Schleswig-Holstein

Inseln ohne Insulaner

Eine Frau beobachtet eine über die Strandpromenade schlagende Welle.
Hohe Wellen schlagen über die Strandpromenade von Westerland auf Sylt. © Axel Heimken / picture alliance / dpa
Von Sebastian Parzanny |
Sylt, Amrum, Föhr – die nordfriesischen Inseln sind bei Urlaubern extrem beliebt. Für die dauerhaften Bewohner wird das wird das zum Problem. Explodierende Mietpreise verdrängen sie auf das schleswig-holsteinische Festland.
"Die Natur ist wunderbar, wir lieben Wind und Wasser und Meer." / "Für mich persönlich ist es die Freiheit, die ich hier mag: Wir sind in Kampen zum Golf spielen und dies und das, danach Fischbrötchen essen und bummeln." / "Man kann bummeln gehen, man kann nachmittags im Gogärtchen einen Kaffee trinken, das ist irgendwie alles so locker hier." / "Und dann kann man schöne Menschen und schöne Autos angucken - und man weiß gleich, wo man ist."
Nämlich auf Sylt - der nördlichsten Insel Deutschlands, Urlaubsparadies für Tausende, die ihre schönsten Wochen des Jahres an den Stränden von Westerland, Kampen, List und Hörnum verbringen. Nach dem Faulenzen im Strandkorb geht es meist zum Shoppen und Speisen in die Boutiquen und Restaurants: Mehr als drei Millionen Euro nehmen die Unternehmen auf Sylt pro Tag ein. Das Image der Insel der Schönen und Reichen prägt die Insel. Doch es gibt auch eine andere Seite: Die der Insulaner, der Menschen, die auf Sylt geboren sind, die ihre Familien auf der Insel haben und ihr Geld auch auf der Insel verdienen müssen.
Wie Annika Knudsen und Jan Rehm. Das junge Paar lebt in einem ausgebauten Schuppen, der an einen Carport gebaut wurde: auf rund acht Quadratmetern! Ein Bett, zwei Stühle, eine Kochnische, ein Mini-Bad. Für mehr ist klein Platz. Ihre Kleidung lagern die beiden in Tüten unter dem Bett. Ständig gibt es Probleme im Alltag.
Annika: "Mit den Klamotten, mit dem Kochen, ich rege mich jeden Morgen auf. Man stößt ständig irgendwo an, es gibt keinen Stauraum, eigentlich ist alles ein Problem."
Jan: "Es ist doch alles sehr zweckgebunden und erinnert eigentlich mehr an eine Art Dauercamping."
Die Geburtenstation ist geschlossen
Immer wieder haben die beiden ihre Freunde gefragt und natürlich auch im Internet gesucht, doch eine bezahlbare kleine Wohnung gibt es nicht auf Sylt. Die Vermieter verlangen zwischen 20 und 25 Euro Miete pro Quadratmeter. Für den Verkäufer und die Mitarbeiterin einer Reinigung ist das nicht zu bezahlen. Schweren Herzens haben sie nun einen Entschluss gefasst: Sie wollen ihre Heimatinsel verlassen und aufs Festland ziehen. Für die gebürtigen Sylter gab es einen Anlass, der das sprichwörtliche Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat.
Jan: "Am 1.1., als die Geburtenstation geschlossen wurde, da war klar, dass wir wegmüssen, weil wir in einem Alter sind, in dem man zum ersten Mal über Nachwuchs nachdenkt, über Familiengründung, und nun wurde auch noch in Morsum die Grundschule geschlossen. Das macht auf lange Sicht einfach alles keinen Sinn mehr hier."
Annika: "Es sind gemischte Gefühle, teils ist man traurig, dass man gehen muss, man ist aber auch froh, dass man das hier hinter sich lässt mit den teuren Mieten, die Touristen, die manchmal nerven, aber irgendwie bin ich schon traurig, denn ich hätte gern meine Kinder auf meiner Insel großgezogen."
Kinder bekommen können Frauen auf Sylt nicht mehr. Zumindest nicht in einer Klinik: Trotz heftiger Proteste und Demonstrationen hatte der Gesundheitskonzern Asklepios Anfang des Jahres die Geburtenstation der Nordseeklinik in Westerland geschlossen. Seitdem müssen schwangere Sylterinnen aufs Festland reisen, um ihre Babys zu bekommen.
Lars Schmidt ist Kommunalpolitiker in Westerland. Der Familienvater gilt auf seiner Heimatinsel als Querkopf. Nachdem die Geburtenstation geschlossen wurde, hat er das Land Schleswig-Holstein verklagt. Per einstweiliger Verfügung wollte er erreichen, dass die Station als Teil der medizinischen Grundversorgung erhalten bleibt. Erfolg hatte er damit nicht. Aber die Klage hat ihm viel Zuspruch auf der Insel eingebracht.
Auf dem Weg zum Freizeitpark
Mit einer anderen Idee polarisiert er allerdings: Er fordert seit Langem, dass die ehemaligen Kasernengebäude in der Nähe von Tinnum zum Dauermietraum umgebaut werden. Seiner Ansicht nach könnten auf dem Gelände tausende kleine Wohnungen entstehen. Die Idee findet keine politische Mehrheit. Lars Schmidt hat eine Vermutung warum:
"Natürlich verdienen viele Sylter auch ganz gut daran, dass sie ihre Angestellten in teuren, kleinen Wohnungen unterbringen. Diese Personalwohnungen gehören dann eben den Verwandten des Arbeitgebers. Oder die kaufen sich selbst Häuser und wandeln einen Teil des Angestelltengehaltes in eigenes, immobiles Gold um. Da werden zum Beispiel ehemalige Hotels zu Angestelltenwohnungen, und die gibt es sicher nicht geschenkt."
Lars Schmidt ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. Er macht die Sylter für die Entwicklung mitverantwortlich. Zum Beispiel weil sie die Häuser, die sie erben, für horrende Summen an Käufer vom Festland veräußern. Und die vermieten sie dann an Feriengäste. Seit der Finanzkrise hat sich das aber gewandelt: Heute stehen viele Häuser das ganze Jahr über leer.
"Wenn man das ganz drastisch sieht, dann sind wir auf dem besten Wege dahin, ein reiner Freizeitpark zu werden. So ähnlich wie einige Inseln in den USA, auf denen im Winter nur noch vielleicht die Sicherheitskräfte und die Hausmeister leben, so entwickelt sich das hier auch, denn wir haben ja nicht nur die Entwicklung zu immer weniger Einwohnern, sondern auch dahin, dass die Immobilien nur zeitweise genutzt werden, ansonsten stehen sie hier rum als Investment, einfach nur um Geld vor Inflationsrisiken zu schützen."
Rund 10.000 Zweitwohnungsbesitzer gibt es derzeit auf der Insel. Viele von ihnen sind nur wenige Wochen im Sommer auf Sylt. Ungefähr doppelt so viele leben dauernd in den fünf Inselgemeinden - noch: Mittlerweile wollen aber auch solche Bewohner wegziehen, bei denen Geld keine so große Rolle spielt.
Lars Schmidt: "Die Menschen hier sind schon grundsätzlich auf dem Sprung. Auch Menschen, die finanziell gut abgesichert sind und genug Wohneigentum haben. Viele sagen jetzt: Spätestens mit Eintritt des Rentenalters bin ich hier weg. Die sozialen Kontakte fehlen einfach, dass Vereinsleben ist nicht mehr intakt und so etwas."
Zwangsverpflichtungen bei der Feuerwehr
Diese Entwicklung zeichnet sich schon länger ab, besonders ganz im Norden der Insel. Seit 2005 ist die Feuerwehr der Gemeinde List keine freiwillige mehr, sondern eine "Pflichtwehr". Damals die Erste in Deutschland. Viele Dorfbewohner, die einst freiwillig dabei waren, sind längst aufs Festland gezogen. Irgendwann wurde Wehrführer Andreas Fließ dann zu einem Termin beim Bürgermeister eingeladen: Der Kreis Nordfriesland und das Innenministerium forderten dazu auf, Feuerwehrleute zu verpflichten, die Sicherheit im Ort gewährleisten. Der Wehrführer verschickte daraufhin Einberufungsbescheide an alle, die körperlich fit und unter 50 Jahre alt waren.
Andreas Kaumanns war einer der ersten 50 Einwohner, die ein solches Schreiben in ihrem Briefkasten fanden:
"Dann kommst du irgendwann nach Hause, öffnest den Briefkasten und hast einen Brief in der Hand in dem steht: Sie sind jetzt für sechs Jahre zwangsverpflichtet, bei der Feuerwehr, aufgrund Paragraf so und so. Da wird dann gleich ein Zwangsgeld angedroht, das liest sich nicht so toll. Ich musste vor lauter Wut und Enttäuschung erst einmal laufen gehen, bin auf den Deich und hab meinen Frust tatsächlich rausgeschrien. Weil ich wirklich sauer war!"
Doch es nutzte nichts: Eine Woche später gab es das erste Treffen der verpflichteten Feuerwehrmänner und -frauen in List. Zuerst habe eine eiskalte Stimmung geherrscht, sagt der Wehrführer:
"An dem Abend hatte ich wirklich Angst: Es saßen da diese Menschen, sie hatten eine Mischung aus Angst und Wut, sie wussten nicht, was sie erwartet, und ich stand vorne mit dem Bürgermeister. Sie waren stinksauer nach dem Motto "warum ich?", wir waren quasi die Gegner. Es gab eine ganz heiße Debatte. Im Laufe der Wochen und Monate haben wir uns aber zusammengerauft."
Noch immer herrscht in der Wehr ein Kommen und Gehen. Viele bleiben nur wenige Monate, finden keine richtige Wohnung und ziehen wieder weg. Andreas Kaumanns ist geblieben. Er hat mittlerweile richtig Gefallen an der Feuerwehr gefunden und ist Kassenwart. Er und der Gemeindewehrführer sind sich mittlerweile sicher: Auch eine Zwangsfeuerwehr kann die letzten echten Einwohner eines Ortes auf lange Sicht zusammenschweißen.
"Ja, bestimmt, das ist ganz sicher so. Wir sind ja nun wirklich nur noch eine Handvoll Lister. Ok, ein paar mehr schon, aber es ist so, dass die wirklichen Einwohner, die, die hier blieben, die sind dann eben auch hier bei uns."
Zwar sinkt die offizielle Einwohnerzahl von List weiter, doch die Stärke der Feuerwehr muss laut Gesetz gleich bleiben. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Zweitwohnungsbesitzer dazugekommen, und es wurde ein Hotel mit mehr als 300 Betten gebaut. Dadurch ist die absurde Situation entstanden, dass die wenigen echten Bewohner des Dorfes verpflichtet wurden, das Eigentum derjenigen zu schützen, die nur selten da sind.
Das KLM vermietet nur an Sylter
In einem schlichten Bürobau mitten in Westerland gibt es ein Amt, das in Deutschland einmalig ist. Das KLM, das kommunale Liegenschaftsmanagement, ist eine Sylter Spezialität. Seit den 90er-Jahren haben die Gemeinden der Insel so gut wie keine Grundstücke mehr an Privatinvestoren verkauft. Stattdessen bauen sie selbst Wohnungen. Rund 1000 sind es bis jetzt. Diese werden zu Quadratmeterpreisen zwischen 4 Euro 40 und 6 Euro 30 vermietet: an Sylter. Als solcher gilt, wer mindestens zwei Jahre lang seinen Hauptwohnsitz auf der Insel hat. Nach diesem Hauptkriterium folgt ein komplizierter Vergabeschlüssel.
Chef Markus Kopplin und ein Team von zwölf Mitarbeitern verwalten den Mangel:
"Es gibt verschieden Listen für die verschiedenen Wohnungstypen. Wenn dann eine dieser Wohnungen frei wird, geht es nach Dringlichkeit. Das bedeutet, nach einem Punkteverfahren werden die Menschen mit den schwierigsten Wohnverhältnissen in ein Vergabegremium genommen."
Und zwar immer die fünf Anwärter, die nach dem Punktesystem die besten Chancen auf die Gemeindewohnung haben. In der Jury entscheiden Koplin und drei weitere Mitglieder dann darüber, wer die Wohnung bekommt.
Zwischen 60 und 70 gemeindeeigene Wohnungen werden so pro Jahr vergeben. In allen weiteren KLM-Wohnungen leben seit Jahren feste Mieter. Auf Koplins Anwärterlisten stehen mehr als 200 Interessenten, viele mit Familie.
Täglich pendeln zwischen 3000 und 4000 Menschen über den Hindenburgdamm zu ihrer Arbeitsstelle: Verkäuferinnen, Bankangestellte. Auf der Insel gibt es für sie keinen Platz.
Die Bürgermeisterin der Gemeinde Sylt, Petra Reiber, sieht dennoch keinen Grund für Pessimismus. Die Politiker auf der Insel kümmerten sich seit Jahren um dieses Thema:
"Wir haben ein Wohnungsbauprojekt aufgelegt, das nennt sich 500plus. Also wir wollen sehr kurzfristig mindestens 500 Wohnungen im kommunalen Sektor realisieren. Wir sind gerade dabei, 226 davon zu bauen, teilweise sind die noch in der Planung, teilweise haben wir aber auch schon angefangen."
Die Häuser wird Petra Reiber in ihrer Amtszeit nicht mehr übergeben. Im Dezember sind auf Sylt Wahlen, nach fast 25 Jahren will sie nicht wieder antreten. Als eine Nachfolgerin wird die Ex-Unions-Politikerin Gabriele Pauli gehandelt.
Auf Föhr keine "Versyltung" gewollt
Die Nachbarinsel Föhr verzeichnet eine ähnliche Entwicklung. Nach Wyk pendeln mittlerweile täglich Gastronomie- und Hotelmitarbeiter per Fähre vom Festland. Die Preise für Wohnungen sind in den vergangenen zwei Jahren um rund 35 Prozent gestiegen. Auch in St. Peter-Ording auf der Halbinsel Eiderstedt sehen sich Einwohner gezwungen, ins Hinterland auszuweichen. Selbst auf den Halligen Hooge und Langeness gibt es mittlerweile das Phänomen der leeren Häuser: die Immobilien der Großstädter, die sie nur selten nutzen.
Auf Amrum gibt es ein Synonym für den totalen Ausverkauf: "Versyltung". In Wittdün, wo die Fähre "Adler Express" anlegt, ist Jürgen Jungclaus Bürgermeister:
"Sylt ist für uns das schlechte Beispiel. Und wenn man so will auch die Mahnung, da rechtzeitig gegenzusteuern - und das tun wir jetzt."
Und zwar mit einer Genossenschaft. Sie baut schon bald die erste Anlage mit 30 Wohnungen. Auf dem Gelände stand vorher die Kurverwaltung von Wittdün, das Gebäude wird derzeit abgerissen. Die Gemeinde hat der Genossenschaft das Grundstück zu einem erschwinglichen Preis überlassen. Doch das ist nicht alles: Jungclaus ist auch der Erste Vorsitzende der Insel- und Halligkonferenz. Vertreter aller 27 Inselkommunen sitzen in diesem Gremium. Jetzt haben sie eine Resolution verabschiedet. In dem Brief nach Berlin fordern sie, das Bundesbaurecht zu ändern. Dort wird bislang nicht zwischen "Mietraum" und "Dauermietraum" unterschieden. Viele Wohnungsbesitzer wandeln ihr Eigentum deshalb schnell in Ferienwohnungen um.
"Wenn das Ganze eine Schieflage bekommt, dann haben sie plötzlich Ortsteile, die entvölkert werden. Also es ist noch nicht zu spät, aber es gibt sicher auch jetzt schon hier bei uns Straßen, wo sie im Winter keine Beleuchtung sehen. Das ist immer schon ein schlechtes Zeichen, davor muss man sich möglichst schützen."
Ein Hauskauf kommt für Einheimische nicht mehr infrage
Die Idee, eine Genossenschaft der Insulaner zu gründen, hatte Ulf Jürgensen:
"Viele Menschen, die mit ihrem Einkommen auf dem Festland durchaus in der Lage wären, was zu kaufen, sind hier schon jetzt nicht in der Lage, das geht einfach nicht. Weil die Preise ja inzwischen ein Niveau erreicht haben, dass man selbst für eine ganz einfache Eigentumswohnung ganz schnell bei 300.000 bis 400.000 Euro liegt. Und Häuser kommen schon gar nicht mehr infrage. Das heißt, wir müssen jetzt die Weichen richtig stellen, um das, was noch geht, zu retten."
Konkret sind die Preise für Eigentumswohnungen in den vergangenen zwei Jahren um bis zu 30 Prozent gestiegen. Auch Ulf Jürgensen kennt das Problem der ständig wechselnden Nachbarn, die in viel zu kleinen Wohnungen leben:
"In meinem persönlichen Umfeld gab es Familien, die die Insel wieder verlassen haben, weil sie keinen richtigen Wohnraum gefunden haben. Wir haben immer wieder darüber gesprochen. Als dann klar war, dass dieses Grundstück frei wird, war dann für einige von uns so eine Stelle erreicht, wo wir gesagt haben: so! Jetzt ist hier der Moment da, müssen wir konkret gucken, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, diesen Trend hier mal zu stoppen. Wir haben dann sehr viel Zeit damit verbracht, zu gucken, wie können wir sicherstellen, was zu machen, was wirklich dazu führt, dass uns diese Wohnungen dauerhaft für immer zur Verfügung stehen. Da darf man noch mal sagen, dass die Sylter uns auch sehr unterstützt haben mit ihrem Wissen dazu, was alles so nicht funktioniert."
Rund 80 Prozent der Wohnungen sind bereits reserviert. Die Erbpachtverträge mit der Gemeinde kann nur schließen, wer dauerhaft auf Amrum lebt und arbeitet. Die Kosten für den Wohnraum sind abhängig davon, was die Interessenten verdienen.
Inselwechsler kommen nach Amrum
Nicht viel von dieser Art des Hausbauens hält Wilfried Weingrebe. Er kam vor einigen Jahren aus Hessen nach Amrum und hat den vorher brachliegenden Immobilienmarkt seitdem umgekrempelt, wie er selbst sagt. Er hat eine lange Warteliste von solventen Kunden. Für sie kauft er alte Friesenhäuser und lässt sie nach ihren Wünschen umbauen. Oder er vermittelt ganz klassisch Immobiliengeschäfte. Viele seiner Kunden sind "Inselwechsler":
"So im Durchschnitt kann man sagen, pro Woche bekomme ich eine Anfrage von Sylt. Meistens sind es ältere Herrschaften, die da drüben verkaufen wollen. Neulich drückte es eine Dame so aus: Auf Sylt sind jetzt zu viele Menschen, die für ihr Geld nicht gearbeitet haben, also die geerbt haben oder irgendwie sonst an Geld gekommen sind. Das ist auf Amrum schon anders."
Generell trägt man hier nicht so zur Schau, was man hat. Weingrebe zum Beispiel lässt seine schicke Limousine stets auf dem Festland stehen. Auf Amrum fährt er Kleinwagen. Auch sein Büro in einer Nebenstraße von Nebel ist bescheiden. Doch in dem schlichten Flachbau werden gute Geschäfte gemacht: Weingrebe spricht von Preisen wie in Münchens Süden und von Kunden aus der Großindustrie und aus der Medienbranche – Namen nennt er keine. Fest steht, einige von Ihnen haben das Spekulieren mit Inselimmobilien regelrecht zum Hobby:
"Das ist nicht neu, das gibt es schon häufig. Die bauen Häuser oder kaufen Häuser und modernisieren sie und verkaufen sie dann – logischerweise mit Gewinn. Deswegen machen die das. Aber auch, weil sie einfach Spaß daran haben. Da gibt es hier auf Amrum sicher ein, zwei Beispiele die ich nennen könnte – tue ich aber nicht."
Ein Beispiel: ein riesiges, luxuriös ausgestattetes Reetdachhaus am Rande eines Waldes, mit Blick auf die Dünen, in Süddorf. Zwar hat sich der Eigentümer für seinen Oldtimer extra eine Garage bauen lassen, auf der Insel war er aber schon lange nicht mehr. Weichgrebe und seine Frau kümmern sich manchmal um die Pflanzen auf dem Anwesen und schauen nach dem Rechten.
Der "Inselausverkäufer" kommt aus Hessen
Im Haus sieht alles aus wie neu: Der Boden glänzt, die Ledercouch ist unbenutzt. Vielleicht kommt schon bald der nächste Eigentümer. Möglicherweise kauft er auch nur aufgrund der Bilder im Internet.
Angst vor einer Immobilienblase hat der Mann mit dem Schnurrbart und dem bunten Poloshirt nicht:
"Das ist ja ein beliebtes Schlagwort. Mir sagt das nicht viel, was eine Immobilienblase überhaupt sein soll. Es ist eine Erfindung, die ich nicht ganz nachvollziehen kann. Ich bin schlicht nach wie vor ein Freund der Marktwirtschaft. Fleiß soll belohnt werden, und wenn der Fleiß belohnt ist, dann soll man sich was kaufen dafür. Solange es der Markt hergibt: Warum nicht!"
Mit dieser Einstellung hat sich Weichgrebe in den vergangenen Jahren nicht nur Freunde auf Amrum gemacht. Doch ihm sei das gleichgültig, sagt er:
"Man nennt mich auch den Inselausverkäufer. Das ist mir egal, damit kann ich leben. Wichtig ist doch, dass es der Insel nützt und dass es den Gästen gefällt. Denn das ist es doch, wovon die Insel lebt. Und da müssen wir frühzeitig an morgen denken. Das bedeutet, dass wir heute schon die Kunden von morgen anwerben müssen für Amrum."
Weingrebe kann es eigentlich egal sein, was in Zukunft mit Amrum, den Insulanern oder deren Gästen passiert. Spätestens in zwei Jahren will er gemeinsam mit seiner Frau eine andere Insel erobern, auf der das Wetter etwas anders ist als in Nordfriesland. Er will eine Wohnanlage auf Gran Canaria bauen und dort Immobiliengeschäfte machen. Aus diesem Grund hat er selbst übrigens kein Haus auf Amrum gekauft, sondern lebt in einer kleinen Mietwohnung - zu horrenden Mietpreisen, wie er sagt.
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