Schnittstelle zwischen Schrecken und Schönheit

Von Adolf Stock · 16.03.2012
Ein eher unscheinbares Gebäude mit griechischem Portikus beherbergt derzeit das Weimarer Bauhaus-Museum. Das soll sich bald ändern, denn die Stadt der Dichter und Denker will neben Dessau und Berlin demnächst in der ersten Bauhaus-Liga spielen.
Heute sollte das Ergebnis des Wettbewerbs für das geplante Bauhaus-Museum bekanntgegeben werden. Doch die internationale Jury konnte keinen Sieger finden. Stattdessen hat sie gleich mehrere Entwürfe ausgezeichnet, die ganz unterschiedliche Wege gehen. Adolf Stock über die Bauhaus-Stadt Weimar und über die prämierten Entwürfe für ein neues Museum, die nun noch einmal diskutiert werden müssen.

Christoph Matschie: "Die Jury hat seit Dienstag getagt, heftig diskutiert, und im Ergebnis stehen vier Vorschläge, die in die engere Wahl kommen, das war keine einfache Aufgabenstellung. Ich darf daran erinnern, dass wir insgesamt 536 Teilnehmer in diesem Wettbewerb hatten."

Christoph Matschie, Vorsitzender des Stiftungsrates der Klassik Stiftung Weimar und Thüringer Kulturminister, kann keinen Sieger präsentieren, stattdessen gibt es vier Vorschläge mit einer Fülle ganz verschiedener Möglichkeiten. Statt Gold und Lorbeeren nur zwei zweite und zwei dritte Preise, dazu kommen drei Anerkennungen für architektonisch gute Ideen. Der Hamburger Architekt Jörg Friedrich, Vorsitzender des Preisgerichts.

"Ein zweiter Preis geht an den Architekten Johann Bierkandt aus Landau, und an ein Büro HKR, Kraus und Kursawe aus Köln. Wir haben zwei dritte Preise. Ein Preis geht an das Büro Professor Heike Hanada mit Benedikt Tonnon aus Berlin. Und ein dritter Preis geht an das Büro Bube/Daniela Bergmann aus Rotterdam."

Es war ein anonymer Wettbewerb. Sehr viele international bekannte Büros haben teilgenommen, aber gesiegt haben Architekten, deren Namen im öffentlichen Mainstream noch nicht verankert sind.

Jörg Friedrich: "Dieses anonyme Auswahlverfahren führt dazu, dass einfach derjenige, der ausgewählt wird, die Mehrheiten der Jury findet, und nicht etwa derjenige, deswegen die Mehrheit findet, weil er der bekannteste von den Teilnehmern ist."

Ein Modell gleicht einem futuristischen Flugobjekt, das auf einer Wiese in Weimar gelandet ist. Der Entwurf stammt von Zaha Hadid, ein spektakuläres Unikat, Raumschiffarchitektur, die überall landen könnte.

Jörg Friedrich: "Wenn Sie den Namen sich wegdenken, sehen Sie plötzlich, dass diese Arbeit möglicherweise in Weimar gar nichts zu suchen hat, aber der Name vielleicht hierher gehört."

Name dropping ist out. In Weimar kamen neue, weitgehend unbekannte Büros zum Zug. Dabei mussten sich die Architekten mit einem eher problematischen Standort auseinandersetzen.

Jörg Friedrich: "Es ist so die Schnittstelle zwischen allen Schrecklichkeiten und Schönheiten Weimarer Geschichte, es ist die Stelle zwischen faschistischer Architektur, faschistischem Städtebau, einer Parklandschaft und einer Erweiterung in die Moderne über die neue Weimarhalle. Und dann noch angrenzend an ein Wohngebiet und dann noch aufliegend auf einer vermüllten und verdreckten öl- und bleiverschmutzten Lagerfläche."

Die Entwürfe der Preisträger folgen zwei konträren Prinzipien: die eine Gruppe will das Museum in die angrenzende Parklandschaft integrieren, die andere Gruppe bevorzugt ein urbanes Konzept, sie entwirft Bauten für die Stadt mit durchweg robuster Architektur.

Es gibt einen auffälligen Drang, das Museum zu verbuddeln, einzugraben und unsichtbar zu machen. Ob das mehr als nur eine Mode ist, muss die Zukunft zeigen. Bei dem Entwurf von Hestermann/Rommel, für den es eine Anerkennung gab, fragt man sich, ob das Loch im Rasen der Eingang zum Museum oder die Zufahrt zur Tiefgarage ist. Hellmut Seemann, Präsident der Klassik Stiftung Weimar, spricht über die architektonische Haltung dieses Entwurfs.

"Das ist jetzt die Vorstellung, wir lassen uns auf die Debatte über Kubaturen, über Höhen, über all diese Dinge überhaupt nicht ein. Das Bauhaus-Museum ist überhaupt von der Idee her zu denken und nicht von irgendwelchen Bauformen, deswegen tun wir etwas, was orientiert ist an Fragen des Lichts, an Fragen der Energie, an Fragen der Nachhaltigkeit, und oben sieht man eigentlich so gut wie nichts."

So findet das Bauhaus zu seinen Wurzeln zurück, wird wieder zu einer Idee, die frische Kraft entfaltet. Ob das als Konzept für ein gutes Museum taugt, ist eine andere Frage.

Im Sommer hat Weimar erneut die Qual der Wahl. Bis dahin sollen die Preisträger ihre Entwürfe optimieren. Man will auch auf die Kosten schauen. 22 Millionen Euro müssen für den Neubau reichen, und auch die Bürger sollen ab jetzt eifrig mitdiskutieren und ihre Meinung sagen.

In Berlin und in Dessau wird schon lange das Bauhaus-Erbe verwaltet. Vielleicht ist das für Weimar eine Chance, denn hier könnte ein neues, freieres Verhältnis zum historischen Bauhaus gefunden werden. Die ausgewählten Entwürfe weisen in diese Richtung. Heute fehlte es noch an der nötigen Entschlossenheit, das Neue auf den Weg zu bringen.
Hellmut Seemann (rechts), Präsident der Klassik Stiftung Weimar und Thüringens Kulturminister Christoph Matschie (SPD)
Christoph Matschie und Hellmut Seemann (r), Präsident der Klassik Stiftung Weimar© dpa / picture alliance / Michael Reichel
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