Ungeliebtes Schmuckstück
Errichtet für die preußische Königin Friederike Luise, später genutzt von Außenminister Walter Rathenau, dann Kulturhaus: Schloss Freienwalde blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Doch der zuständige Landkreis möchte es dringend loswerden.
Der Zutritt zu dem kleinen zweistöckigen Schloss ist nicht möglich. Die großen Fenster sind von innen verblendet. Ein Schild an der Vorderfront teilt tägliche Öffnungszeiten mit, ein anderes, unmittelbar daneben, unterrichtet über die vorläufige Schließung. Die Fundamente des Gebäudes haben Wasserflecke, dort wuchert Moos.
Auf der Rückseite eine breite Freitreppe. Sie führt in den hangabwärts liegenden Teil des Parkgartens. Die Wege hier: menschenleer.
"Schloss Freienwalde war mal ein preußisches Königsschloss ..."
- sagt Reinhard Schmoock, bis Ende 2016 Leiter des Schlosses –
"…und ist erbaut worden 1798, als Sommersitz der preußischen Königin Friederike Luise. An einer Stelle, die zu den landschaftlich schöneren gehört: hier am Hang des Nordrands des Barnims. Und die Königin hat die Schönheiten von Freienwalde sehr schnell und gut erkannt, schon bei ihrem ersten Besuch 1788. Und hat sich dann hier jeden Sommer mehrere Wochen lang niedergelassen und hat die Szenerie natürlich mitbestimmt, allein durch ihre Anwesenheit. Und dann hat kein geringerer als David Gilly den Auftrag gekriegt, das schöne Schlösschen hier zu bauen."
Walter Rathenaus Gästehaus
David Gilly, 1748 geboren, war einer der großen klassizistischen Baumeister in Preußen und Lehrer Karl Friedrich Schinkels. Neben der Königin hatte Schloss Freienwalde einen weiteren prominenten Nutzer.
"Walther Rathenau hat anfangs des 20. Jahrhunderts nach einem Domizil gesucht, in der Nähe Berlins, in dem er arbeiten konnte und in dem er Gäste empfangen konnte. Und da hat er gesucht, ist er mit dem Auto durch die Mark Brandenburg gefahren und Schlösser angefahren, die zum Verkauf standen. Dazu zählte auch Schloss Freienwalde, die königliche Hofkammer wollte sich des Schlosses entledigen.
Und die Überlieferung besagt, dass Rathenau gleich beim ersten Anblick gesagt hätte: Das ist es, das muss ich haben. Das war 1909."
Walther Rathenau war Chemiker, Industrieller, Politiker und Schriftsteller. 1867 geboren, leitete er einen der damals mächtigsten Elektrokonzerne Deutschlands, die AEG.
Nach dem Ersten Weltkrieg vertrat der Mitbegründer der liberalen Deutschen Demokratischen Partei Deutschland als Reichsaußenminister auf internationalen Konferenzen. Von nationalistischer Seite wurde er fortwährend attackiert. Im Juni 1922 erschossen ihn Angehörige eines Freikorps auf offener Straße.
Gedenkstätte für Walter Rathenau
"Zu DDR-Zeiten hieß das Haus Puschkin-Haus und diente als Kulturhaus. An Rathenau wurde nicht erinnert oder nur verhalten. Und so haben wir 1990 die Chance ergriffen, das Haus wieder zu einem Erinnerungsort an Walther Rathenau zu machen, und sind sofort daran gegangen, mit Hilfe der Familie und anderen Leihgebern, eine Gedenkstätte einzurichten im Schloss. 1992 wurde sie eröffnet."
Und heute?
"Die Betreiberin, die Kultur-GmbH, die es seit 1996 gab, ist aufgelöst worden. Und in der Beschlussvorlage des Kreises steht eben drin, dass der Betrieb des Schlosses Freienwalde eingestellt wird, zum 31.12.2016."
Als die Absicht zur Schließung publik wurde, im Mai 2016, gab es viel Aufregung, zumindest in regionalen Medien. Inzwischen ist sie deutlich verflogen. Andreas Hensel, Chef der Bad Freienwalder Tourismus-GmbH, kann das nicht nachvollziehen.
"Das Schloss Bad Freienwalde spielt für den Tourismus eine größere Rolle, da es das erste denkmalgeschützte Objekt ist, welches der Gast, der über die Bundesstraße 158 kommt, wahrnimmt. Was ich problematisch sehe, ist, dass man keine Lösung für die nächsten Jahre gefunden hat, bisher."
Unterhalt des Schlosses zu teuer
Der Anlass für die Schließung durch den Landkreis Märkisches Oderland war finanzieller Natur. Man wollte die für den Unterhalt erforderlichen Zuschüsse nicht länger aufbringen. Am liebsten würde man sich des Objektes wohl völlig entledigen.
"Ich habe den Eindruck, dass der Stellvertretende Landrat, der nunmehr zuständig ist für das Schloss, dieses sobald wie möglich verscherbeln will."
Urteilt Marie-Theres Suermann, Leiterin des Freundeskreises von Schloss Freienwalde.
"Das Veräußern an Dritte, an Private, das das Ensemble dann für die Öffentlichkeit sperrt, ist natürlich nicht zielführend. Denn das Schloss soll als lebendige kulturelle Einrichtung wahrgenommen werden und nicht als Dornröschen-Schloss im Schlaf."
Was also tun?
"Wir machen Veranstaltungen im Teehäuschen von Schloss Freienwalde seit 2010 und haben uns zum Ziel gesetzt, das Ensemble von Schloss, Teehäuschen, Gärtnerhäuschen und Park mit kulturellem Leben zu erfüllen."
Dies der offiziellen Schließung zum Trotz. Gleichwohl:
"... eine dauerhafte Lösung für eine sinnvolle Nutzung des Hauses hat man bisher nicht gefunden ..."
2017 ist, unter anderem, ein Rathenau-Erinnerungsjahr. Der Geburtstag des Politikers jährt sich zum 150. Male, das Todesdatum liegt 95 Jahre zurück. Einen eindrucksvolleren Gedenkort für ihn als das Schloss Freienwalde gibt es nicht. Die ihm gewidmete Ausstellung im Obergeschoss existiert noch, frei zugänglich ist sie nicht. Wenigstens hier gibt es Bewegung.
Reinhard Schmoock: "Unter meiner Leitung wird die Rathenau-Gedenkstätte - sprich: die Walther-Rathenau-Ausstellung hier in Bad Freienwalde - neu gefasst. Nach anderen Aspekten als bisher. Wir wollen damit die Erkenntnisse, die wir in den letzten 25 Jahren gewonnen haben, neu einbringen in die Ausstellung."
Nur: Die Gedenkdaten werden vorübergehen. Die Probleme um das Schloss bleiben.
Konzept für dauerhafte Nutzung fehlt
"Es wäre schon wünschenswert, wenn es nicht nur eine Rathenau-Gedenkstätte wäre, sondern wenn der historische Zusammenhang dieser beiden Personen - Königin Friederike Luise und Walther Rathenau, der ja doch da ist, wenn der wieder sichtbar wäre...
Insoweit ist der Landkreis natürlich noch mehr in der Pflicht, hier ein tragfähiges Konzept, zusammen mit der Stadt, zu entwickeln. Aber man bekommt nur schwer mit, inwieweit diese Konzeptionen diskutiert werden und tragfähig sind."
Sicher scheint: Allein von der Stadt und dem Landkreis sind die Probleme kaum zu lösen. Wenn diese zu Beginn der 1990er-Jahre mit Millionenaufwand restaurierte architektonische Preziose nicht dauerhaft Schaden nehmen soll, wofür es erste Anzeichen gibt, dann sollte an eine überregionale Lösung gedacht werden.
Es könnte sich etwa das Kultusministerium des Landes Brandenburg der Sache annehmen oder eine der für kulturelle Zwecke zuständigen Stiftungen oder das Auswärtige Amt.
"Kultur und Zivilisation", sagte Walther Rathenau, "verlangt dauernden, ungeheuren Aufwand, Aufwand an Muße, an Arbeitskraft, an Mitteln."