Dieter Bub, Publizist und Buchautor, verbrachte seine Kindheit und Jugend in der DDR. Zwischen 1979 und 1983 war Korrespondent des "Stern" in Ostberlin. Nach 1990 realisierte er für den NDR und den MDR große Dokumentationen zur Geschichte der DDR.
Mein Leben mit Herrn Müller
Dieter Bub bekam vor zwei Jahren einen Herzschrittmacher. Bisher verstanden die beiden sich prächtig − doch jetzt ist das Verhältnis gestört, seit Bub erfuhr, dass in großem Stil minderwertige Implantate, Herzklappen und Schrittmacher eingesetzt werden.
Bis vor einer Woche lebten Herr Müller und ich in bester Kooperation. Er besaß mein grenzenloses Vertrauen, er war präzise wie ein Uhrwerk. Herr Müller tickt nach wie vor richtig – Herr Müller ist mein Herzschrittmacher. Gelegentlich habe ich in den vergangenen zwei Jahren mit ihm gesprochen. Es waren die Momente, wenn er sich einschaltete und meinem Herzen die Sporen gab. So kam ich auf Trab. Dann meinte ich: "Holla, mein Alter, super. Du gefällst mir."
Schrittmacher brachte alte Frische zurück
Ich habe den Schrittmacher nach meinem Großvater benannt, der vor 60 Jahren an Angina Pectoris starb. Damals gab es weder Herzkatheder noch Schrittmacher, ganz zu schweigen von Medikamenten. Heute könnte ihm geholfen werden.
Auch ich habe es seit längerem, wie es heißt, "mit dem Herzen", jenem Muskel, der den ganzen Laden bis in die letzten Kapillaren mit Blut versorgt. Als die Pumpe nachließ, gab es Kardiologen, die sich meiner annahmen. Zunächst wurden als erstes an die hundert unregelmäßige Herzschläge, Sistolen, aufwändig entfernt.
Das brachte Erleichterung und bannte drohende Gefahren. Trotzdem kam das Herz nicht richtig in Schwung. Das änderte sich mit dem Einbau Müllers in meiner linken Körperhälfte, eine Handbreit unter der Schulter. Die Implantation war mit einem kleinen Schnitt erfolgt, wieder zugenäht, basta. Ich erhielt alte Frische zurück, bin jeden Tag bis zu eine Stunde mit dem Hund unterwegs, gehe schwimmen, schwitze in der Sauna.
Skepsis gegenüber dem Implantat
Vor einer Woche hat sich die Beziehung zwischen Müller und mir verändert. Dem Vertrauen ist Skepsis gefolgt. Schuld daran sind gefährliche Implantate, mit denen Konzerne bisher offenbar das große Geschäft machen.
Zunächst war es der Skandal um Brustimplantate, jetzt haben Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" mit internationalen Partnern über vermeintliche Hilfsmittel berichtet, die ungeprüft schwere Schädigungen zur Folge haben können. Betroffen sind Bandscheiben und Hüftprothesen, Defibrillator-Modelle, Insulinpumpen und auch Herzschrittmacher.
Die Batterie eines Herzschrittmachers beendet, wie man lernen konnte, manchmal statt nach zehn nach drei Jahren ihren Dienst – Stillstand. Mit Glück wird die Batterie ausgetauscht.
Was ist mit mir? Sicher kann ich dem Spezialisten unter den Ärzten vertrauen, der diesen Eingriff operativ vorgenommen hat. Das ist längst Routine. Aber: Was ist mit meinem Schrittmacher?
Wie zuverlässig ist dieser Fremdkörper?
Mein Körper signalisiert mir klar, wenn er seinen Betrieb aufnimmt. Ist es aber korrekt, wenn er anspringt und hektisch pumpt, obwohl ich nur die Treppe in den ersten Stock emporgestiegen bin? Das Gerät könnte sich irren. Wie zuverlässig ist er eigentlich, dieser Fremdkörper in meinem Körper? Stammt er von einem der Geschäftemacher und Scharlatane, die mit minderwertigen Produkten, mit preiswerter B-Ware handeln?
Die Ergebnisse der Recherchen zu den Skandalen haben als Nebenwirkung Verunsicherung gebracht. So bleibt mir die Hoffnung, dass mit meinem Herrn Müller alles in Ordnung ist – und er nach zwei auch die folgenden acht Jahre durchhält. Und dass es in Zukunft unabhängige Kontrollen für Implantate geben wird.
Vielleicht benötige ich später noch eine künstliche Herzklappe. Die sollte nach Möglichkeit nicht zerfallen und ihre Teile in meine Blutbahn schicken.