Schlafende Männer
von Martin Crimp
Regie: Katie Mitchell
Mit: Paul Herwig, Josefine Israel, Tilman Strauß, Julia Wieninger
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Kein Frieden im Krieg der Geschlechter
Martin Crimps "Schlafende Männer" zeigt starke Frauen und schwache Männer. Oder doch eher umgekehrt? Regisseurin Katie Mitchell fügt dem filigranen Stück ein blutiges Ende hinzu. Und steigert damit die Wirkung des Stückes noch weiter.
Reifes Paar trifft junges Paar, und die Kampfzonen mischen sich schnell im Getümmel der Geschlechter und Generationen. Vor über einem halben Jahrhundert wilderte Edward Albee bei August Strindberg und verwandelte das Ehe-Gefängnis aus dem "Totentanz" des Schweden in das Feine-Leute-Wohnzimmer in amerikanischer Provinz, als er "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" schrieb. Jetzt sucht und findet der englische Dramatiker Martin Crimp neue Bilder und Geschichten für das unauflösliche Drama zwischen Mann und Frau, indem er Albees Motive ins Hier und Heute überträgt.
Zudem gab ihm die vor vier Jahren verstorbene österreichische Malerin Maria Lassnig Orientierung. "Schlafende Männer" heißt Lassnigs Bild aus dem Jahr 2006, das ein maskulines Quintett in völliger Entspannung zeigt. Ob irgendetwas brennt und brodelt unter dieser Oberfläche und was eigentlich aus den Frauen dieser Männer geworden ist - wer weiß?
Männer und Frauen probieren aneinander Emotionen aus
Die Figuren im Stück tragen die Namen des Hamburger Uraufführungsensembles - Julia ist Julia Wieninger; sie, die erfolgreiche Kunsthistorikerin ohne Kind, eröffnet die Schlacht frontal. Paul, Paul Herwig, steht ihr eher schwach gegenüber - dabei ist auch er ganz oben angekommen: er kreiert an Computern "Dance-Music" für Diskotheken. Josefine (Josefine Israel) ist Julias neue Assistentin und ganz unbekümmerte Jugend auf dem Weg nach oben; und sie bringt Tilmann mit, Tilmann Strauß, der "nur" ein Top-Möbeltischer ist und (wie Paul) Probleme hat mit dem Selbstwertgefühl.
Starke Frauen, schwache Männer - sie probieren miteinander und aneinander Emotionen aus; überschreiten gelegentlich auch unsichtbare Grenzen - die junge Josefine etwa boxt dem älteren Paul die Nase blutig in eigentlich nur gespieltem Kampf. Gelegentlich verlässt einer (oder eine) auch das überaus edle Großbürger-Wohnzimmer von Paul Eales, um auf den Balkon hinaus zu treten, und Tilmann balanciert auch schon mal auf der Brüstung - die Gefahr, der Tod, ist immer in der Nähe. Zu Beginn verbünden sich die Frauen und nehmen auf dem Weg zum Kiosk einen Drink in der Bar; am Ende finden die Männer spürbar zueinander und besuchen Pauls Musik-Maschinen im Studio nebenan. Als sie zurück kehren und ins Schlafzimmer wanken, schleicht Julia ihnen nach, mit einem Küchenmesser in der Hand.
Das steht so nicht bei Crimp. Katie Mitchell gibt dem filigran gestrickten Stück das blutige Finale. Denn da keiner der Kerle mehr auftaucht, hat die starke Frau wohl beide getötet.
Starke Frau? Ach was. Gerade hat einer der Künstler, über die die Fachfrau Bücher schreibt, sie aus purer Eitelkeit zu zentralen Änderungen in einem Text genötigt. Rächt Julia sich mit dem Doppelmord am Mann an sich? Den neuen Text jedenfalls lässt Julia von Josefine zurechtredigieren am Computer. Kein Problem.
Katie Mitchell zerstört jeden möglichen Frieden
Crimps Text spielt virtuos mit den Motiven - denen von Albee (wo ja auch immerzu von einem Kind die Rede ist, das es nicht oder noch nicht gibt - hier ist wohl Josefine schwanger) und denen von Lassnig, die bis in einzelne Posen des Männer-Paars nachempfunden sind. Katie Mitchell verpasst diesem Text ausnahmsweise mal nicht die hoch entwickelte mediale Raum- und Bild-Struktur, die sonst fast immer ihre Arbeiten prägt.
Keine Videokamera spielt mit, kein Bildschirm nirgends. Gelegentlich allerdings verlangsamt sie das Spiel zu einer Art filmischer Zeitlupe, mal für alle auf der Bühne, mal nur für einzelne Paare oder Teile davon. Und es sieht so aus, als markierten diese Momente der Verlangsamung eine Art Chance - könnte die Geschichte in diesen Augenblicken auch eine andere Richtung nehmen?
Kann sie nicht. Die Kampfzone bleibt, wie sie war: Frau gegen Mann. Bei Crimp schlafen die Männer vielleicht tatsächlich noch im Nebenzimmer, betrunken und zufrieden, während die Frauen schon wieder arbeiten, wenn auch weder bloß wieder an der eigenen Unterwerfung. Katie Mitchell zerstört jeden möglichen Frieden - wenn schon die Frauen ihn nicht finden, steht er auch Männern nicht zu. Stark ist das Stück, stärker noch die Inszenierung.