Alle sind Schuld!
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Das Austragen von Paketen ist kein Spaß. Wer trägt die Verantwortung für die miesen Arbeitsbedingungen in der Branche? Klare Antwort vom Wirtschaftsethiker Michael Aßländer: die Versandhändler, die Paketdienste, die Politik. Und wir, die Kunden.
Die Deutsche Post DHL stellt an diesem Donnerstag ihre Bilanz für 2018 vor. Ein Umsatztreiber war in den vergangenen Jahren der Paketversand - die Zuwächse beim Online-Handel sind nach wie vor immens. Immer mehr Bestellungen, immer mehr Sendungen: Die Arbeitsbedingungen in der Branche hat das nicht verbessert.
Zeitdruck, miese Verträge, schlechte Bezahlung
Wir alle wissen von großem Zeitdruck, miesen Verträgen, schlechter Bezahlung. Zugleich verstopfen Lieferautos die Innenstädte. Sind wir als Besteller und Kunden, die das System am Laufen halten, dafür verantwortlich? Müssen wir unser Einkaufsverhalten ändern? Wer trägt die Schuld daran, dass die Paketzusteller unter teils unzumutbaren Arbeitsbedingungen leiden?
Der Sozialwissenschaftler und Wirtschaftsethiker Michael Aßländer hat eine klare Antwort: alle. Versandhandel und Paketdienste, die Kunden, der Gesetzgeber: Jeder könnte dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Der Versandhandel gehe "unverantwortlich" mit dem Thema Lieferung und Fracht um, kritisierte Aßländer im Deutschlandfunk Kultur.
Zugleich treffe aber auch die Kunden eine Teilschuld. Denn niemand brauche wirklich Übernacht-Zustellungen. Und von Ausnahmen abgesehen müsse auch niemand einen Lieferservice überhaupt in Anspruch nehmen, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik. Den Gesetzgeber wiederum forderte Aßländer auf, die Regelungen für die Auftragsvergabe an Subunternehmer bei den Paketdiensten genau unter die Lupe zu nehmen.
Starke Konkurrenz von Fahrern aus Osteuropa
Die Leidtragenden des Systems seien die Dienstleister und insbesondere die Fahrer, sagte Aßländer. Zum Zeitdruck und der immer größer werdenden Anzahl an Paketen kommen als Belastungsfaktoren die Auslagerung von Aufträgen an Subunternehmer und eine starke Konkurrenz von Fahrern aus Osteuropa hinzu, die im deutschen Paketmarkt ihr Heil suchen.
"Wir reden sehr viel über Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in der Dritten Welt, wir reden aber sehr wenig über die Arbeitsbedingungen derartiger im Schatten stehender Berufe hier in Deutschland", sagte Aßländer. Man nehme solche prekären Jobs in der Öffentlichkeit kaum wahr, kritisierte er.
(ahe)