Schlafmangel

Weg mit den Weckern!

Ein Stapel Wecker, aufgeschüttet während der Klimakonferenz in Barcelona im November 2009. "tck tck tck" hieß die Kampagne, an der sich 200 zivile Organisationen inklusive dem Roten Kreuz oder Amnesty International, Greenpeace und andere beteiligten.
Der lebenswichtige Schlaf hat in der westlichen Leistungsgesellschaft zu Unrecht keinen guten Ruf. © Lluis Gene / AFP
Von Michael Lange |
Der Neurobiologe Peter Spork versteht sich als Anwalt für mehr Schlaf. Er plädiert für Gleitzeit für Arbeitnehmer, spätere Anfangszeiten für die Schulen und nicht zuletzt ein Ende von Zeitumstellung und Sommerzeit.
Wir alle schlafen zu wenig. Die Arbeit, die Freizeit und manchmal sogar der Medienkonsum sind uns wichtiger als die notwendige Regeneration. Die Zeitumstellung im Frühjahr und im Herbst raubt zusätzlich den Schlaf. Das hat erhebliche Folgen für die Gesundheit. Das Risiko für Gedächtnisstörungen, Übergewicht, Diabetes und Depression steigt, wenn es an Schlaf mangelt.
Der Neurobiologe Peter Spork erklärt verständlich und unterhaltsam die Gründe für unser Schlafbedürfnis. Dabei wird schnell deutlich: Der tägliche Schlaf ist keineswegs nur eine Ruhephase. Das Gehirn ist während des Schlafes hochaktiv. In verschiedenen Schlafphasen beschäftigt es sich mit den Ereignissen des Tages, verwaltet und verarbeitet sie. Dabei erfindet sich das Gehirn gewissermaßen täglich neu. Es räumt auf, knüpft neue Kontakte zwischen Nervenzellen, verstärkt andere und gibt wieder andere auf. Und dazu braucht das Gehirn Zeit.
Doch der lebenswichtige Schlaf hat in der westlichen Leistungsgesellschaft keinen guten Ruf. Wer viel schläft, verpasst das Beste. Vielen Berufstätigen und den meisten Jugendlichen fehlt täglich bis zu eine Stunde Schlaf. Das kann selbst ein Wochenende mit langem Ausschlafen nicht ausgleichen. Schülerinne und Schüler müssen in aller Frühe wach sein, wenn ihre innere Uhr auf Schlaf steht. Lehrer kennen das: In der ersten Stunde ist fast niemand geistig anwesend. Peter Spork fordert, den Schulbeginn auf neun Uhr zu verschieben, für Jugendliche wäre zehn Uhr noch besser. Das entspricht dem natürlichen Rhythmus der Heranwachsenden.
Sich auf die innere Uhr verlassen
"Wake up" ist nicht das erste Buch von Peter Spork zum Thema Schlaf. Bisher hat er Erklärungen geliefert und Ratschläge gegeben. Diesmal will der Autor aufrütteln und formuliert klare Forderungen: "Werft die Wecker!", fordert Peter Spork und mahnt, dass jeder Mensch sich auf seine innere Uhr verlassen und ihr folgen soll. Als Anwalt für mehr Schlaf zitiert er zahlreiche Experten, beschreibt persönliche Beobachtungen und fasst wissenschaftliche Studien zusammen.
Auch wenn sich einige Argumente wiederholen und nicht alles, was Peter Spork thematisiert, neu ist, kommt sein unterhaltsames Buch genau zum richtigen Zeitpunkt. Mehr noch man spürt, seine Forderungen liegen ihm am Herzen: Gleitzeit für Arbeitnehmer, spätere Anfangszeiten für die Schulen, die Abschaffung unnötiger Schichtarbeit und nicht zuletzt ein Ende von Zeitumstellung und Sommerzeit. Im Sommer bleiben viele Schüler und Arbeitnehmer länger wach, ohne morgens später aufzustehen. Das raubt täglich eine Stunde Schlaf, ohne dass die Sommerzeit einen erkennbaren Nutzen bringt. Der Weg in die "ausgeschlafene Gesellschaft", den der Autor vorschlägt, ist sicher noch weit, aber dieses Buch ist ein wichtiger Anfang.

Peter Spork: Wake up! – Aufbruch in eine ausgeschlafene Gesellschaft
Hanser Verlag, München 2014
248 Seiten, 18,90 Euro

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