Programmhinweis: Lesen Sie weiter! Auch in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen sucht man fieberhaft nach atomaren Lagerstätten.
Wo ausgerechnet die Grünen Verantwortung übernehmen
Schleswig-Holstein hatte bereits vor knapp einem Jahr Bereitschaft signalisiert, Castorbehälter aus Sellafield und La Hague aufzunehmen. Trotzdem wird der Vorstoß im nördlichen Bundesland weiterhin eifrig diskutiert.
Der Zeitplan ist knapp: 26 Atommüll-Behälter muss Deutschland ab 2015 aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague zurücknehmen. Und immer noch ist nicht ganz klar, wohin damit. Bis Mitte April wollen Bund und Länder die Lagerorte für die Castor-Behälter festlegen. Aber auch nach einem weiteren Bund-Länder-Gespräch in der letzten Woche, geht das Tauziehen um die Zwischenlagerung weiter. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sind bislang die einzigen Länder, die sich zur Aufnahme der Atommüllbehälter explizit bereit erklärt haben. Weitere Lagerstätten in der Diskussion sind Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Hessen und Niedersachsen. In den nächsten Wochen will nun Umweltministerin Barbara Hendricks die Bundesländer in direkten Gesprächen zur Kooperation zu bewegen. Dabei ist die Zwischenlagerung nur eine Baustelle der Ministerin. Es muss auch noch eine Enquete-Kommission gebildet werden, die bis 2015 Standorte in Deutschland prüfen soll, wo hochradioaktiver Atommüll endgültig gelagert werden könnte. Und Atomkraftgegner würden gerne Änderungen am Endlagersuchgesetz durchsetzen. Stoff genug um zu schauen, wie diese Themen in den einzelnen Bundesländern diskutiert wird.
Es war eine klare Ansage des grünen Ministers für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Robert Habeck: Ja, Schleswig-Holstein nimmt Castoren mit Atommüll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und La Hague auf – allerdings nur wenn mindestens zwei weitere Bundesländer dazu ebenfalls bereit sind.
So konnten auch die Koalitionspartner SPD und SSW, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein, das Angebot mittragen. Es sei ihm wirklich nicht leicht gefallen, ausgerechnet als grüner Minister Atommüll ins Land zu holen – aber die Grünen in Schleswig-Holstein stehen zu ihrer Verantwortung, betont Habeck:
"In der Tat hat sich die Partei von einer 'Dagegen-Partei' zu einer Gestaltungspartei entwickelt. Und in den Bereichen, wo die Grünen maßgeblich Verantwortung haben, ist sie auch in einer besonderen Rolle und löst Probleme, die die alte Bundesrepublik aufgetürmt hat."
Debatte endlich mal voranbringen
Das eigentliche Problem – das ist die Endlagerung von Atommüll in Deutschland. Nach jahrzehntelangem Dauerstreit und Stillstand wollte Habeck mit seinem Vorstoß diese Debatte endlich mal voranbringen. Immerhin – in "seinem" Bundesland gibt es keine für ein mögliches Endlager geeigneten Gesteinsformationen, da fällt es leichter, ein Angebot für Zwischenlager zu machen:
"Das sollte den Weg frei machen, zu dem Endlagersuchgesetz zu kommen. Und die Bedingung dafür war eben, dass Gorleben nicht wieder angesteuert wird von den Castoren. Und nun haben wir das Endlagersuchgesetz durch, Gorleben ist nicht mehr Bestandteil der Zwischenlagerung – aber eine Lösung, wie wir diese Castoren verteilen, ist immer noch nicht da."
Spätestens 2015 werden die Castoren aus England und Frankreich nach Deutschland gebracht – bis es hier ein Endlager gibt müssen sie vermutlich noch über etliche Jahrzehnte sicher in Zwischenlagern aufbewahrt werden. Dafür muss jetzt schnell eine Lösung her – dass der grüne Minister dabei Verantwortung übernehmen wolle, sei sicher aller Ehren wert, meint der Chef der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Johannes Callsen. Aber:
"Im Vordergrund steht hier natürlich auch eine parteipolitische Frage. So wie Herr Habeck es vorgeschlagen hat, lösen wir als Schleswig-Holsteiner die parteipolitischen Probleme der rot-grünen Koalition in Niedersachsen – was die Endlagerfrage Gorleben angeht – und das ist schon politisch ein Stück schwierig für uns."
"Der Vorstoß war unklug"
In die gleiche Kerbe haut auch der FDP-Landtagsabgeordnete Oliver Kumbartzky. Er ist gebürtiger Brunsbütteler – mit dem Kernkraftwerk dort ist er aufgewachsen, aber zusätzlichen Atommüll aus England und Frankreich will er dort nicht haben:
"Der Vorstoß war unklug, weil so viele Faktoren eben noch nicht berücksichtigt worden sind. Es gibt ja das Zwischenlager in Brunsbüttel – aber um diese Sellafield-Castoren dort einzulagern müsste man dieses Lager komplett umbauen. Wer soll die Kosten tragen? Und die Castoren, die jetzt aus Sellafield kommen sollen, die sollten ja ursprünglich nach Gorleben. Dort ist auch Platz, und da stehen schon 116 von diesen Behältern und die letzten sollten da noch mit zu – ich frage mich: Warum nicht?"
Und dann wären dann da ja auch noch offene juristische Fragen - das Oberverwaltungsgericht in Schleswig hat im vergangenen Jahr dem Betreiber des Kernkraftwerks in Brunsbütel die Betriebserlaubnis für das Zwischenlager am Kraftwerk entzogen - u.a. wegen mangelnder Sicherheit bei Flugzeugabstürzen.
Das Urteil sei zwar noch nicht rechtskräftig, es mache aber wohl wenig Sinn, über die Einlagerung zusätzlicher Castoren in diesem Lager nachzudenken, gibt Kumbartzky zu bedenken. Deshalb wurde zuletzt auch immer mal wieder über das noch aktive Kernkraftwerk in Brokdorf als Zwischenlager spekuliert – sicher auch nicht gerade die beste Idee, meint der FDP-Mann:
"In Brokdorf sehe ich schon die Gefahr von großen Protesten, weil das Kraftwerk eben noch läuft – und da hat sich ja schon immer die Anti-Atombewegung getroffen, sage ich mal, und dann ist eben auch die Frage, wer diese Polizeieinsätze trägt. Also ich finde, diese ganze Diskussion ist ohne Not geschehen Es macht keinen Sinn diese Castoren bundesweit zerstreut zu lagern, es gibt ein zentrales Lager und aus Sicherheitsgründen wäre dieses zentrale Lager eben schon besser."
"Ausgerechnet wir Grüne übernehmen Verantwortung"
Die Sache mit dem zentralen Zwischenlager in Gorleben ist aber nun einmal vom Tisch – es muss andere Lösungen geben, und zwar zügig. Deshalb würde sich die Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen Grünen, Ruth Kastner, auch von anderen Bundesländern mehr Bereitschaft wünschen, Verantwortung zu übernehmen.
Bisher haben sich dazu nur Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, und Hessen bereit erklärt – ausgerechnet drei Länder mit grüner Regierungsbeteiligung, das könne es doch nicht schon gewesen sein, meint Ruth Kastner:
"Was mich wahnsinnig macht ist, dass ausgerechnet wir Grüne Verantwortung übernehmen, und die, die jahre-, jahrzehntelang dafür gestritten haben, dass das die Energie der Zukunft ist, die auch nichts unterlassen haben, uns zu diskreditieren für unsere Haltung – die schlagen sich in die Büsche."