Rücktritt von Patricia Schlesinger
Der RBB versucht, den Skandal um die zurückgetretene Intendantin Patricia Schlesinger aufzuarbeiten und betritt damit Neuland. © imago images / Michael Handelmann
Gelingt dem RBB eine kritische Berichterstattung?
16:29 Minuten
Seit Wochen hält die „Causa Schlesinger“ Medienwelt und Öffentlichkeit in Atem. Inzwischen hat sich auch der RBB selbst des Falles seiner nun Ex-Intendantin journalistisch intensiv angenommen.
Mittlerweile hat sich der Skandal im RBB ausgeweitet: Patricia Schlesinger ist zurückgetreten, der Generalstaatsanwalt ermittelt gegen die nun Ex-Intendantin.
Diskutiert werden neben Compliance-Verstößen Vorwürfe wegen Dienstwagenrabatten, Gehaltsboni, private, aber vom Sender finanzierte Abendessen oder Flugreisen. Nachdem die Vorwürfe Ende Juni zuerst vom „Business Insider“ veröffentlicht wurden, ist das Thema längst in vielen Medien angekommen – privaten und öffentlich-rechtlichen.
Mittendrin: der RBB selbst. Auch er hat sich der Affäre angenommen und versucht sich an einer Mischung zwischen Erklärung gegenüber dem eigenen Publikum und Recherche im eigenen Haus. Wenn große Institutionen und Firmen derart ins Rampenlicht geraten, muss man oft mit eisernem Schweigen rechnen.
„Vorgaben gibt es jetzt nicht“
Der RBB hat sich für das Gegenteil entschieden und lässt den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern völlig freie Hand, erklärt Dagmar Bednarek von der Freienvertretung des Senders. „Die Vorgaben gibt es jetzt nicht. Die hatte es auch vorher nicht gegeben, aber vorher gab es auch keine Berichterstattung“, erklärt sie.
In der Tat lässt sich beobachten, dass die geballte Schlagkraft des RBB erst mit dem Rücktritt Schlesingers so richtig in Fahrt kam. Vorher hatte nur das Medienmagazin von Radio Eins die Vorwürfe ausführlicher thematisiert.
Der inzwischen eingeschlagene Weg scheint aufzugehen: Auch, wenn das Unverständnis und die Kritik an Schlesinger groß sind, zumindest in der Medienbranche wird der Berichterstattung des RBB Respekt gezollt.
„Zunächst war ich tatsächlich ein bisschen verwundert, dass viel Berichterstattung nur von außen kam und vom RBB selber nicht so viel. Das hat sich aus meiner Sicht jetzt komplett umgedreht und der RBB versucht, da auch wieder so eine Art Hoheit zu bekommen oder zumindest selbst aktiv zu werden. Auch sehr erfolgreich, finde ich“, sagt Anna von Garmissen vom Leibniz-Institut für Medienforschung.
„Man merkt ihnen den Ärger und den Unmut an“
Es führt natürlich kein Weg daran vorbei, dass auch die journalistischen Abteilungen im RBB sich jetzt mit dem Thema beschäftigen, und ich finde das machen sie auch großartig. Aber auf der anderen Seite bezeichnen sie selber die Situation ja als bizarr – und man merkt ihnen den Ärger und den Unmut an.
Der RBB betrete in der Art und Weise des Vorgehens „in gewisser Weise Neuland“, sagt die Medienforscherin über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Mir ist kein Fall bekannt, in dem dann doch so schonungslos und offen Kritik geübt wird, in dem ein eigenes Rechercheteam eingesetzt wird, ganz öffentlich.“
Was sind die Gründe dafür, dass der RBB so handelt? „Das eine ist natürlich: die eigene Reputation retten, überhaupt den eigenen journalistischen Kern retten, weil jetzt natürlich viele Mitarbeitende in Sippenhaft genommen worden sind mit den Verfehlungen, vielleicht von einer oder von wenigen Personen“, erklärt sie.
Sie sieht eine weitere Motivation: „Das Signal in die eigene Belegschaft: Wir lassen uns jetzt hiervon auch nicht unterkriegen und wir machen unseren Job – und wir machen den Job gut.“
„Es braucht auch den Blick von außen“
Die Berichterstattung in eigener Sache sei wegen der vorprogrammierten Rollenkonflikte und der emotionalen Betroffenheit allerdings nur ein Teil der Aufarbeitung der Affäre Schlesinger. „Es braucht natürlich auch externe Stellen und den Blick von außen“, betont sie.
Es gibt verschiedene Rollenverständnisse und auch Erwartungen vom Publikum. Dazu gehört, auch unparteiisch zu beobachten – und das ist in diesem Fall einfach nicht möglich oder nur bis zu einer gewissen Grenze möglich.
Dass im föderal organisierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Zukunft auch gegenseitig kritischer aufeinander geschaut wird, hält Anna von Garmissen für einen guten Ansatz.
„Ich halte Binnenpluralismus für sehr wichtig und ich glaube auch, wir sollten uns da nicht alleine auf das duale System verlassen, dass also sämtliche Verfehlungen jeweils nur von dem anderen Systemteil aufgedeckt werden“, erklärt die Medienforscherin.
Sie bedauert, dass gerade am Medienjournalismus seit 20 Jahren gespart worden sei, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk: „Da wurden dann auch Programme zurückgefahren oder ins sehr späte Programm verlagert. Vielleicht wäre es besser, wenn man da noch mal darüber nachdenkt.“
(Marcus Richter, hum)
Hinweis zur Transparenz
An diesem Beitrag waren Marcus Richter (Autor), Hagen Terschüren (Redaktion) sowie Vera Linß und Martin Böttcher (Moderation) beteiligt. Alle vier haben schon frei für den RBB gearbeitet.