Schmidt: Eltern sollten mit ihren Kindern am Computer spielen

Rainer Schmidt im Gespräch mit Andreas Müller |
Der Verein GameParents rät Eltern, bei Computerspielen ihrer Kinder einfach mal selbst mitzuspielen. Die Eltern seien die letzte Instanz zwischen den Medien und ihren Kindern, sagte Geschäftsführer Rainer Schmidt.
Andreas Müller: "Counter-Strike", "World of Warcraft", so heißen zwei der beliebtesten Ballerspiele für PC und Konsole. Millionenfach sind diese Programme verbreitet auch und gerade bei denen, die sie eigentlich gar nicht spielen dürften – bei Kindern und Jugendlichen nämlich.

Besorgt betrachten viele Eltern das Geballere am Bildschirm, und nicht wenige haben es längst aufgegeben, dem Treiben der Kleinen Einhalt zu gebieten. Der Verein GameParents.de e. V. will ratlosen Eltern nun Hilfe anbieten.

Derzeit tut er das in Bochum beim Living Games Festival, das ist eine Messe rund um das Thema Computerspiele, die noch bis morgen läuft. Die Botschaft von GameParents.de lautet: Eltern an die Konsolen. Die sollen ganz einfach mal selber daddeln, um zu verstehen, was ihre Kinder so an den Games fesselt. Rainer Schmidt ist der Geschäftsführer des Vereins und jetzt bei uns zu Gast. Schönen guten Tag, Herr Schmidt!

Rainer Schmidt: Schönen guten Tag!

Müller: Man hat den Eindruck, eine ganze Elterngeneration ist völlig überrollt worden von der digitalen Revolution in den Kinderzimmern, die Alten stehen ratlos da und wissen nicht, wie sie den Nachwuchs vom PC wegbekommen sollen. Warum sollen die denn jetzt mitspielen?

Schmidt: Ganz einfach aus dem Grunde, weil Eltern die wichtigste Rolle im Jugendmedienschutz überhaupt haben, weil die sind die letzte Instanz zwischen den Medien und ihren Kindern. Und Eltern müssen einfach in der Lage sein zu entscheiden, ist jetzt so ein Computerspiel für mein Kind geeignet, ist es nicht geeignet, und das geht bei Computerspielen einfach dann am besten, wenn man selber sich mal damit auseinandergesetzt hat und einfach auch selber gespielt hat.

Müller: Und das tun Eltern so gar nicht?

Schmidt: Oh, es gibt schon Eltern, ich gehöre ja auch zu den spielenden Eltern, aber wir sind halt noch in der Minderzahl. Ich sag mal, die Zahl der Eltern, die selber mit Computerspielen schon in Berührung gekommen sind, aktiv auch noch spielen, wächst, ist völlig logisch, weil die erste Gamer-Generation hat jetzt schon ihre eigenen Familien.

Aber es gibt halt noch sehr viele, für die sind Computerspiele in erster Linie noch Kinderkram, die haben noch nicht verstanden, dass es mittlerweile da einen Unterhaltungsmarkt gibt, der auch ganz gezielt Unterhaltung für Erwachsene anbietet, und dass es da eben auch Spiele gibt, die nicht in Kinderhände gehören.

Müller: Gut, aber diese ganz harten Spiele, die sind doch eigentlich indiziert oder mit entsprechenden Altersbeschränkungen versehen. Wäre es nicht einfach zu sagen, verboten, Schluss damit, gib her mein Kind, das spielst du nicht mehr?

Schmidt: Die Spiele, die definitiv strafrechtliche Inhalte haben, werden ja schon verboten. Das hat’s in der Vergangenheit schon des Öfteren gegeben. Ein ganz bekanntes Beispiel dafür ist das Spiel "Manhunt", das in Deutschland definitiv verboten ist. Und die USK macht, denke ich, einen sehr guten Job. Und es ist auch schon des Öfteren vorgekommen, dass hier einfach auch die Altersfreigabe, selbst die Ab-18-Altersfreigabe von der USK verweigert worden ist.

Müller: Das USK muss man erklären, das ist analog zur FSK.

Schmidt: Richtig, genau, die sind zuständig …

Müller: Also zur freiwilligen Selbstkontrolle.

Schmidt: Genau. Ja, und das heißt, es kommt also definitiv nicht jedes Spiel auch wirklich in die Ladentheke.

Müller: Aber ich meine, die Kleinen sind ja nicht dumm, die wissen doch auch längst, wie sie per illegalem Download an die Ware herankommen. Also da sind die Eltern dann doch wieder eigentlich in dem Sinne gefragt zu sagen, was ist da eigentlich auf der Festplatte, das ist jetzt verboten, das löschen wir, und wir legen anders irgendwelche Riegel davor?

Schmidt: Ja, also das ist auf alle Fälle ne Stelle, wo die Eltern nachrüsten müssen mit Wissen. Und wir versuchen einfach, Eltern auch dabei zu helfen. Wir haben zum Beispiel auf unserer Internetseite Anleitungen, wie an Konsolen, an PCs Jugendschutzmechanismen, die schon vorhanden sind, aktiviert werden können.

Oder als Beispiel "World of Warcraft", was übrigens kein Ballerspiel ist, sondern ein Online-Rollenspiel ist, wie da Eltern für das Spielerkonto des Kindes Zeitbeschränkungen vorgeben können. Das sind natürlich alles Sachen, die sind vorhanden, nur die werden unserer Meinung nach nicht ausreichend genug beworben, sondern da muss viel stärker, viel aggressiver den Eltern mitgeteilt werden: Passt mal auf, es gibt hier schon bereits Techniken, die sind schon da, ihr müsst sie nur nutzen. Und sie brauchen natürlich dann auch Hilfe, um diese dann auch zu aktivieren.

Müller: Sie spielen selbst, haben Sie uns eben verraten, Sie sind auch selbst Vater. Funktioniert das denn wirklich, was Sie da vorschlagen?

Schmidt: Also ich kann mich jetzt da nicht in irgendeiner Art und Weise beklagen, also es funktioniert bei uns wirklich hervorragend. Wir haben für unsere Kinder Medienzeiten eingerichtet, da fällt also nicht nur der Computer drunter, sondern auch die Fernsehzeit. Und wenn die Zeiten aufgebraucht sind, dann reicht in der Regel nur ein kurzer Satz, Ihr seid jetzt fertig für heute, und dann ist gut.

Natürlich gibt’s auch mal, sage ich jetzt mal, Ausnahmen, wenn wir nicht da sind, dann wird ein bisschen über die Stränge geschlagen, aber dafür gibt’s auch wieder andere Tage, wo unsere Kinder überwiegend nur draußen sind und so gut wie gar nicht vorm Fernseher oder vorm Computer sitzen. Und das gleicht sich dann aus. Man kann nicht alles wirklich auf die Minuten genau reglementieren. Mal ist es ein bisschen mehr, mal ein bisschen weniger, aber man muss schauen, dass ein gewisser Schnitt eingehalten wird.

Müller: Soll man die Kinder denn tatsächlich die ganze Zeit überwachen? Ich meine, wenn die draußen spielen, wenn die auf der Straße unterwegs sind, da machen die auch ihre Dinge, ohne dass wir da irgendwie Zugriff haben, und es gehört ja auch irgendwie dazu. Kann man das vergleichen, dass sie vielleicht auch mal da Dinge ausprobieren in dieser virtuellen Welt?

Schmidt: Das sollen sie sogar, weil nur so lernen sie, mit dem Medium umzugehen. Deswegen ist es auch immer so ein zweischneidiges Schwert, wenn man jetzt zu Hause irgendwelche Filterprogramme installiert, um zu verhindern, dass die Kinder auf irgendwelche Pornoseiten oder Gewaltseiten kommen. Man kann das vielleicht so ein bisschen vergleichen mit dem Griff auf die heiße Herdplatte. Das macht das Kind einmal, dann merkt es, aua, das tut weh, und ist in Zukunft bemüht, das eben nicht mehr zu machen.

Und genauso wird auch von anderen Stellen aus argumentiert, dass eben so ein Negativerlebnis im Internet unter Umständen auch dafür sorgt, dass das Kind automatisch ein bisschen vorsichtiger ist. Man kann nicht permanent daneben stehen, soll man auch nicht. Die Kinder müssen lernen, selber mit diesem Medium Computer, mit dem Medium Internet und auch mit den ganzen anderen neuen Medien wie zum Beispiel Handy besser umzugehen. Aber man sollte auf alle Fälle, wenn sie da ihre Gehversuche im Internet wagen, dass man in der Nähe ist, dass sie, wenn irgendwas passiert, einen sofort rufen können und man mit Rat und Tat zur Seite ist.

Müller: Im Deutschlandradio Kultur spreche ich mit Rainer Schmidt, dem Geschäftsführer von GameParents.de e.V. Er sagt, Eltern sollten einfach selbst mal die Ballerspiele ihrer Kinder ausprobieren. Immer dann, wenn’s zu gewalttätigen Ausbrüchen von Jugendlichen kommt, da denken wir gleich auch wieder an den Amoklauf von Winnenden, werden die Ballerspiele als schlimmer Einfluss genannt. Wie sehen Sie das, ist das Ego-Shooter Game nicht doch belastender als, ich sag’ mal, das schöne alte Räuber-und-Gendarm-Spiel?

Schmidt: Man muss einfach schauen, wie jemand mit dem Medium Computerspiel umgeht. Es gibt sicherlich Menschen, die vorbelastet sind aufgrund ihres sozialen Umfeldes, aufgrund von Mobbing hat das sicherlich eine verstärkende Wirkung. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, ich spiele sehr gerne selber Erwachsenenspiele, das heißt also überwiegend Spiele, die von der USK keine Jugendfreigabe erhalten haben, und ich kann nur von mir sprechen: Ich merke also in keinster Weise, dass ich irgendwie aggressiver bin, dass ich den Wunsch habe, jetzt wild ballernd durch irgendwelche Gebäude zu rennen, um Menschen wirklich real umzuschießen. Und ich bin noch nicht einmal in der Lage, ne reale Waffe wirklich abzufeuern, wüsste ich gar nicht, wie das geht.

Müller: Sie sind ja nun mit Ihrem Verein bei der Living-Games-Messe in Bochum vor Ort. Dort sollen die Eltern bei Ihnen die Killerspiele mal ausprobieren. Dementsprechend darf Ihr Stand oder Raum oder was Sie da haben, erst ab 18 Jahren betreten werden.

Schmidt: Richtig.

Müller: Trauen sich die Eltern denn überhaupt zu so einer Veranstaltung hin?

Schmidt: Das hoffe ich doch sehr, weil das Living Games Festival versucht ja, deutlich mehr zu sein als nur ’ne Messe, sondern es wird einfach versucht, das Gesamtpaket Computerspiel einfach informativ mal der Masse näherzubringen. Es geht nicht darum, dass jetzt da Spiele verkauft werden, sondern es geht in erster Linie auch darum, was haben die Spieleentwickler, die Publisher auch an sozialer Verantwortung, gerade im Jugendmedienschutz.

Es geht darum, wie breit ist das Berufsspektrum in der Spieleindustrie und eben, warum sind Spiele tatsächlich auch so was wie ein Kulturgut? Und am Samstag, da ist der Familientag, bieten wir dann einfach den Eltern an, sich einfach selber mal mit diesen Spielen auseinanderzusetzen.

Müller: Es gibt ja nicht wenige Eltern, die ganz einfach resigniert haben, die auch ja zurückschrecken wahrscheinlich vor der Technik ganz einfach. Es will ja nicht jeder unbedingt mit ’nem Computer zum Beispiel zu tun haben. Und die haben auch ein bisschen resigniert vor ihren digitalen Kindern. Wie wollen Sie denn diese Eltern erreichen?

Schmidt: Ich denke mal, dass man diese Eltern eventuell mehr erreichen kann als die Eltern, die in den modernen Medien, egal ob das jetzt Fernsehen, Computerspiel oder dergleichen ist, einfach einen Babysitterersatz sehen. Und ich denke schon, dass Eltern, die Angst vor der Technik haben, froh sind, wenn man ihnen sagt: Passt auf, wir sind hier, wir möchten euch helfen, es ist gar nicht so schwer. Und die ersten Schritte sind auch schnell gemacht.

Müller: Eltern an die Konsolen! Das fordert Rainer Schmidt, der Geschäftsführer von GameParents.de e.V. Er sagt, Eltern sollten einfach mal selbst die Ballerspiele ihrer Kinder ausprobieren, um diese Welt zu verstehen. Vielen Dank!

Schmidt: Danke auch!