Ferdinand Schwanenburg: "Machtergreifung"
Europaverlag, München 2021
450 Seiten, 24 Euro
"Soap-Opera" über das Innenleben der AfD
07:05 Minuten
Das Buch "Machtergreifung" sei zwar ein Schlüsselroman über die AfD, doch die Enthüllungen blieben aus, sagt der Literaturwissenschaftler Johannes Franzen. Das Buch sei ungelenk geschrieben und keine Lesefreude.
Als Schlüsselroman über die AfD wird derzeit der neu erschienene Roman "Machtergreifung" vermarktet. Der Autor schreibt unter einem Pseudonym, aber es gibt Vermutungen, dass es sich um einen Kommunikationsberater handeln könnte, der einmal für die AfD gearbeitet habe, sagt der Literaturwissenschaftler Johannes Franzen. Der Experte für Schlüsselromane hat das Buch gelesen.
"Machtergreifung" sei ein typisches Beispiel für einen Schlüsselroman, sagt Franzen. Er nähme auf die Realität und reale Vorbilder erkennbar Bezug. Diese Wiederkennbarkeit sei ein wichtiger Bestandteil eines solchen Romans und der Freude daran, ihn zu lesen. "Das Ratespiel, wer ist wer, das gehört dazu."
In der Vergangenheit sorgte einst der Schlüsselroman "Mephisto" von Klaus Mann für Furore, der sich der zweifelhaften Rolle des Schauspielers Gustav Gründgens in der NS-Zeit widmete. Er wurde 1966 in der Bundesrepublik sogar verboten. Auch Maxim Billers Roman "Esra" zählt zu diesem Genre.
Keine Lesefreude, keine Enthüllungen
Der Roman "Machtergreifung" habe da allerdings wenig zu bieten: "Er ist literarisch nicht gut geschrieben", urteilt Franzen. Der Schreibstil sei ungelenk mit einer Tendenz zu Heftchenprosa. "Er ist sehr Soap-Opera-mäßig aufgezogen." Das Buch sei leider auch ziemlich langweilig – die größte Sünde bei so einem Text. Auch die langen Dialoge bereiteten keine Lesefreude.
Franzen sagt, der Text sei teilweise eher zum Fremdschämen, vor allen in den Passagen, in denen es um die Beschreibung von Frauen gehe. Da sei er manchmal etwas sexistisch. Mit dem Pseudonym werde suggeriert, der Autor müsse sich verstecken, doch aufregende Enthüllungen über die AfD fänden sich in dem Buch nicht. Geübten Zeitungslesern sei fast alles darin bekannt.