Schmutzige Geschäfte mit deutschen Rüstungsexporten
Der Journalist Hauke Friederichs ist kein Anti-Waffen-Fanatiker, er hat ein professionell-nüchternes Buch über die deutschen Rüstungsexporte geschrieben. Darin dokumentiert er, wie in diesem Bereich Gesetze umgangen werden - und bricht so das Schweigen über die schmutzigen "Bombengeschäfte".
Der Stempel "Made in Germany" sollte im 19. Jahrhundert deutsche Piraterieprodukte aus dem britischen Empire fernhalten und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die (auch kriegsbedingte) Parole "Buy British!" unterstützen. Ausgerechnet nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er zum Gütesiegel: für Luxusautos etwa und - weniger laut beworben - für Rüstungsgüter. Deutsches Kriegsgerät - von Panzern und U-Booten über kleinere Waffen und Bauteile bis zu Technologie - spielt heute in der Champions League des Geschäfts mit dem Tod.
2010 verdienten deutsche Firmen, etwa zur Hälfte kleinere und mittlere, 2,12 Milliarden Euro. Zynisch gesagt: Um den deutschen Mittelstand muss man kaum besorgt sein. Wie viele Menschen den Erfolg mit dem Leben bezahlten? Unbekannt.
Der Journalist Hauke Friederichs gehört hierzulande zu den Wenigen, die über dieses Geschäft kontinuierlich kompetent berichten: in Zeitungen, in Blogs. Jetzt hat er ein Buch daraus gemacht.
Friederichs ist kein Anti-Waffen-Fanatiker. Er hat, schreibt er im Vorwort, bei Recherchen in Kriegsgebieten "durchaus zu schätzen gelernt, dass die Bundeswehr über Fahrzeuge verfügt, in denen die Insassen vor Explosionen geschützt sind". Man kann sich vorstellen, welchen emotionalen Stress er vor so einem Satz erlebt hat, umso schätzenswerter ist sein professionell-nüchterner Blick auf die vielen Ebenen der deutschen "Bombengeschäfte".
Zum Beispiel der "militärisch-industrielle Komplex". Nicht nur kluge Thrillerautoren gehen längst davon aus, dass all die neuen Kriege seit dem Ende der NATO-Ostblock-Konfrontation im Grunde Waffenmessen in "Reality"-Version sind. Politiker propagieren Abrüstung und verschrotten ein paar Altlasten, in Wahrheit passiert ein Wettrüsten sondergleichen. Deutschland ist mittendrin und heute der drittgrößte "Player" hinter den USA und Putins Reich, mit 37,5% Exportanstieg zwischen 2007 und 2011.
Zum Beispiel die juristisch-politische Ebene: Laut Grundgesetz dürfen Kriegswaffen nicht für Angriffskriege und nur mit Genehmigung der Bundesregierung "hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden". Das sagt auch das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Bis zum Mauerfall gab es ein Tabu: Export nur an Verbündete, also NATO-Staaten. Danach verhökerte die Bundesregierung altes NVA-Material in die halbe Welt.
Zwar wurde 2000 der Export in Staaten verboten, in denen systematisch Menschenrechte verletzt werden und die in Spannungsgebieten liegen. Aber seitdem boomt das Geschäft. Der jährliche Rüstungsexportbericht kommt "meist mit 12 bis 18 Monaten Verspätung", die Bundesregierung informiert nicht mal die Parlamentsausschüsse über "genehmigte Ausfuhren" - britische Parlamentarier dagegen werden alle Vierteljahr informiert. Auch was die Exportländer mit den "Produkten" tatsächlich anstellen, kontrolliert niemand.
Gesetze sind anscheinend dazu da, gebrochen zu werden. Von Regierenden, die sich auf Schweigen verlassen können - auch mediales. Und wenn nur, weil sich kaum jemand mit der Materie auskennt. Wer nicht mitschweigen möchte, muss Friederichs Buch lesen. Es ist gut dokumentiert, kompakt, selbst für Laien klar argumentiert, und gut lesen tut es sich auch noch.
Besprochen von Pieke Biermann
Hauke Friederichs: Bombengeschäfte - Tod made in Germany
Residenz Verlag, St. Pölten, Salzburg, Wien 2012
236 Seiten, 21,90 Euro
Links bei dradio.de:
Branche ohne Krise
Der internationale Waffenhandel boomt
"2011 gab es entscheidende Fortschritte bei den Menschenrechten"
Deutsches Institut für Menschenrechte zieht Bilanz
Frontverschiebung
Die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie
"Waffenexporte sind ein delikates Geschäft"
FDP-Politiker Rainer Stinner sieht keine Anzeichen für Rüstungsexporte nach Libyen
"Die Rechtslage erlaubt den Export von Kriegswaffen nicht"
Friedensforscher Moltmann über Guttenbergs Werbetour für den Eurofighter in Indien
2010 verdienten deutsche Firmen, etwa zur Hälfte kleinere und mittlere, 2,12 Milliarden Euro. Zynisch gesagt: Um den deutschen Mittelstand muss man kaum besorgt sein. Wie viele Menschen den Erfolg mit dem Leben bezahlten? Unbekannt.
Der Journalist Hauke Friederichs gehört hierzulande zu den Wenigen, die über dieses Geschäft kontinuierlich kompetent berichten: in Zeitungen, in Blogs. Jetzt hat er ein Buch daraus gemacht.
Friederichs ist kein Anti-Waffen-Fanatiker. Er hat, schreibt er im Vorwort, bei Recherchen in Kriegsgebieten "durchaus zu schätzen gelernt, dass die Bundeswehr über Fahrzeuge verfügt, in denen die Insassen vor Explosionen geschützt sind". Man kann sich vorstellen, welchen emotionalen Stress er vor so einem Satz erlebt hat, umso schätzenswerter ist sein professionell-nüchterner Blick auf die vielen Ebenen der deutschen "Bombengeschäfte".
Zum Beispiel der "militärisch-industrielle Komplex". Nicht nur kluge Thrillerautoren gehen längst davon aus, dass all die neuen Kriege seit dem Ende der NATO-Ostblock-Konfrontation im Grunde Waffenmessen in "Reality"-Version sind. Politiker propagieren Abrüstung und verschrotten ein paar Altlasten, in Wahrheit passiert ein Wettrüsten sondergleichen. Deutschland ist mittendrin und heute der drittgrößte "Player" hinter den USA und Putins Reich, mit 37,5% Exportanstieg zwischen 2007 und 2011.
Zum Beispiel die juristisch-politische Ebene: Laut Grundgesetz dürfen Kriegswaffen nicht für Angriffskriege und nur mit Genehmigung der Bundesregierung "hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden". Das sagt auch das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Bis zum Mauerfall gab es ein Tabu: Export nur an Verbündete, also NATO-Staaten. Danach verhökerte die Bundesregierung altes NVA-Material in die halbe Welt.
Zwar wurde 2000 der Export in Staaten verboten, in denen systematisch Menschenrechte verletzt werden und die in Spannungsgebieten liegen. Aber seitdem boomt das Geschäft. Der jährliche Rüstungsexportbericht kommt "meist mit 12 bis 18 Monaten Verspätung", die Bundesregierung informiert nicht mal die Parlamentsausschüsse über "genehmigte Ausfuhren" - britische Parlamentarier dagegen werden alle Vierteljahr informiert. Auch was die Exportländer mit den "Produkten" tatsächlich anstellen, kontrolliert niemand.
Gesetze sind anscheinend dazu da, gebrochen zu werden. Von Regierenden, die sich auf Schweigen verlassen können - auch mediales. Und wenn nur, weil sich kaum jemand mit der Materie auskennt. Wer nicht mitschweigen möchte, muss Friederichs Buch lesen. Es ist gut dokumentiert, kompakt, selbst für Laien klar argumentiert, und gut lesen tut es sich auch noch.
Besprochen von Pieke Biermann
Hauke Friederichs: Bombengeschäfte - Tod made in Germany
Residenz Verlag, St. Pölten, Salzburg, Wien 2012
236 Seiten, 21,90 Euro
Links bei dradio.de:
Branche ohne Krise
Der internationale Waffenhandel boomt
"2011 gab es entscheidende Fortschritte bei den Menschenrechten"
Deutsches Institut für Menschenrechte zieht Bilanz
Frontverschiebung
Die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie
"Waffenexporte sind ein delikates Geschäft"
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