Schillernder Ex-Katholik
Eugen Drewermann zählt zu den schillernden Figuren unter Deutschlands Ex-Katholiken: suspendierter Priester, ehemaliger Privatdozent, aktiver Psychotherapeut und radikaler Pazifist. Trotz Predigt- und Lehrverbot arbeitet der Gelehrte weiterhin als Redner und Schriftsteller vor allem zu theologischen Themen.
Am 20. Juni dieses Jahres feiert Europas meistgelesener Theologe seinen 70. Geburtstag. Im Hinblick darauf veröffentlicht der Patmos Verlag ein ausgiebiges Interview des Theologen mit dem Kulturjournalisten Jürgen Hoeren.
Ein kleines Resümee in 24 Kapiteln auf rund 200 Buchseiten. Daher der Untertitel "Woran ich glaube". Ein hilfreicher Zugang zu Drewermanns Glauben und Denken. Ein gut lesbares und anregendes Buch für Christen und Agnostiker.
Der Titel des Buches "Wir glauben, weil wir lieben" zitiert den Theologen und Kardinal John Henry Newman († 1890). Kein Wort dazu bei Drewermann. Der erklärt den Titel so: Wenn Menschen etwas lieben, ergeben sich daraus Sinnevidenzen, Perspektiven von Hoffnung, Beziehungen des Vertrauens, "und darin zu leben heißt, an Gott zu glauben".
Zu Beginn skizziert der Interviewband Drewermanns Werdegang nach glänzendem Abitur. Der will als Priester Jesu Botschaft so auslegen, "dass sie verständlich und hilfreich sei für alle". Er will "Menschen in ein Feld des Vertrauens führen, in dem sie Gott finden".
Entscheidende Impulse hierfür gewinnt Drewermann durch die praktische Begegnung mit der Psychoanalyse. Sie hilft dem jungen Priester, sich selbst besser zu verstehen und als Seelsorger Menschen besser zu begleiten.
Bekannt wird Drewermann vor allem durch tiefenpsychologische Interpretationen der Bibel. Als Wissenschaftler nutzt Drewermann die Erfahrungen mit der Irrationalität der menschlichen Psyche ferner für Publikationen zur christlichen Ethik.
Betrachtet man Menschen nicht nur als Vernunftwesen mit Willenskraft, verlieren moralische Schablonen an Bedeutung. Drewermann plädiert für den genauen Blick auf das Individuum und dessen konkrete Geschichte. Dann entdeckt man Zusammenhänge, die ein Mensch "in aller Regel überhaupt nicht verantworten" kann.
"Ich bin der Aufklärung verpflichtet" lautet ein "Credo" Drewermanns. Daher scheut er nicht die Auseinandersetzung mit der Neurologie. Die macht zum Beispiel deutlich: Bewusstsein und Sprachfähigkeit "sind Produkte des Gehirns für das Gehirn". Beim Tod des Menschen finden sie ebenso ein Ende wie das, was man "Seele" zu nennen pflegt.
So sieht es schon die Bibel: Der Mensch "stirbt als Ganzer, nichts davon überlebt". Jesus, so Drewermann, sprach nie von der Unsterblichkeit der Seele, wohl aber lebte er aus dem Vertrauen: Gott lässt "unser individuelles Leben" im Tode nicht zurück.
Anders gewendet: Mithilfe der Neurologie verdeutlicht Drewermann den fundamentalen Unterschied zwischen platonischer Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und jesuanischer Auffassung von der Auferstehung. Dann versteht man, warum der sterbende Jesus am Kreuz Psalm 31 zitiert: "In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist." Auch im Sterben vertraut Jesus auf den Gott, den er in Leben und Lehre als Retter und Neuschöpfer bezeugt.
Besprochen von Thomas Kroll
Eugen Drewermann,
Wir glauben, weil wir lieben. Woran ich glaube. Im Gespräch mit Jürgen Hoeren
Patmos Verlag der Schwabenverlag AG: Ostfildern 2010
216 Seiten, 18 Euro.
Ein kleines Resümee in 24 Kapiteln auf rund 200 Buchseiten. Daher der Untertitel "Woran ich glaube". Ein hilfreicher Zugang zu Drewermanns Glauben und Denken. Ein gut lesbares und anregendes Buch für Christen und Agnostiker.
Der Titel des Buches "Wir glauben, weil wir lieben" zitiert den Theologen und Kardinal John Henry Newman († 1890). Kein Wort dazu bei Drewermann. Der erklärt den Titel so: Wenn Menschen etwas lieben, ergeben sich daraus Sinnevidenzen, Perspektiven von Hoffnung, Beziehungen des Vertrauens, "und darin zu leben heißt, an Gott zu glauben".
Zu Beginn skizziert der Interviewband Drewermanns Werdegang nach glänzendem Abitur. Der will als Priester Jesu Botschaft so auslegen, "dass sie verständlich und hilfreich sei für alle". Er will "Menschen in ein Feld des Vertrauens führen, in dem sie Gott finden".
Entscheidende Impulse hierfür gewinnt Drewermann durch die praktische Begegnung mit der Psychoanalyse. Sie hilft dem jungen Priester, sich selbst besser zu verstehen und als Seelsorger Menschen besser zu begleiten.
Bekannt wird Drewermann vor allem durch tiefenpsychologische Interpretationen der Bibel. Als Wissenschaftler nutzt Drewermann die Erfahrungen mit der Irrationalität der menschlichen Psyche ferner für Publikationen zur christlichen Ethik.
Betrachtet man Menschen nicht nur als Vernunftwesen mit Willenskraft, verlieren moralische Schablonen an Bedeutung. Drewermann plädiert für den genauen Blick auf das Individuum und dessen konkrete Geschichte. Dann entdeckt man Zusammenhänge, die ein Mensch "in aller Regel überhaupt nicht verantworten" kann.
"Ich bin der Aufklärung verpflichtet" lautet ein "Credo" Drewermanns. Daher scheut er nicht die Auseinandersetzung mit der Neurologie. Die macht zum Beispiel deutlich: Bewusstsein und Sprachfähigkeit "sind Produkte des Gehirns für das Gehirn". Beim Tod des Menschen finden sie ebenso ein Ende wie das, was man "Seele" zu nennen pflegt.
So sieht es schon die Bibel: Der Mensch "stirbt als Ganzer, nichts davon überlebt". Jesus, so Drewermann, sprach nie von der Unsterblichkeit der Seele, wohl aber lebte er aus dem Vertrauen: Gott lässt "unser individuelles Leben" im Tode nicht zurück.
Anders gewendet: Mithilfe der Neurologie verdeutlicht Drewermann den fundamentalen Unterschied zwischen platonischer Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und jesuanischer Auffassung von der Auferstehung. Dann versteht man, warum der sterbende Jesus am Kreuz Psalm 31 zitiert: "In deine Hände lege ich voll Vertrauen meinen Geist." Auch im Sterben vertraut Jesus auf den Gott, den er in Leben und Lehre als Retter und Neuschöpfer bezeugt.
Besprochen von Thomas Kroll
Eugen Drewermann,
Wir glauben, weil wir lieben. Woran ich glaube. Im Gespräch mit Jürgen Hoeren
Patmos Verlag der Schwabenverlag AG: Ostfildern 2010
216 Seiten, 18 Euro.