Schleichende Verbürgerlichung
Das Buch "Neonazis in Nadelstreifen" wirft einen Blick auf die verdeckten Strukturen der NPD und die zum Teil bedrohlich erfolgreichen Versuche des rechtsextremen Spektrums, sich in der bürgerlichen Gesellschaft zu etablieren. Es beschreibt unter anderem Wirtschaftsnetzwerke und die zunehmende Zahl von Frauen und Mädchen im rechtsextremen Milieu.
In Zeiten, in denen ein ehemaliger Mitarbeiter der rechtsgerichteten Zeitung "Junge Freiheit" um ein Haar Minister in Thüringen geworden wäre, erscheint das Buch von Röpke und Speit in völlig neuem Licht: Auch wenn Peter Krause nicht vorgeworfen werden kann, der NPD nahe gestanden zu haben, so bildet die "Junge Freiheit" doch genau jenes Scharnier zwischen Konservativen und Rechtsradikalen, das die NPD zunehmend benutzt, um ihre politische Arbeit demokratisch und bürgerlich erscheinen zu lassen. Wenn Röpke und Speit recht behalten und nichts gegen die Unterwanderung der etablierten Politik durch Rechtsextreme getan wird, wird Krause nicht der letzte derartige Fall bleiben.
Die NPD will raus aus der Schmuddelecke, das ist ihre Strategie seit den frühen Neunzigerjahren. Einerseits distanziert sie sich von den Altnazis, die diese Partei in den Sechzigerjahren gegründet haben, andererseits will sie sich in der Öffentlichkeit auch von Skinheads und anderen gewaltbereiten Gruppen absetzen. Dies geschieht den Autoren zufolge nur zum Schein, um der Partei einen biederen Anstrich zu geben. In Wirklichkeit speist sich die Partei aber immer noch aus genau diesen Gruppen, etwa den Freien Kameradschaften, die in der NPD ihre Springerstiefel gegen gut geputzte Straßenschuhe austauschen, ihre faschistische Gesinnung jedoch beibehalten. War die NPD vor 20 Jahren noch ein rechtsradikales Auslaufmodell, so ist sie heute Magnet und Sammelbecken für Radikale rechts der Union.
Das Buch gliedert sich in acht Kapitel, in denen je ein Aspekt dieses Weges in die Mitte der Gesellschaft beschrieben wird. Am interessantesten ist der Teil des Buches, der die intellektuelle Aufrüstung der Neonazis beschreibt: die Versuche, einen rechtsextremen Think Tank, die sogenannte "Dresdner Schule", zu gründen. Nicht nur an der Anlehnung an die Frankfurter Schule erkennt man, dass die Rechten zunehmend Handlungsmuster und Kampfformen der Linken übernehmen. Die NPD will möglichst angepasst und flexibel erscheinen, Provokation gehört nicht mehr zu ihrem Stil. Ihre neue Politiktaktik nennen sie "Wortergreifung": NPD-Funktionäre, teilweise rhetorisch geschult, mischen sich unter Diskussionsveranstaltungen, gern im lokalpolitischen Bereich, und "drehen sie um", sanft, Schritt für Schritt, führen sie langsam und teilweise Argumente ein, die in der Regel auf die Ausgrenzung von Ausländern abzielen und fremdenfeindliche und antisemitische Klischees bedienen, nicht selten, gerade in den neuen Bundesländern, mit antikapitalistischem Zungenschlag.
Die NPD würde sich allzu gerne als Anwalt der kleinen Leute etablieren – immer öfter finden sich ihre Mitglieder in politischen Basisgruppen, Bürgerinitiativen, Fördervereinen für Schulen und dergleichen mehr. Zu ihrer Zielgruppe gehören, gerade im Osten Deutschlands, jene ökonomisch an den Rand gedrängten Wendeverlierer, die auch das Klientel der Linkspartei bilden – wobei die NPD sie offen gegen Zugezogene und Ausländer ausspielt, auch wenn es die in den Gebieten, in denen es besonders viele rechts wählen, überhaupt nicht gibt.
Erhellend ist auch das Kapitel, in dem die Finanzierungsquellen der NPD offengelegt werden. Zusätzlich zur Wahlkampfkostenerstattung in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern, wo die Neonazis im Landtag sitzen, versuchen sie zunehmend, finanzielle Netzwerke zu bilden. Sie sprechen kleine Unternehmer, Handwerker und ähnliche an und werden selbst unternehmerisch aktiv, handeln mit Immobilien, machen Aktiengeschäfte. Das ist auch notwendig, denn die Quellen, durch die sich die NPD in der Vergangenheit finanzieren konnte, Altnazis, oft in Übersee, versiegen nach und nach. Auch im ökonomischen Bereich gilt: Die NPD unterwandert schrittweise bürgerliche Strukturen, ohne dass dies gleich zu erkennen ist.
Erschreckend ist das Kapitel, in dem gezeigt wird, wie die NPD Kinder propagandistisch zu prägen versucht, oft in geheimen Ausbildungslagern, in denen ihnen "Soldatentum" anerzogen werden soll. Bemerkenswert ist auch ihre Strategie, junge Frauen in die traditionell von Männerbünden beherrschte Partei einzubinden – Umfragen haben gezeigt, dass junge Frauen aus unteren sozialen Schichten noch zugänglicher für rechtsradikale Propaganda sind als Männer ihres Alters. Die NPD versucht also, ausländerfeindliche Vorurteile anzusprechen und kombiniert dies mit einem modernisierten völkischen Frauenbild, das durchaus Gleichberechtigung der Geschlechter, etwa im Berufsleben, zulässt – jedenfalls zum Schein.
Andrea Röpke und Andreas Speit sind Journalisten, die seit Jahren akribisch in der rechten Szene recherchieren. Ihr Buch besticht durch Sachlichkeit und Genauigkeit, hütet sich dabei vor pauschalen Urteilen. Es könnte zum Standardwerk über die schleichende Verbürgerlichung der Neonaziszene und die damit einhergehenden Gefahren werden.
Rezensiert von Andreas Baum
Andrea Röpke / Andreas Speit: Neonazis in Nadelstreifen,
Ch. Links-Verlag 2008, 208 Seiten, 16,90 Euro
Die NPD will raus aus der Schmuddelecke, das ist ihre Strategie seit den frühen Neunzigerjahren. Einerseits distanziert sie sich von den Altnazis, die diese Partei in den Sechzigerjahren gegründet haben, andererseits will sie sich in der Öffentlichkeit auch von Skinheads und anderen gewaltbereiten Gruppen absetzen. Dies geschieht den Autoren zufolge nur zum Schein, um der Partei einen biederen Anstrich zu geben. In Wirklichkeit speist sich die Partei aber immer noch aus genau diesen Gruppen, etwa den Freien Kameradschaften, die in der NPD ihre Springerstiefel gegen gut geputzte Straßenschuhe austauschen, ihre faschistische Gesinnung jedoch beibehalten. War die NPD vor 20 Jahren noch ein rechtsradikales Auslaufmodell, so ist sie heute Magnet und Sammelbecken für Radikale rechts der Union.
Das Buch gliedert sich in acht Kapitel, in denen je ein Aspekt dieses Weges in die Mitte der Gesellschaft beschrieben wird. Am interessantesten ist der Teil des Buches, der die intellektuelle Aufrüstung der Neonazis beschreibt: die Versuche, einen rechtsextremen Think Tank, die sogenannte "Dresdner Schule", zu gründen. Nicht nur an der Anlehnung an die Frankfurter Schule erkennt man, dass die Rechten zunehmend Handlungsmuster und Kampfformen der Linken übernehmen. Die NPD will möglichst angepasst und flexibel erscheinen, Provokation gehört nicht mehr zu ihrem Stil. Ihre neue Politiktaktik nennen sie "Wortergreifung": NPD-Funktionäre, teilweise rhetorisch geschult, mischen sich unter Diskussionsveranstaltungen, gern im lokalpolitischen Bereich, und "drehen sie um", sanft, Schritt für Schritt, führen sie langsam und teilweise Argumente ein, die in der Regel auf die Ausgrenzung von Ausländern abzielen und fremdenfeindliche und antisemitische Klischees bedienen, nicht selten, gerade in den neuen Bundesländern, mit antikapitalistischem Zungenschlag.
Die NPD würde sich allzu gerne als Anwalt der kleinen Leute etablieren – immer öfter finden sich ihre Mitglieder in politischen Basisgruppen, Bürgerinitiativen, Fördervereinen für Schulen und dergleichen mehr. Zu ihrer Zielgruppe gehören, gerade im Osten Deutschlands, jene ökonomisch an den Rand gedrängten Wendeverlierer, die auch das Klientel der Linkspartei bilden – wobei die NPD sie offen gegen Zugezogene und Ausländer ausspielt, auch wenn es die in den Gebieten, in denen es besonders viele rechts wählen, überhaupt nicht gibt.
Erhellend ist auch das Kapitel, in dem die Finanzierungsquellen der NPD offengelegt werden. Zusätzlich zur Wahlkampfkostenerstattung in Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern, wo die Neonazis im Landtag sitzen, versuchen sie zunehmend, finanzielle Netzwerke zu bilden. Sie sprechen kleine Unternehmer, Handwerker und ähnliche an und werden selbst unternehmerisch aktiv, handeln mit Immobilien, machen Aktiengeschäfte. Das ist auch notwendig, denn die Quellen, durch die sich die NPD in der Vergangenheit finanzieren konnte, Altnazis, oft in Übersee, versiegen nach und nach. Auch im ökonomischen Bereich gilt: Die NPD unterwandert schrittweise bürgerliche Strukturen, ohne dass dies gleich zu erkennen ist.
Erschreckend ist das Kapitel, in dem gezeigt wird, wie die NPD Kinder propagandistisch zu prägen versucht, oft in geheimen Ausbildungslagern, in denen ihnen "Soldatentum" anerzogen werden soll. Bemerkenswert ist auch ihre Strategie, junge Frauen in die traditionell von Männerbünden beherrschte Partei einzubinden – Umfragen haben gezeigt, dass junge Frauen aus unteren sozialen Schichten noch zugänglicher für rechtsradikale Propaganda sind als Männer ihres Alters. Die NPD versucht also, ausländerfeindliche Vorurteile anzusprechen und kombiniert dies mit einem modernisierten völkischen Frauenbild, das durchaus Gleichberechtigung der Geschlechter, etwa im Berufsleben, zulässt – jedenfalls zum Schein.
Andrea Röpke und Andreas Speit sind Journalisten, die seit Jahren akribisch in der rechten Szene recherchieren. Ihr Buch besticht durch Sachlichkeit und Genauigkeit, hütet sich dabei vor pauschalen Urteilen. Es könnte zum Standardwerk über die schleichende Verbürgerlichung der Neonaziszene und die damit einhergehenden Gefahren werden.
Rezensiert von Andreas Baum
Andrea Röpke / Andreas Speit: Neonazis in Nadelstreifen,
Ch. Links-Verlag 2008, 208 Seiten, 16,90 Euro