Ein geniales Ekel wird 80
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Bandkollege Eric Clapton nannte ihn "krass asozial": Der Schlagzeuger Ginger Baker ist berüchtigt für seine aufbrausende Art, aber auch berühmt für sein Rhythmusgefühl. Jetzt wird er 80 – und gilt bis heute Vielen als der Beste seines Fachs.
Vielleicht hat ihn das Trauma des Kriegskindes besonders hart erwischt: Er erinnere sich an die Geräusche des Bombenhagels, sagt er, und: "Ich liebe Explosionen!"
Peter Edward Baker, wegen seiner roten Haare "Ginger" genannt, verdrosch immer wieder mal unliebsame Bandkollegen und beleidigte so ziemlich jedermann. Als "Zwangscharakter" beschrieb deshalb Eric Clapton den Trommler, der ihn wiederum seinen besten Freund nennt, und als "krass asozial" – außer, natürlich, wenn er über das Schlagzeug mit anderen Menschen agierte. Dann bewunderten alle Bakers musikalisches Genie, sein Gefühl für den Rhythmus und eben seine Explosivität an den Drums.
Vom Klavier zum Heroin
Angefangen hatte er mit Klavier und Trompete, aber mit 17 Jahren wechselte er zum Schlagzeug: damals noch recht brav, in Traditional-Jazz-Bands mit Wurzeln im Dixieland. Als ihm das zu langweilig wurde, ließ er sich vom Schlagzeugstar Phil Seamen Modern Jazz beibringen – und leider auch, wie man Heroin anwendet.
Das swingende Improvisieren gefiel ihm jedenfalls recht gut. Aber als Ende der 50-er um Alexis Korner die englischen Bluesbands entstanden, da stellte Baker sein Schlagzeug doch lieber auf die Bühnen der energetischen elektrischen Gitarren – auch wenn die Verstärker einem die verfluchten Ohren kaputt machten, wie er heute schimpft. Jaja, und eine der ersten Bands, die hemmungslose Lautstärke propagierten, hatte er selbst mitgegründet: Cream.
Dieser Zusammenschluß bekannter Musiker – Baker, Eric Clapton und Jack Bruce – galt als erste Supergroup der Rockgeschichte, und sie veränderte die Musik! Erstmals waren in einem Rocktrio alle Instrumente gleichberechtigt, alle spielten immer wieder ausufernde, improvisierte Soli. Und Ginger Baker machte zudem das mächtige Gepolter mit zwei Fußpauken beliebt und riesige Schlagzeuge mit vielen Trommeln und Becken für seine Polyrhythmen.
Leider geriet der Trommelstar immer wieder mit dem großartigen, aber kunst- und schönheitsbeflissenen Bassisten Jack Bruce aneinander, auch handgreiflich, denn er fühlte sich als scheinbar stumpfer Trommelzuarbeiter schlecht behandelt – weshalb Cream nach zwei Jahren auseinanderbrach.
Auf Cream folgte die nächste Supergroup
Bakers nächste Supergroup Blind Faith mit Clapton und Stevie Winwood zerfiel nach einem Album und ein paar Konzerten, und seine Afro-Rock-Bigband, Ginger Baker’s Air Force mit zwei Schlagzeugern und einem Perkussionisten, wurde auch nach einem Jahr 1971 wieder aufgelöst.
Doch weil er jetzt ganz auf die afrikanischen Rhythmen abgefahren war, ging Baker für sechs Jahre nach Nigeria, betrieb in Lagos ein Musikstudio, ein Restaurant und einen Nachtclub, und er machte Musik zusammen mit dem Afrobeat-Erfinder Fela Kuti.
Als ihn die Stadtregierung von Lagos schließlich verjagte, lebte der Meistertrommler eine Zeit lang mit seiner zweiten Frau in einer Berghütte in Italien und gewöhnte sich das Heroin ab, zog dann nach Kalifornien, nach Colorado, schließlich nach Südafrika und zuletzt wieder vor ein paar Jahren nach Canterbury. Und auch weil er immer wieder mal sein ganzes Vermögen verlor – durch kostspielige Hobbies wie seine Polopferde-Zucht –, musste er immer wieder kurzlebige neue Projekte starten. Zuletzt spielte er immer wieder mal mit bekannten Jazzmusikern auf Tourneen und Alben und schimpfte über die Rockmusiker, die nur dazu da sind, in einer talentfreien Zone Ruhm und Geld anzuhäufen, und die ihn von seinem Platz verdrängt hatten. So sieht er das jedenfalls.
Doch obwohl er seit Jahren an einer Lungenkrankheit und Arthrose in den Gelenken leidet und nach einer Herz-OP zwei Jahre aussetzen musste, hört er mit dem Trommeln nicht auf: Denn vielen gilt Ginger Baker noch heute als der Beste seines Fachs – obwohl er allen, die je mit ihm zu tun hatten, als ausgemachtes Ekel bekannt ist. Aber nun ja: Schlagzeuger werden nicht zwingend verehrt, weil sie sich gut benehmen.