Subbotnik im Park
Nach der Wende erwarb ein privater Investor Schloss Reinhardsbrunn in Thüringen – und ließ es verfallen. Ein Förderverein kümmert sich jetzt um den Erhalt des Parkes, mit Unterstützung der Landesregierung. Die strebt eine Enteignung an, um das Schloss zu erhalten.
Ein Samstagmorgen im August. 9 Uhr, die Temperatur ist noch erträglich. Andreas Paasch, ein Mann Ende 40 in Arbeitskleidung, diskutiert mit ein paar Neuangekommenen die Qualität der Werkzeuge: Rechen, Hacken, Hämmer, Brecheisen packen sie in eine Schubkarre und fahren sie tiefer in den Schlosspark von Reinhardsbrunn.
Paasch bleibt am Eingang und stellt Stühle auf.
"Ich bin für die Organisation und Wohlbefinden der Leute da, die heute zum Arbeitseinsatz kommen. Wir haben früher mal den Begriff Subbotnik gehabt in der DDR. Das war ehrenamtliche Arbeit am Samstag. Bruchholz sammeln, Rasen mähen, die Grünpflege vor allem ist wichtig. Weil wir ja auch Gäste haben. Wir haben ja da ein Schild: 'Führung drei Mal die Woche'. Und wir wollen die ja ordentlich führen und das, was wir noch haben, ordentlich präsentieren, auch wenn der Eigentümer jahrelang nichts gemacht hat."
Verfall und Verwilderung
"Der Eigentümer" schwebt unsichtbar über allem, was in Reinhardsbrunn gesagt und getan wird. Er ist eine gesichtslose GmbH in russischer Hand, "Bob Consult", mit Sitz in London. Der Bob Consult GmbH gehört das Schloss seit einigen Jahren. Und das ist nicht gut für das Schloss. Denn es verfällt ungenutzt. Der Park verwildert. Der war einst einer der bedeutendsten in Europa, sogar Graf Pückler pries ihn.
Wenigstens den Park wollen die Leute vom Förderverein aber in einem begehbaren Zustand erhalten, der es zudem später einmal möglich machen soll, ihn wieder repräsentativ herzurichten. Immerhin gestattet der Eigentümer den Bürgern seit acht Jahren, seinen Park zu pflegen. Warum aber tun die das?
Edgar Zeiss, ein emeritierter Professor für Kunstgeschichte, ist 82 Jahre alt, und mit dem Bücken geht es auch nicht mehr so gut.
"Ja, aber man kann schon noch was machen. Ich habe mich seit früher Jugend der Kunst verschrieben; und ich fühle mich einer Hilfe einfach verpflichtet. Das ist ja eine große Kulturstätte. Ich kenne mich in der Geschichte von Thüringen etwas aus – und deswegen meine persönliche Teilnahme, selbstverständlich!"
Eine persönliche Bindung zum Schloss
Mit einer Hacke bewaffnet geht er weiter zum Rosengarten, der nur noch diesen Namen trägt, aber keine Rosen mehr. Dort arbeiten schon zwei Männer daran, ein Stahlband, das früher einmal die Beete begrenzte, aus dem Boden zu hebeln. Doch was bringt einen eigentlich dazu, den Samstagvormittag hier in einem fremden Grundstück zu verbringen? Für Klaus Mähler hängt ein bisschen Herz daran.
Klaus Henniges nennt es Sozialeigentum.
"Wir sagen als Bürger der Stadt, 'Das ist unser Schloss Reinhardsbrunn!', obwohl wir als Bürger nicht im Grundbuch stehen. Aber wir sind verpflichtet, hier eben was zum Erhalt, zum richtigen Übergang in neues privates Eigentum zu ermöglichen. Und wir sind ganz stolz und froh, dass das Land auf unserer Seite ist. Da oben, wo das verschlossene Fenster rechts ist, da hat Herr Ramelow mal mehrere Wochen gewohnt. Und dadurch hat er auch eine persönliche Bindung zum Schloss Reinhardsbrunn. Und das ist gut so."
Jeder kann hier persönliche Geschichten erzählen: Klaus Henniges war lange Bürgermeister der Stadt Friedrichroda, wo das Schloss Reinhardsbrunn liegt. Damals, als der heutige Ministerpräsident als Gewerkschaftssekretär Verhandlungen im Schloss geführt hat.
Jeder kann hier persönliche Geschichten erzählen: Klaus Henniges war lange Bürgermeister der Stadt Friedrichroda, wo das Schloss Reinhardsbrunn liegt. Damals, als der heutige Ministerpräsident als Gewerkschaftssekretär Verhandlungen im Schloss geführt hat.
Andreas Paaschs Schulfreund hat in einer Wohnung im Schloss gewohnt, im Park haben sie gespielt; Edgar Zeiss hat in dem Devisenhotel im Schloss eine Bar eingebaut:
"Und die hat bei den westdeutschen Touristen sehr viel Zustimmung gefunden. Und insofern bin ich mit dem Schloss schon zur DDR-Zeit sehr verbunden."
Vandalismus ist ein großes Problem
Noch bis vor knapp 20 Jahren war das Schloss gut in Schuss: Die DDR hatte es vergleichsweise gut gepflegt, als Devisenbringer war das Interhotel im Schloss ausschließlich Westgästen vorbehalten, die Restaurants und der Park aber für alle da. Und auch heute wirkt es aus der Ferne geradezu märchenhaft. Ein neogotischer Bau, Torbögen, Gewölbe und ein efeu-umrankter Turm.
Beim Näherkommen wird deutlich: Fenster und Türen sind verbarrikadiert, der Turmuhr fehlen die Zeiger, im Schlosshof ist der Boden brüchig. Schloss Reinhardsbrunn verfällt. Wird von Vandalismus und Dieben heimgesucht. Im Inneren zerschlagene Fenster und Spiegel, herausgerissene Fußböden. Und der Park verwildert, gerät immer mehr zum Dickicht.
Christfried Boelter vom Förderverein zur Rettung von Schloss und Park, ein Pfarrer im Ruhestand, weiß noch, wie es mal aussah.
"Wir stehen jetzt im Innenhof des Schlosses und haben hinter uns das Hohe Haus. Und haben hier den Ahnensaal oben drüber, sozusagen die Prachträume des Schlosses. Und der Ahnensaal macht ja deutlich, auf welchen Fundamenten das alles hier steht. Da sind nämlich die Bilder der Herrscherfamilien bis in die Gründungszeit des Klosters Reinhardsbrunn – und das liegt ja unterhalb des Schlosses – zu sehen. Hier sind sie alle beerdigt. Und diese Grablege macht den Ort natürlich noch mal besonders."
Ein Geschichtsmerkmal für Thüringen
Das heutige Schloss Reinhardsbrunn ist ein weitgehender Neubau des frühen 19. Jahrhunderts auf Fundamenten des 11. und Resten des 17. Jahrhunderts. Dennoch ist die ideelle Bedeutung des Schlosses für Thüringen immens, meint der Landeskonservator Holger Reinhardt.
"Die Frage steht ja wirklich: Was macht Thüringen aus und welche Geschichtsmerkmale sind da? Insofern steht Reinhardsbrunn durchaus für diese – ich nenn das jetzt mal: staatliche Identität Thüringens, in historischer Zeit und eben mit diesem idealisierten Herrschaftsanspruch bis in die demokratische Gesellschaft heute."
Deswegen hat sich auch die Thüringer Politik immer um das Schloss bemüht. Dass Reinhardsbrunn als Hotel privatisiert wurde und nicht an das Land fiel, hat die damalige Chefin der Treuhandanstalt, Birgit Breuel, persönlich zu verantworten.
Angesichts von Verfall, Zerstörung, Vandalismus, angesichts der Ignoranz der Eigentümer, die das Schloss nur nutzten, hohe Kredite damit abzusichern, erwog schon die letzte Landesregierung unter Christine Lieberknecht, CDU, ein Enteignungsverfahren nach dem Denkmalschutzgesetz anzustreben:
"Das kann nicht der Wille unseres Rechtsstaats sein, dass wir sagen, 'Privat!? Achselzucken, geht uns nichts mehr an!' Aber wenn man Verantwortung für ein Land trägt, da brauchen Sie jemanden, der jetzt sagt, 'Denk mal jetzt wirklich in längeren Linien und über ein paar Generationen!'"
Das war vor vier Jahren. Die rot-rot-grüne Regierung unter Bodo Ramelow hat nun im vergangenen Jahr ein Enteignungsverfahren angeschoben, das Landesverwaltungsamt hat den Enteignungsbescheid schließlich im Juli übermittelt. Kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist haben nun die bisherigen Eigentümer die Enteignung vor Gericht gebracht. Und keiner weiß so recht, was das für das zerfallende Schloss bedeutet.
Das war vor vier Jahren. Die rot-rot-grüne Regierung unter Bodo Ramelow hat nun im vergangenen Jahr ein Enteignungsverfahren angeschoben, das Landesverwaltungsamt hat den Enteignungsbescheid schließlich im Juli übermittelt. Kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist haben nun die bisherigen Eigentümer die Enteignung vor Gericht gebracht. Und keiner weiß so recht, was das für das zerfallende Schloss bedeutet.
Sicherung der kulturellen Identität
Ministerpräsident Ramelow wird nicht müde zu erzählen, dass man knapp zwei Millionen Euro im Haushalt für erste Notmaßnahmen bereitstehen hat. Aber die Frage bleibt unbeantwortet, ob das Land überhaupt handeln darf. Und was, wenn das Gericht feststellt, dass die Enteignung nicht rechtmäßig ist? Irgendwann, in ein paar Jahren, wenn der Schwamm ganz Besitz genommen hat von der neoromanischen Schlosskapelle?
Für das Schloss Reinhardsbrunn wäre das eine besonders bittere Variante, meint der Landeskonservator Holger Reinhardt:
"Ja dann sehe ich schwarz! Wenn man eine sehr stringente Haltung der Ersatzvornahme zur Gefahrenabwehr betreibt und nicht an einige Grundursachen, nämlich z.B. Schwammbefall, herangeht, dann habe ich Angst, dass alle Bemühungen um die Sicherung dieses Teils unserer kulturellen Identität in den vergangenen Jahren möglicherweise vergeblich gewesen sind."
Das will die Landesregierung so nicht hinnehmen, aber Ministerpräsident Ramelow will sich im Moment nicht konkret äußern.
"Das mag sein, aber wir wollen das Verfahren, das juristische Verfahren von der Sicherung trennen. Aber ich bitte um Verständnis, dass ich dazu noch nichts sagen werde. Ich will, dass wir möglichst schnell mit der Sicherung anfangen können. Ich will, dass der Verfall aufhört. Und dazu sind ein paar juristische Schritte notwendig, die ich jetzt noch nicht ankündigen will."
Ramelow steht im Rosengarten des Schlosses Reinhardsbrunn, der wenige Tage zuvor beim Subbotnik noch schick gemacht wurde, für den Empfang zum 125. Todestag des Herzoges Ernst II., dem einzigen des Adelsgeschlechts, der auch hier gestorben ist. Und der mal Johann Strauß half, sich scheiden zu lassen.
Große Pläne für Schloss und Park
Heute aber geht es mehr um Selbst- und gegenseitige Vergewisserung. Ausgedrückt durch den Ministerpräsidenten und den Vorsitzenden des Fördervereins, Christoph von Berg.
"Wenn es denn so weit ist, wäre es sicherlich sinnvoll, bei der weiteren Entwicklung des Schlosses Reinhardsbrunn den Förderverein zu beteiligen, denn es gilt auch, die regionalen Bezüge mit einzubinden."
Bodo Ramelow: "Sie haben uns den Rücken gestärkt, damit wir unsere Aufgaben machen. Aber die, die hier Rasen gemäht haben oder aufgepasst, dass niemand in den Teich fällt, denen ist es geschuldet, dass wir es heute geschafft haben. Wir haben es zusammen geschafft."
Wenn alles gut läuft, können sie in ein paar Monaten anfangen, das Dringendste anzugehen – das Dach, den Hausschwamm. Aber der Sanierungsstau von 80 Jahren verlangt große Investitionen: 10 oder gar 20 Millionen. Es kommt auch darauf an, was der spätere Betreiber einmal vorhat mit Schloss und Park Reinhardsbrunn.
Bodo Ramelow: "Sie haben uns den Rücken gestärkt, damit wir unsere Aufgaben machen. Aber die, die hier Rasen gemäht haben oder aufgepasst, dass niemand in den Teich fällt, denen ist es geschuldet, dass wir es heute geschafft haben. Wir haben es zusammen geschafft."
Wenn alles gut läuft, können sie in ein paar Monaten anfangen, das Dringendste anzugehen – das Dach, den Hausschwamm. Aber der Sanierungsstau von 80 Jahren verlangt große Investitionen: 10 oder gar 20 Millionen. Es kommt auch darauf an, was der spätere Betreiber einmal vorhat mit Schloss und Park Reinhardsbrunn.
Aber dieser Betreiber muss auch erst mal gefunden werden. Und so wird aus dem Endpunkt Enteignung ein Anfang – mit ungewissem Ausgang.