Schlechte Nachrichten fürs Klima
Johannes Remmel, der grüne Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, ist davon überzeugt, dass die Strompreise nicht am Ausbau der Erneuerbaren Energien hängen. Das Problem sei vielmehr, dass sich Neuinvestitionen in flexible, dezentralere Kraftwerke nicht rentieren.
Korbinian Frenzel: Mal eben kurz die Welt retten – das geht leider nur in Liedern. Im echten Leben ist das ein mühsames Werken, das sich in Warschau gerade Vertreter von 195 Staaten machen. Die Weltklimakonferenz findet da gerade statt, die 19. ihrer Art. Allzu viel, das wissen wir jetzt schon, wird sie nicht bringen, weswegen wir an dieser Stelle Warschau Warschau sein lassen und Düsseldorf aufrufen. Da am Telefon ist jetzt nämlich der Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel von den Grünen. Guten Morgen!
Johannes Remmel: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Frenzel: Sie stellen heute den NRW-Umweltbericht vor. Ein zentrales Thema ist da auch der Klimawandel, und wenn ich es richtig vorab gelesen habe, haben Sie auch keine guten Nachrichten fürs Klima. Der CO2-Ausstoß in NRW geht nach oben, oder?
Remmel: Genau. Wir haben das erste Mal seit einer längeren Zeit die Feststellung, dass der CO2-Ausstoß nach oben geht. In Tonnagen ausgedrückt heißt das, von 301 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten auf gut 305 Millionen Tonnen. Das hat damit was zu tun, dass es eine Verschiebung gibt gerade in dem Energieland Nordrhein-Westfalen hin zur Braunkohle, weil der Strommarkt – das ist jetzt meine Analyse – nicht funktioniert. Da wird der umweltschädlichste fossile Energieträger, Braunkohle, zurzeit nach den erneuerbaren am besten behandelt. Und das führt eben dazu, dass es hier eine besondere Auslastung unserer Braunkohlekraftwerke gibt.
Frenzel: Aber Herr Remmel, jenseits der Details - die Kohle, auf die kommen wir auf jeden Fall gleich noch - generell die Frage: Wenn ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen im reichen Deutschland, zumal noch von Rot-Grün regiert, es schon nicht schafft, die Emissionen zu reduzieren, was können wir denn dann eigentlich ernsthaft von Ländern wie China oder Indien erwarten?
Remmel: Na ja, wir machen uns auf den Weg von unten. Wir haben ein Klimaschutzgesetz in diesem Jahr verabschiedet, wir sind zurzeit mit über 400 Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und Institutionen im Gespräch. Wir machen einen, glaube ich, deutschlandweit, aber auch europaweit einzigartigen Beteiligungsprozess, um das zu machen, was die Ethikkommission der Bundesregierung formuliert hat, nämlich eine Gemeinschaftsaufgabe aus Klimaschutz und Energiewende, und da werden wir im Frühjahr dann ein entsprechendes Maßnahmenpaket vorlegen. Das wird nur auf die Strecke gehen, wenn alle mitmachen, wenn von unten das Ganze wächst. Und da bin ich guter Dinge, wenn ich in meine Kommunen schaue in Nordrhein-Westfalen, da bewegt sich sehr viel, und das müssen wir zusammenbinden, und dann werden wir das schaffen.
Frenzel: Okay, von unten mag vielleicht Einiges passieren. Wenn Sie mal einfach an Ihren Kabinettstisch schauen, da sitzt Hannelore Kraft, die war ja jetzt auch viel in Berlin unterwegs, und man hatte den Eindruck, sie ist da auf einmal der neue Kohle-Engel und hat mit Klimaschutz gar nicht mehr so viel am Hut. Haben Sie da einen Streit in Ihrer Landesregierung, der sich anbahnt?
Remmel: Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine gute Koalitionsvereinbarung, und da werden wir sehr genau darauf achten, dass wir das auch umsetzen. Das wird natürlich schwieriger, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Und da muss ich schon sagen, bin ich einigermaßen enttäuscht, weil das, was eigentlich geregelt werden müsste, nämlich, dass der Strommarkt wieder funktioniert, das kann ich derzeit jedenfalls nicht erkennen. Das eigentliche Problem sind ja nicht die Erneuerbaren, da wird immer ein bisschen Sündenbocktheorie gemacht. Ich bin der festen Überzeugung, wenn wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz jetzt nur mal theoretisch abschaffen würden, würde der Strompreis nicht sinken. Wir haben ein Problem am Strommarkt, dass sich Neuinvestitionen nicht rentieren und deshalb nicht investiert wird in flexiblere, dezentralere Kraftwerke, die wir dringend brauchen so ab dem Zeitpunkt 2018, 2019. Spätestens dann werden wir auch neue Speicher brauchen und neue Netze, und das sind die Aufgaben, die jetzt anstehen, die man jetzt regeln müsste über einen funktionierenden Energiemarkt, Strommarkt. Und das kann ich derzeit nicht erkennen, und das enttäuscht mich schon.
Frenzel: Das können Sie nicht erkennen, aber ist es auch eine Kritik zum Beispiel an Hannelore Kraft? Die hat sich ja ganz klar dagegen ausgesprochen, bei der Kohle zum Beispiel einzusparen, bei der Kohleförderung.
Johannes Remmel: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Frenzel: Sie stellen heute den NRW-Umweltbericht vor. Ein zentrales Thema ist da auch der Klimawandel, und wenn ich es richtig vorab gelesen habe, haben Sie auch keine guten Nachrichten fürs Klima. Der CO2-Ausstoß in NRW geht nach oben, oder?
Remmel: Genau. Wir haben das erste Mal seit einer längeren Zeit die Feststellung, dass der CO2-Ausstoß nach oben geht. In Tonnagen ausgedrückt heißt das, von 301 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten auf gut 305 Millionen Tonnen. Das hat damit was zu tun, dass es eine Verschiebung gibt gerade in dem Energieland Nordrhein-Westfalen hin zur Braunkohle, weil der Strommarkt – das ist jetzt meine Analyse – nicht funktioniert. Da wird der umweltschädlichste fossile Energieträger, Braunkohle, zurzeit nach den erneuerbaren am besten behandelt. Und das führt eben dazu, dass es hier eine besondere Auslastung unserer Braunkohlekraftwerke gibt.
Frenzel: Aber Herr Remmel, jenseits der Details - die Kohle, auf die kommen wir auf jeden Fall gleich noch - generell die Frage: Wenn ein Bundesland wie Nordrhein-Westfalen im reichen Deutschland, zumal noch von Rot-Grün regiert, es schon nicht schafft, die Emissionen zu reduzieren, was können wir denn dann eigentlich ernsthaft von Ländern wie China oder Indien erwarten?
Remmel: Na ja, wir machen uns auf den Weg von unten. Wir haben ein Klimaschutzgesetz in diesem Jahr verabschiedet, wir sind zurzeit mit über 400 Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden und Institutionen im Gespräch. Wir machen einen, glaube ich, deutschlandweit, aber auch europaweit einzigartigen Beteiligungsprozess, um das zu machen, was die Ethikkommission der Bundesregierung formuliert hat, nämlich eine Gemeinschaftsaufgabe aus Klimaschutz und Energiewende, und da werden wir im Frühjahr dann ein entsprechendes Maßnahmenpaket vorlegen. Das wird nur auf die Strecke gehen, wenn alle mitmachen, wenn von unten das Ganze wächst. Und da bin ich guter Dinge, wenn ich in meine Kommunen schaue in Nordrhein-Westfalen, da bewegt sich sehr viel, und das müssen wir zusammenbinden, und dann werden wir das schaffen.
Frenzel: Okay, von unten mag vielleicht Einiges passieren. Wenn Sie mal einfach an Ihren Kabinettstisch schauen, da sitzt Hannelore Kraft, die war ja jetzt auch viel in Berlin unterwegs, und man hatte den Eindruck, sie ist da auf einmal der neue Kohle-Engel und hat mit Klimaschutz gar nicht mehr so viel am Hut. Haben Sie da einen Streit in Ihrer Landesregierung, der sich anbahnt?
Remmel: Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine gute Koalitionsvereinbarung, und da werden wir sehr genau darauf achten, dass wir das auch umsetzen. Das wird natürlich schwieriger, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Und da muss ich schon sagen, bin ich einigermaßen enttäuscht, weil das, was eigentlich geregelt werden müsste, nämlich, dass der Strommarkt wieder funktioniert, das kann ich derzeit jedenfalls nicht erkennen. Das eigentliche Problem sind ja nicht die Erneuerbaren, da wird immer ein bisschen Sündenbocktheorie gemacht. Ich bin der festen Überzeugung, wenn wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz jetzt nur mal theoretisch abschaffen würden, würde der Strompreis nicht sinken. Wir haben ein Problem am Strommarkt, dass sich Neuinvestitionen nicht rentieren und deshalb nicht investiert wird in flexiblere, dezentralere Kraftwerke, die wir dringend brauchen so ab dem Zeitpunkt 2018, 2019. Spätestens dann werden wir auch neue Speicher brauchen und neue Netze, und das sind die Aufgaben, die jetzt anstehen, die man jetzt regeln müsste über einen funktionierenden Energiemarkt, Strommarkt. Und das kann ich derzeit nicht erkennen, und das enttäuscht mich schon.
Frenzel: Das können Sie nicht erkennen, aber ist es auch eine Kritik zum Beispiel an Hannelore Kraft? Die hat sich ja ganz klar dagegen ausgesprochen, bei der Kohle zum Beispiel einzusparen, bei der Kohleförderung.
"Neuen Wein in alte Schläuche leiten"
Remmel: Man muss differenzieren. Die Ministerpräsidentin als Ministerpräsidentin sagt ja sehr deutlich, dass sie als stellvertretende Bundesvorsitzende in Berlin verhandelt. Die Ministerpräsidentin hat natürlich Wert darauf zu legen, dass an einem Industriestandort wie in Nordrhein-Westfalen es auch zukünftig noch möglich ist, gerade mit industriellen Lösungen sozusagen Ansätze zu bieten, um Klimaschutz zu betreiben. Wir brauchen leichtere Fahrzeuge, wir brauchen bessere Maschinen, effizientere Maschinen. Wir brauchen eine gute Logistikbranche. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine einzigartige Hochschullandschaft, also die besten Voraussetzungen. Und dafür steht auch die Ministerpräsidentin, aber wir müssen eben auch an den Umwandlungssektor gehen, und das ist die Stromwirtschaft. Das wird so nicht mehr gehen. Wir können nicht, wenn wir Energiewende ernst nehmen, sozusagen neuen Wein in alte Schläuche leiten. Das hat auch was mit einer Umstellung des Systems zu tun, das viel dezentraler wird. Und deshalb brauchen wir hier Investitionen, das ist der entscheidende Punkt.
Frenzel: Wenn Sie sagen, der Stromsektor muss sich ganz grundlegend verändern, dann verstehe ich Sie richtig, dass Sie auch – also der Niedergang von einem Großunternehmen wie RWE gar nicht schreckt, sondern dass Sie darin eher eine Chance sehen?
Remmel: Ich hab überhaupt kein Interesse an einem Niedergang. Das sind zwei große Player, die wir in Nordrhein-Westfalen haben, die ich auch gerne am Standort halten möchte, aber Energiewende heißt dezentrale Energieerzeugung, heißt dezentrale Versorgung, heißt neue Netze, heißt erneuerbare Energien. Und da muss sich ein Geschäftsmodell drauf einstellen. Und wir haben die Entscheidung, aus der Atomenergie auszusteigen, ja nicht erst seit 2011, sondern wir hatten sie schon mal 2002. Da haben aber gerade die großen Energieversorger darauf gesetzt, dass sie es irgendwie noch drehen können. Das ist gescheitert, insofern haben wir zehn Jahre verloren, und das ist genau das Problem heute, dass ein wenig das Geschäftsmodell, jedenfalls in Deutschland, fehlt.
Frenzel: Wir haben zehn Jahre verloren – also Sie meinen, Energieversorger haben auf die falschen Pferde gesetzt?
Remmel: Ja, wir haben insgesamt dadurch zehn Jahre verloren, weil wir natürlich über zehn Jahre kaum Investitionen in neue Strukturen hatten. Da ist irgendwo ein neues Umspeicherwerk entstanden, jetzt irgendwo in neue Kraftwerkskapazitäten, flexible Kraftwerkskapazitäten, die Strom und Wärme erzeugen, investiert worden beide RWE. Wir haben zurzeit in Nordrhein-Westfalen zwei große Investitionen in Nah- und Fernwärmekraftwerke in Köln und in Düsseldorf. Also, wenn man es richtig macht, geht es.
Frenzel: Das sagt Johannes Remmel, der Grünen-Politiker und Umweltminister von Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Remmel: Danke auch, schönen Tag noch!
Frenzel: Ebenso!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema bei dradio.de:
Koalitionsentscheidung? -"Offener als man glaubt"
Axel Schäfer, Landesgruppe der NRW-SPD: Entscheidung über Koalition fällen die SPD-Mitglieder
Heftige Kritik an Altmaier und Rösler
In Sachen EEG-Umlage plädiert NRW-Umweltminister Remmel für eine begrenzte Zahl von Ausnahmereglungen
Frenzel: Wenn Sie sagen, der Stromsektor muss sich ganz grundlegend verändern, dann verstehe ich Sie richtig, dass Sie auch – also der Niedergang von einem Großunternehmen wie RWE gar nicht schreckt, sondern dass Sie darin eher eine Chance sehen?
Remmel: Ich hab überhaupt kein Interesse an einem Niedergang. Das sind zwei große Player, die wir in Nordrhein-Westfalen haben, die ich auch gerne am Standort halten möchte, aber Energiewende heißt dezentrale Energieerzeugung, heißt dezentrale Versorgung, heißt neue Netze, heißt erneuerbare Energien. Und da muss sich ein Geschäftsmodell drauf einstellen. Und wir haben die Entscheidung, aus der Atomenergie auszusteigen, ja nicht erst seit 2011, sondern wir hatten sie schon mal 2002. Da haben aber gerade die großen Energieversorger darauf gesetzt, dass sie es irgendwie noch drehen können. Das ist gescheitert, insofern haben wir zehn Jahre verloren, und das ist genau das Problem heute, dass ein wenig das Geschäftsmodell, jedenfalls in Deutschland, fehlt.
Frenzel: Wir haben zehn Jahre verloren – also Sie meinen, Energieversorger haben auf die falschen Pferde gesetzt?
Remmel: Ja, wir haben insgesamt dadurch zehn Jahre verloren, weil wir natürlich über zehn Jahre kaum Investitionen in neue Strukturen hatten. Da ist irgendwo ein neues Umspeicherwerk entstanden, jetzt irgendwo in neue Kraftwerkskapazitäten, flexible Kraftwerkskapazitäten, die Strom und Wärme erzeugen, investiert worden beide RWE. Wir haben zurzeit in Nordrhein-Westfalen zwei große Investitionen in Nah- und Fernwärmekraftwerke in Köln und in Düsseldorf. Also, wenn man es richtig macht, geht es.
Frenzel: Das sagt Johannes Remmel, der Grünen-Politiker und Umweltminister von Nordrhein-Westfalen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Remmel: Danke auch, schönen Tag noch!
Frenzel: Ebenso!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema bei dradio.de:
Koalitionsentscheidung? -"Offener als man glaubt"
Axel Schäfer, Landesgruppe der NRW-SPD: Entscheidung über Koalition fällen die SPD-Mitglieder
Heftige Kritik an Altmaier und Rösler
In Sachen EEG-Umlage plädiert NRW-Umweltminister Remmel für eine begrenzte Zahl von Ausnahmereglungen