. Aber hier, in Las Vegas, ist alles etwas anders. Ich bin bei "Machine Guns Vegas", einem hochmodernen Schießstand, der, wie der Name schon sagt, damit wirbt, dass die Kunden hier mal eben auch ein Maschinengewehr in die Hand bekommen und abfeuern dürfen. Trainerin Bebe Noyes, blond, Mitte 30 und ausgebildete Soldatin, gibt mir klare Anweisungen:
"Right hand here, left hand here, toes towards target, shoulder your weapon, drop, drop, drop from the waist, pull that trigger, pump in the next."
Eigentlich wollte ich nur einen Beitrag über die vergleichsweise lockeren Waffengesetze des Staates Nevada machen. Doch nach meinem Interview mit dem Inhaber des Ladens fordert der mich auf, doch selbst mal zu schießen - sonst könne ich die Erfahrung gar nicht nachvollziehen.
Und er hat Recht: Das Schießen nimmt mich richtig körperlich mit. Noch nie hatte ich vorher mit geladenen Waffen zu tun, und alle meine Sinne arbeiten auf Hochtouren.
Schwarzpulvergeruch liegt in der Luft
Es ist unangenehm kalt und zugig, das liegt auch an den großen Ventilatoren in der Decke, die die bleigeschwängerte Luft absaugen und durch Filter jagen. Es riecht intensiv nach Schwarzpulver – ein Geruch, der mich verwirrt, weil ich ihn eher mit Silvester und Feuerwerk verbinde als mit tödlichen Schusswaffen.
Wenn ich den Abzug drücke und die Waffe loslegt, macht sie sich fast selbstständig in meinen Händen, auch wenn ich noch so fest zupacke. Und dann natürlich der Lärm!
Es geht bei Machine Guns Vegas sichtlich um "Thrill", den angenehmen Nervenkitzel, und - wie überall in dieser Glitzerstadt - um gute Unterhaltung. Alles schön und gut, wäre da nicht die Meldung in meinem Kopf, die mich hergeführt hat:
Neunjährige erschießt ihren Betreuer
"9 year old shot her instructor."
Ende August wird ein Betreuer an einem Schießstand in Arizona, nur rund 100 Kilometer entfernt von hier, versehentlich von einer Kundin erschossen. Die Kundin ist ein Mädchen, neun Jahre alt - ihre Eltern wollten sie eine Uzi ausprobieren lassen, die berühmte Maschinenpistole der israelischen Armee.
Es gibt ein Handyvideo des Unglücks, gefilmt von der Mutter des Mädchens: Darauf sieht man, wie der Betreuer am Schießstand das Mädchen erst einzelne Schüsse abgeben lässt. Dann schaltet er die Waffe auf Dauerfeuer, gibt sie dem Mädchen und man hört ihn gerade noch sagen, dass das Mädchen sie ganz gerade halten soll. Aber da löst sich eine Salve von Schüssen, bei der sich die Waffe, getrieben vom harten Rückstoß, in der Hand des Mädchens nach oben wegdreht.
Der 39 Jahre alte Betreuer stirbt an einem Schuss in den Kopf. Er hinterlässt vier Kinder. Bei aller Tragik: Rechtliche Folgen hatte das Unglück keine - auch die Waffengesetze wurden nicht geändert. Natürlich spreche ich auch den Inhaber von Machine Guns Vegas auf den Fall an - Genghis Cohen.
"Eine Uzi ist eine Waffe, mit der es schwierig zu schießen ist. Vor allem, wenn Du nicht weißt, was Du tust. Sie ist klein und nicht besonders schwer, deshalb dreht sie sich leicht nach oben weg, wenn man schießt. Dieser Unfall war absolut vermeidbar. Wir erlauben hier Kindern überhaupt nicht, mit Uzis zu schießen."
Nicht mit Uzis, sehr wohl aber mit anderen Waffen. Solange die Eltern einverstanden sind. Außerdem hänge es vom Kind ab, sagt Cohen: Manch zwölfjähriges Mädchen sei kompetenter an der Waffe als ein 30-jähriger Mann.
"Es kommt auf Größe und Selbstvertrauen der Kinder an. Wir hatten hier mal einen Kunden, der wollte seine neun und elf Jahre alten Jungs eine vollautomatische Waffe feuern lassen. Wir haben es dem Neunjährigen nicht erlaubt und bekamen dann bei Trip Advisor eine schlechte Bewertung. Ich war sogar froh darüber, denn das zeigte, dass wir das Richtige getan haben, auch wenn der Kunde nicht zufrieden war."
Die meisten Kunden sind Ausländer
Cohen selbst stammt aus Neuseeland, schon sein Vater hatte ein Waffengeschäft. Er ist Mitte Vierzig, groß, muskulös, trägt Vollbart, die kurzen dunklen Haare unter eine Baseballkappe. Die meisten seiner Kunden hier in Las Vegas seien Ausländer, sagt er, oft aus Ländern mit strengeren Waffengesetzen.
"Ich schätze, 90 Prozent kommen aus anderen Ländern. Vor allem Großbritannien, Australien, Neuseeland und Canada. Der Anteil aus Frankreich und Deutschland wächst."
Luc Becker ist so ein typischer Kunde aus dem Ausland, 24 Jahre alt und aus Luxemburg. Er ist mit seiner Freundin hier. Als begeisterter Gamer hat er ein Paket gebucht, bei dem er Waffen ausprobieren kann, die er aus Videospielen wie "Call of Duty" oder "Counterstrike" kennt.
Luc Becker: "Ich dachte, wenn ich schon in Vegas bin - man hat nicht jeden Tag die Gelegenheit eine AK oder eine M4 in der Hand zu halten und auch damit zu schießen. Außer man ist Terrorist oder so, aber gut. Bei uns ist das ja gar nicht möglich. Wo kann man mit solchen Waffen schießen außer hier?"
Luc hat zuhause in Luxemburg einen Fernsehbeitrag über das Maschinengewehrschießen als Zeitvertreib in Las Vegas gesehen - sein Hotel hat ihm dann "Machine Guns Vegas" empfohlen. Vom berühmten Strip, dem ein paar Kilometer entfernten Las Vegas Boulevard, können sich die Kunden kostenlos im Van abholen lassen – der hat stilecht ein Maschinengewehr aufs Dach montiert, wie man es aus Nachrichtenbildern von Guerillatruppen in Afghanistan und anderen Kriegsgebieten kennt. Das mag nicht jeder geschmackvoll finden – die waffenbegeisterten Kunden stört es aber sichtlich nicht.
Verschiedene Zielobjekte zur Auswahl bei "Machine Guns Vegas"
Verschiedene Zielobjekte zur Auswahl bei "Machine Guns Vegas"© Wolfgang Stuflesser
Bevor es ans eigentliche Schießen geht, werden Luc und seine Freundin in einer Art Vorraum empfangen – von hübschen jungen Frauen in schwarzer Funktionskleidung, wie sie vielleicht ein Spezialkommando der Polizei trägt.
Ein Schießstand wie ein Club
Die Schüsse sind hier nur gedämpft durch eine Stahltür zu hören. Der Warteraum wirkt wie eine Mischung aus Music-Club und Kaserne – an den Wänden wechselt sich dunkles Holz mit Wandfarbe in Umbra ab. Davor hängen an nackten Stahlrohren Modelle der Waffen, die die Kunden buchen können.
Lucs Bedienung zeigt ihm noch mal das von ihm gewählte Waffenpaket auf einem iPad, das sie ihm lässig vorhält, und fragt, ob er nicht noch das Schießen mit weiteren Waffen dazukaufen will.
190 Dollar, umgerechnet rund 160 Euro, hat Luc schon für das Gamerpaket investiert – er lehnt die Zusatzoptionen dankend ab. Dann müssen er und seine Freundin noch Formulare ausfüllen, in denen sie bestätigen, dass sie nicht unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol stehen und dass keine Schwangerschaft vorliegt. Die Waffengesetze sind locker in Nevada, die Zahlungen bei Schadenersatz aber riesig – da will sich die Firma natürlich schadfrei halten.
Luc muss auch schriftlich bestätigen, dass er die Risiken kennt, die durch das Handhaben einer Waffe entstehen - und dass er nicht die Absicht hat, sich oder andere zu verletzen.
Dann kommt Marcus Alaniz, Lucs Betreuer. Auch er trägt schwarze Kleidung, den Schutzkopfhörer hat er sich von den Ohren geschoben und locker um den Nacken gehängt.
Der Mann strahlt absolute Autorität aus. Und gibt Luc und seiner Freundin erst mal eigene Kopfhörer und Brillen, wie sie Schweißer tragen: Sie sollen vor umherfliegenden Patronenhülsen schützen. Außerdem mahnt er noch mal, dass alle Waffen, die er Luc gleich in die Hand drücken wird, geladen und entsichert sind. Deshalb solle Luc sich auch nicht damit zu ihm umdrehen.
Wie bei einer Weinprobe
Durch einen gewundenen Gang und eine mächtige Stahltür geht es in den eigentlichen Schießstand: Zehn Schützenstände sind durch dicke, metallumfasste Holzwände voneinander abgetrennt. Trainer Marcus holt die erste Waffe aus dem abgeschlossenen Spind: eine Glock 17 – die österreichische Pistole wird von mehr als der Hälfte aller US-Polizisten verwendet, sagt der Trainer. Zehn Schüsse sind im Magazin.
"You get ten rounds with it."
Dann geht es weiter mit einer Maschinenpistole von Heckler & Koch, der MP5. Es ist ein bisschen wie bei einer Weinprobe: Der Trainer erzählt etwas zur Geschichte und zum typischen Einsatz der Waffe. Er gibt genaue Anweisungen für die Handhabung – und dann darf der Kunde selbst ran.
Allerdings hat der Betreuer beim Schießen stets die Hand auf der Schulter des Kunden – eine Vorsichtsmaßnahme, die dem Kunden auch bewusst macht, dass er ständig unter Beobachtung ist.
Er könne noch Stunden schießen, sagt Luc – doch nach zehn Minuten ist alles vorbei: Luc hat mit insgesamt vier Waffen geschossen.
Luc Becker: "Sehr überwältigend. Man weiß nie, wie der Rückschlag so ist. Ich war gespannt, was jetzt auf mich zukommt. Ob die Waffe dir gegen den Kopf fliegt. Man hat alles im Kopf, was so passieren kann. Und wenn man dann schießt, merkt man, dass eigentlich, wenn man die richtig in der Hand hat – und er hat's sehr gut erklärt, dass es ziemlich einfach ist. Einfach abdrücken und los geht's."
Kunden wie Luc sind für Besitzer Genghis Cohen typisch - und ideal fürs Geschäft:
Schießen als Unterhaltung
Genghis Cohen: "Wenn sie nach Las Vegas kommen, wollen die Leute Dinge tun, die sie normalerweise nicht tun können. Einen Ferrari auf der Rennbahn fahren, mit einem Helikopter in den Grand Canyon fliegen, einen Star auftreten sehen, Glückspiele – sie wollen einfach neue Dinge erleben."
Die meisten Schießstände in den USA sind als Erweiterung von Waffengeschäften entstanden - zum Ausprobieren, bevor man eine Pistole oder ein Gewehr kauft. Cohen dagegen verkauft keine Waffen - das Erlebnis stehe für ihn an erster Stelle, sagt er. Und die Reaktion mancher Kunden auf ihre erste Erfahrung mit einer Waffe sei oft erstaunlich:
"Viele Leute bestellen eine Menge Munition oder eine bestimmte Waffe. Dann geben sie drei oder vier Schüsse ab und sagen: 'Nein, das langt mir.' Im Film und im Fernsehen wirkt es immer so einfach, mit diesen Waffen zu schießen - aber das ist es in Wirklichkeit nicht. Wir haben aber auch Reaktionen in die andere Richtung: Leute kommen nur mit ihren Freunden mit, schießen mit nur einer Waffe und geben dann 1.000 Dollar aus - weil sie's einfach lieben."
Schießstand mit Clubfeeling: Warteraum bei "Machine Guns Vegas"
Schießstand mit Clubfeeling: Warteraum bei "Machine Guns Vegas"© Wolfgang Stuflesser
Cohen kennt das Geschäft in Las Vegas, er hat selbst früher Nachtclubs betrieben – die waren für ihn auch Vorbild bei der Gestaltung des Warteraums, als er seinen Schießstand für Maschinengewehre geplant hat. Er hat das Design selbst entworfen. Neben diesem normalen Empfangsraum hat er auch noch eine VIP-Lounge für Promigäste – samt separatem Eingang und eigenem Schützenstand.
"Viele Prominente möchten nicht, dass die Leute erfahren, wenn sie ihre Kinder zum Schießen bringen. Denn das wird in den USA manchmal missbilligt."
Ballern auf Hochzeiten
Auch Hochzeiten, Scheidungsfeiern und Firmenevents hat es bei Machine Guns Vegas schon gegeben. Wenn die Nachfrage da ist – Cohen bedient sie. Und macht damit seine Kunden glücklich: Der Kanadier Ken Leclerq hatte das Schießen eines Maschinengewehrs schon lange auf der Liste der Dinge, die er tun wollte. Nun kommt er gerade aus dem Schießstand.
Ein großartiges Gefühl war es, wie im Rausch, sagt er. Und man fühle sich wie ein echter Mann. Seit bald drei Jahren gibt es den Maschinengewehr-Schießstand, und im Moment zählt Genghis Cohen 24.000 Kunden im Jahr.
"Las Vegas verändert sich. Als ich vor zwölf Jahren hierherkam, machte das Glücksspiel noch mehr als 60 Prozent der Einnahmen aus – jetzt sind wir bei unter 40 Prozent. Die Leute kommen nun eher her, um unterhalten zu werden, um Dinge zu erleben – darum geht es."
Das Geschäft läuft so gut, dass er als nächsten Schritt weitere Filialen eröffnen will. Überraschend ist allerdings Cohens Antwort, als ich ihn nach seiner eigenen Lieblingswaffe frage:
"Bow and Arrow."
Pfeil und Bogen, sagt er. Das fühle sich im Gegensatz zu Feuerwaffen so rein an – und es mache keinen Lärm – eine Waffe ganz nach seinem Geschmack.
"It's clean and pure – I just like it."
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