Schipanski lehnt Direktwahl des Bundespräsidenten ab

Moderation: Jörg Degenhardt |
Die Präsidentin des Landtags in Thüringen und ehemalige Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Dagmar Schipanski, hat sich gegen eine Direktwahl des Bundespräsidenten ausgesprochen. Das jetzige System habe sich bewährt, auch wenn die parteipolitischen Rangeleien im Vorfeld der Wahl störten, sagte die CDU-Politikerin.
Jörg Degenhardt: Am 1. Juli sind es drei Jahre, so lange ist Horst Köhler oberster Repräsentant Deutschlands. Und der Mann hat sich Gedanken gemacht über sein Amt und die Demokratie in der Bundesrepublik. Er kann sich eine Direktwahl des Staatsoberhauptes gut vorstellen. Jetzt ist es nach der geltenden Verfassungslage so, dass der Bundespräsident alle fünf Jahre von der Bundesversammlung gewählt wird, die setzt sich je zur Hälfte aus allen Mitgliedern des Bundestages und von den Landtagen bestimmten Delegierten zusammen. Köhler hat sich außerdem für mehr direkte Demokratie ausgesprochen. Ob die notwendig ist und wie die aussehen könnte, auch darüber will reden mit Dagmar Schipanski, sie ist CDU-Politikerin, war mal Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten und heute ist sie Landtagspräsidentin im Freistaat Thüringen. Ich grüße Sie. Spricht denn nun mehr für oder gegen die Direktwahl eines Bundespräsidenten?

Dagmar Schipanski: Guten Morgen. Diese Frage wird ja schon sehr häufig erörtert. Jedes Mal im Vorfeld einer Bundespräsidentenwahl wird darüber spekuliert, mehr Direktdemokratie, mehr Direktwahl durch das Volk. Ich bin der Auffassung, dass eine Direktwahl durch das Volk nur dann infrage käme, wenn das Amt des Bundespräsidenten dann viel gewichtiger bewertet würde. Aber ich bin der Auffassung, dass die jetzige Lösung eine vorbildliche ist für Deutschland, dass sie eben die repräsentative Demokratie sehr gut widerspiegelt. Sie haben vorhin die Zusammensetzung der Bundesversammlung genannt – bei denen, die von den Landtagen bestimmt werden, sind ja eine ganze Reihe von prominenten Vertretern des Volkes Mitglieder der Bundesversammlung.

Degenhardt: Das heißt also, das jetzige System hat sich aus Ihrer Sicht bewährt.

Schipanski: Das jetzige System hat sich aus meiner Sicht bewährt. Das einzige, was mich dabei stört, ist so ein bisschen immer das Gerangel im Vorfeld zwischen den Parteien, dass es so sehr parteimäßig besetzt wird, weil es ja eigentlich ein überparteiliches Amt dann ist. Die Wahl von Bundespräsident Köhler hat für meine Begriffe auch das erste Mal Zeichen gesetzt, dass nun nicht einer der lang gedienten Politiker Bundespräsident geworden ist, sondern jemand, der die Bundesrepublik im Ausland vertreten hat, und der auch viele Impulse von außen mit herein bringt, die er jetzt sehr geschickt umsetzt.

Degenhardt: Sollte man nicht trotzdem darüber nachdenken, und ich meine, so etwas aus Ihren Worten herausgehört zu haben, ob man dem Bundespräsidenten nicht vielleicht doch mehr Mitspracherechte einräumt, wenn es um Fragen der Tagespolitik geht, etwa um das Unterzeichnen von Gesetzen, die Bundestag und Bundesrat verabschiedet haben. Oder soll man das eher noch weiter reduzieren?

Schipanski: Also ich bin auf keinen Fall für einen Reduktion. Eine Ausweitung könnte man sich vorstellen. Ich meine, Bundespräsident Köhler praktiziert es ja im Moment schon sehr gut, glaube ich, indem er auf bestimmte Dinge hinweist und manche Gesetze eben nicht sofort unterzeichnet hat.

Degenhardt: Darauf reagieren aber einige Parlamentarier verärgert.

Schipanski: Das weiß ich. Aber ich finde die Auslegung, die er vornimmt, bemerkenswert und finde sie auch gut. Das heißt, dass mit dem Amt doch bestimmte Befugnisse verbunden sind, derer man sich nur bewusst sein muss. Und wenn man es so handhabt, muss man keine Verfassungsänderung machen und nicht neue Zuständigkeiten festlegen, sondern ich glaube schon, dass man mit den Gegebenheiten, die ja sehr klug vor vielen Jahren festgelegt worden sind, auch heute noch richtige Entscheidungen beeinflussen und treffen kann.

Degenhardt: Wie ist das eigentlich mit der Dauer, die der Bundespräsident amtieren soll? Da gibt es ja den Vorschlag, die Amtszeit für das Staatsoberhaupt auf eine einmalige zu reduzieren und die dann zu verlängern, auf sieben Jahre festzulegen.

Schipanski: Dem kann ich mich sehr gut anschließen. Das habe ich schon vor Jahren gesagt, als ich selbst kandidiert habe, dass ich diese Verlängerung für sinnvoll halte. Ich finde, man braucht eine gewisse Zeit, um dem Amt sein eigenes Gepräge zu geben. Für mich ist es wichtig, dass man in diesem Amt dann eben die Bundesrepublik in der Welt vertritt, und das ist gut, wenn man das mit einer Person tut, die über längere Zeit im Amt ist.

Degenhardt: Haben wir eigentlich einen Nachholbedarf in Sachen direkter Demokratie? So kann man ja den Bundespräsidenten auch verstehen, wenn er sich für Volksbegehren stark macht.

Schipanski: Die zunehmende Politikverdrossenheit, die wir ja merken in der täglichen Diskussion, in den Medienberichten, in den Zeitungsberichten, ist schon ein Ausdruck dafür, dass sich das Volk zu wenig eingebunden fühlt. Und insofern gehe ich davon aus, dass über Volksbegehren und Volksabstimmungen man eine größere innere Beteiligung des Volkes erreichen könnte.

Degenhardt: Ich will jetzt nicht Herrn Köhler interpretieren, aber man könnte ja seine Idee, seinen Vorstoß auch so verstehen, dass er meinte, dass sich – das haben Sie ja in gewisser Weise auch schon angedeutet – vielleicht die Politik zu weit von den Bürgern entfernt hat.

Schipanski: Ich möchte jetzt den Bundespräsidenten in diese Richtung nicht interpretieren. Ich kann nur meine Meinung dazu sagen. Ich merke zunehmend bei den Diskussionen mit den Menschen im Land, und ich bin sehr viel unterwegs, dass man bestimmte Entscheidungen erklären muss, erläutern muss, auch Zwänge, die gegeben sind durch Gesetze oder auch Zwänge die durch Gerichtsentscheidungen hervorgerufen werden. Das ist eigentlich im Moment das schwierigste, glaube ich, im ganzen Land immer wieder zu sagen, das Gericht hat so entschieden auf der Grundlage dieser oder jener Gesetze, das ist gar nicht im Ermessensspielraum der Politik. Für die Bevölkerung ist die Politik nicht mehr so einfach und transparent. Und das muss sich die Politik überlegen, wie Sie mit diesem Problem fertig wird und wie sie vor allen Dingen versucht, mehr mit den Menschen direkt zu reden als nur über die Medien vermittelt.

Degenhardt: Politik transparent machen – da hätte ich noch eine Frage an die Landtagspräsidentin des Freistaates Thüringen: Was halten Sie von der Idee, wenn man vielleicht in Zukunft die Wahltermine, davon gibt es ja reichlich, wenn man die Termine bündelte, um dadurch auch ein bisschen mehr Transparenz beim Bürger zu erreichen?

Schipanski: Also ich habe jetzt keinen praktischen Durchführungsvorschlag, wie man das im Einzelnen machen könnte. Aber es ist durchaus so, dass die Bevölkerung nicht mehr so oft zur Wahl geht, wenn in einem Jahr drei Wahlen anstehen – erst für die Kommune, dann für das Land und dann vielleicht für den Bund. Und dann kommt noch die Europawahl. Da ist es schon gut, wenn man die Wahlen etwas mehr zusammenlegt. 2009 haben wir ein super Wahljahr, da könnten wir damit schon beginnen.