Schlossgärten zu DDR-Zeiten

"Gärtner führen keine Kriege"

Blumen blühen vor dem Schloss in Sacrow.
Blumen blühen vor dem Schloss in Sacrow. © dpa/ picture-alliance/ Bernd Settnik
Von Barbara Wiegand |
Die Potsdamer Schlösser und ihre Gärten wurden in der DDR-Zeit mit Mauer und Maschendrahtzaun verschandelt. Die Gärtner versuchten zu retten, was zu retten war. Wie sich die Anlagen entwickelt haben, dokumentiert nun die Ausstellung "Gärtner führen keine Kriege" auf Schloß Sacrow.
"Das erste Mal war ich hier im Dezember 1989. Übers. Eis. Es war völlig chaotisch - es war praktisch gar nichts zu erkennen. Außer den bedeutenden alten Bäumen und so. Es war eigentlich ein verlorenes Paradies ja."
Michael Seiler, ehemaliger Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, erinnert sich an seinen ersten Besuch auf Sacrow. Kurz nach der Wende lief er von seinem Wohnort, der zum Westteil Berlins gehörenden Pfaueninsel, übers gefrorene Wasser der Havel hinüber in den im 19. Jahrhundert von Peter Joseph Lenné angelegten Landschaftsgarten. Über Jahre hatten Park und Schloß für Sailer unerreichbar im DDR-Grenzgebiet gelegen. Nur das Licht der Scheinwerfer, das den Todesstreifen ausleuchtete, fiel fahl herüber, dazu das gespenstische Gebell der Zollhunde, die hier ausgebildet wurden. Doch die Ankunft in Preußens Arkadien fiel ernüchternd aus - der Park war in weiten Teilen verwildert, verwüstet. Sichtachsen wurden von Zäunen durchschnitten. Und der romantische gewundene Uferweg, er war zum Todesstreifen geworden, an dem Grenzer patrouillierten:
"Der war weg, Hier war weißer Sand. Der war schnurgerade, das war eine klare Schneise. Der wurde freigehalten von Herbiziden. Damit absolut nichts hier wachsen konnte. Damit man alles harken konnte, damit man Spuren von Flüchtlingen sehen konnte."
Ergänzt Jens Arndt, Initiator und Kurator der Ausstellung. Heute erinnern nur noch Spuren von Sand, die zwischen dem Split der Wege hervorscheinen an die Zerstörung in der DDR Zeit. Denn über die Jahre wurde aus der Grenzanlage wieder ein kunstvoll angelegter Garten. Diese Geschichte von Zerstörung, aber vor allem Heilung, kann man draußen im Park nachvollziehen, mit all seinen Ein- und Ausblicken - etwa hinüber über den Jungfernsee zum Neuen Garten, der Glienicker Brücke oder dem Park Babelsberg als weitere Orte dieser einzigartigen Potsdamer Kulturlandschaft.

Eine sinnliche Ausstellung über deutsch-deutsche Geschichte

Um Preußens Arkadien, das einst hinter Stacheldraht lag, geht es aber vor allem drinnen, im kleinen, 1940 von Friedrich Wilhelm IV als Gutshof gekauften Schloß. Nochmals Jens Arndt:
"Das wird der erste Raum, das verlorene Paradies. Der hat den Titel "Die Gärten" und der zweite Raum heißt dann "Das Verlorene Paradies" Die Menschen. Und es geht natürlich auch um die Verletzung der Gärtner die versuchten dieses Kunstwerk zu verteidigen und wo natürlich Emotionen auch frei wurden."
Über 400 Quadratmeter hat man eine sinnliche Ausstellung inszeniert, mit Baumstämmen als symbolischen Säulen des Landschaftsgartens, mit Modellen, Fotos und Videos, in denen Zeitzeugen wie Michael Seiler zu Wort kommen und Anekdoten erzählen. Etwa die aus dem Neuen Garten mit dem Schloß Cecilienhof, vor dem die Gärtner einen Zaun begrünen sollten, damit Staatsgäste wie 1975 der damalige UNO Generalsekretär Kurt Waldheim die Mauer nicht sehen konnten:
"Ich kann mich erinnern, am Schloß Cecilienhof war das ganz riesig, damit Herr Waldheim nicht auf die Grenze gucken konnte. Da mussten die Gärtner das beranken. Das war ein Gestell von zehn Metern."
"Sechs Meter."
"Ja ein gewaltiges Gestell."
"Das hat aber nicht funktioniert - weil, die Grenzer hatten Herbizide ausgebracht unten und dadurch wuchs einfach nichts."
In dem kleinen Raum, in dem man an diese absurde Episode erinnert, finden sich noch andere Spuren der deutsch-deutschen Geschichte - der Waffenschrank, den in den Enddreißigern der gestrenge Nazi und Generalforstmeister Alpers nutzte, die gemusterte Tapete, die die Grenzer an die Wände gekleistert hatten. Teils zerschlissen, ist ihr florales Muster ein krasser Kontrapunkt zum bunten Blütenkreis des Pleasuregrounds, der nach dem Vorbild des englischen Landschaftsgartens unter dem Fenster gepflanzt wurde:
"Die Gärtner der DDR waren geradezu versessen, ihre Gärten zu erhalten in Feierabendarbeit. Die Gärten haben das erfüllt, was sie immer hatten, die Sehnsucht nach der Ferne. Ein Gärtner sieht immer auch Italien, Frankreich - träumt von anderen Gärten. Das war ein unerfüllbarer Traum der Kollegen und deshalb haben sie sich mit solcher Inbrunst an die Wiederherstellung, die Pflege den Umgang mit ihren Gärten gemacht. Das habe ich so nie gesehen, weder in England noch in Frankreich, das die einzelnen Leute sich so engagiert haben für die Gärten."
Ganz wie es im Ausstellungstitel heißt, führten sie eben keine Kriege, diese Gärtner, sondern wollten "ihre" kunstvollen Gärten erhalten. Über dieses Engagement erfährt man einiges in der kleinen, aber konzentrierten Ausstellung. Mehr noch aber spürt man es beim Gang durch den Park Sacrow. Entlang der Wiesen, die vor der Maat das Wasser nur erahnen lassen, über geschwungen wie gerade angelegte Wege, gesäumt von Platanen oder Eichen, deren Äste einen romantischen Rahmen bilden, durch den hindurch man ins Weite blicken - und seine Gedanken schweifen lassen kann. Grenzenlos.
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