Schizophrene, Manisch-Depressive und Epileptiker wurden zwangssterilisiert
Am 14. Juli 1933 beschloss das Reichskabinett das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" - eine Entscheidung mit dramatischen Folgen. Hunderttausende Menschen wurden auf Grundlage dieser Verordnung zwangssterilisiert.
"Die Sterilisation hat sich bemerkbar gemacht. Und noch bemerkbarer macht es sich, wenn man älter wird. Wie ich jetzt in meinem Alter bin. Denn Du bist alleine. Du hast keinen, der für dich mal sorgt. Darfst Du nie vergessen."
1999 sprach Margret Hamm, die damalige Geschäftsführerin des Bundes der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten, über die schlimmen Spätfolgen ihrer eigenen Zwangssterilisation. Andere hatten für sie entschieden, dass sie niemals Kinder bekommen sollte. Andere, das war konkret die nationalsozialistische Reichsregierung, die am 14. Juli 1933 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses beschlossen hatte. Geradezu zynisch klingt da die Begründung, die der Leiter der Abteilung Volksgesundheit im Reichsinnenministerium, Arthur Gütt, für dieses Gesetz gab:
"Da die Unfruchtbarmachung das einzig sichere Mittel ist, um die weitere Vererbung von Geisteskrankheiten und schweren Erbleiden zu verhüten, muss sie darum als eine Tat der Nächstenliebe und Vorsorge für die kommende Generation angesehen werden."
Betroffen waren laut Gesetzestext Schizophrene, Manisch-Depressive, Epileptiker, erblich Blinde oder Taube, angeborene Schwachsinnige, Menschen mit einer erblichen körperlichen Missbildung, wie zum Beispiel einem Klumpfuß, aber auch Alkoholiker oder verhaltensauffällige Kinder. Rund 400.000 Personen wurden bis Kriegsende Opfer dieser Maßnahmen. Sie waren die Leidtragenden einer sozialdarwinistischen Logik, wie sie beispielsweise der NS-Film "Opfer der Vergangenheit" von 1937 propagierte:
"In den letzten siebzig Jahren hat sich unser Volk um 50 Prozent vermehrt, während die Zahl der Erbkranken im gleichen Zeitraum um 450 Prozent gestiegen ist. Wenn diese Entwicklung so weiter liefe, würde schon in 50 Jahren auf vier gesunde Menschen ein Erbkranker kommen. Ein endloser Zug des Grauens würde in die Nation hineinmarschieren, maßloses Elend über ein wertvolles Volk kommen, das dann mit Riesenschritten seinem Ende entgegenginge."
In Schweden, auch in einzelnen Bundesstaaten der USA, oder im Kanton Wallis in der Schweiz gab es damals vergleichbare Erlasse oder Regelungen. Befürworter dieser so genannten negativen Eugenik gab es also nicht nur im Reich. Beispiellos war aber die Konsequenz, mit der in Deutschland das Gesetz angewendet wurde.
"De facto verwandelten sich viele Operationssäle in deutschen Frauenkliniken in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in Sterilisationssäle."
schreibt der Heidelberger Medizinhistoriker Wolfgang Uwe Eckart in seinem Buch "Medizin in der NS-Diktatur". NS-Ministerialrat Arthur Gütt:
"Die deutsche Regierung geht damit anderen Völkern voran, sie gibt ihnen ein Beispiel das in der ganzen Welt Beachtung finden wird. Vor allen Dingen aber ist die Reichsregierung sich dessen bewusst, dass das Gesetz nur der Anfang von weiteren bevölkerungs-politischen Maßnahmen sein darf."
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde nicht mehr "nur" zwangssterilisiert, jetzt wurde getötet. Mehr als 100.000 Patienten, darunter mindestens 5000 Kinder, wurden in deutschen Heil- und Pflegeanstalten bis Kriegsende zu Tode gespritzt, in mobilen Vergasungsstationen und Konzentrationslagern getötet, oder man ließ sie schlicht verhungern und verdursten. Nach dem Krieg befahl die sowjetische Militäradministration am 8. Januar 1946 in ihrer Zone die Aufhebung des Gesetzes, und auch in der DDR blieb es dabei. In der jungen Bundesrepublik hingegen galt das Gesetz auch nach 1949 fort.
Noch im Jahr 1961 vertrat der zuständige Bundestagsausschuss die Auffassung, dass das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" kein typisch nationalsozialistisches Gesetz gewesen sei. Schließlich habe es auch in demokratischen Ländern ähnliche gegeben. Gleich drei Professoren, die während der NS-Zeit an der Umsetzung beteiligt gewesen waren, dienten hier als Sachverständige. Damit hatten Zwangssterilisierte auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen. Erst 1988 beschloss der Deutsche Bundestag nach langen Diskussionen die Zahlung einer einmaligen Abfindung von rund 5.000 DM. Und erst im Jahr 2007 wurde das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom Bundestag ganz offiziell geächtet.
1999 sprach Margret Hamm, die damalige Geschäftsführerin des Bundes der Euthanasiegeschädigten und Zwangssterilisierten, über die schlimmen Spätfolgen ihrer eigenen Zwangssterilisation. Andere hatten für sie entschieden, dass sie niemals Kinder bekommen sollte. Andere, das war konkret die nationalsozialistische Reichsregierung, die am 14. Juli 1933 das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses beschlossen hatte. Geradezu zynisch klingt da die Begründung, die der Leiter der Abteilung Volksgesundheit im Reichsinnenministerium, Arthur Gütt, für dieses Gesetz gab:
"Da die Unfruchtbarmachung das einzig sichere Mittel ist, um die weitere Vererbung von Geisteskrankheiten und schweren Erbleiden zu verhüten, muss sie darum als eine Tat der Nächstenliebe und Vorsorge für die kommende Generation angesehen werden."
Betroffen waren laut Gesetzestext Schizophrene, Manisch-Depressive, Epileptiker, erblich Blinde oder Taube, angeborene Schwachsinnige, Menschen mit einer erblichen körperlichen Missbildung, wie zum Beispiel einem Klumpfuß, aber auch Alkoholiker oder verhaltensauffällige Kinder. Rund 400.000 Personen wurden bis Kriegsende Opfer dieser Maßnahmen. Sie waren die Leidtragenden einer sozialdarwinistischen Logik, wie sie beispielsweise der NS-Film "Opfer der Vergangenheit" von 1937 propagierte:
"In den letzten siebzig Jahren hat sich unser Volk um 50 Prozent vermehrt, während die Zahl der Erbkranken im gleichen Zeitraum um 450 Prozent gestiegen ist. Wenn diese Entwicklung so weiter liefe, würde schon in 50 Jahren auf vier gesunde Menschen ein Erbkranker kommen. Ein endloser Zug des Grauens würde in die Nation hineinmarschieren, maßloses Elend über ein wertvolles Volk kommen, das dann mit Riesenschritten seinem Ende entgegenginge."
In Schweden, auch in einzelnen Bundesstaaten der USA, oder im Kanton Wallis in der Schweiz gab es damals vergleichbare Erlasse oder Regelungen. Befürworter dieser so genannten negativen Eugenik gab es also nicht nur im Reich. Beispiellos war aber die Konsequenz, mit der in Deutschland das Gesetz angewendet wurde.
"De facto verwandelten sich viele Operationssäle in deutschen Frauenkliniken in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses in Sterilisationssäle."
schreibt der Heidelberger Medizinhistoriker Wolfgang Uwe Eckart in seinem Buch "Medizin in der NS-Diktatur". NS-Ministerialrat Arthur Gütt:
"Die deutsche Regierung geht damit anderen Völkern voran, sie gibt ihnen ein Beispiel das in der ganzen Welt Beachtung finden wird. Vor allen Dingen aber ist die Reichsregierung sich dessen bewusst, dass das Gesetz nur der Anfang von weiteren bevölkerungs-politischen Maßnahmen sein darf."
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde nicht mehr "nur" zwangssterilisiert, jetzt wurde getötet. Mehr als 100.000 Patienten, darunter mindestens 5000 Kinder, wurden in deutschen Heil- und Pflegeanstalten bis Kriegsende zu Tode gespritzt, in mobilen Vergasungsstationen und Konzentrationslagern getötet, oder man ließ sie schlicht verhungern und verdursten. Nach dem Krieg befahl die sowjetische Militäradministration am 8. Januar 1946 in ihrer Zone die Aufhebung des Gesetzes, und auch in der DDR blieb es dabei. In der jungen Bundesrepublik hingegen galt das Gesetz auch nach 1949 fort.
Noch im Jahr 1961 vertrat der zuständige Bundestagsausschuss die Auffassung, dass das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" kein typisch nationalsozialistisches Gesetz gewesen sei. Schließlich habe es auch in demokratischen Ländern ähnliche gegeben. Gleich drei Professoren, die während der NS-Zeit an der Umsetzung beteiligt gewesen waren, dienten hier als Sachverständige. Damit hatten Zwangssterilisierte auch keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen. Erst 1988 beschloss der Deutsche Bundestag nach langen Diskussionen die Zahlung einer einmaligen Abfindung von rund 5.000 DM. Und erst im Jahr 2007 wurde das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom Bundestag ganz offiziell geächtet.