Schöne neue Arbeitswelt

Die Thesen von Jakob Schrenk sind allesamt bekannt. Schrenks Buch "Die Kunst der Selbstausbeutung" gibt lediglich Richard Sennetts Analysen über die Deregulierung und Flexibilisierung der Arbeitswelt wieder und liefert einige Beispiele aus der Lebenswelt.
Da draußen ist Krieg. Und wir alle sind Opfer. Der 30-jährige Soziologe und Journalist Jakob Schrenk, bisher noch nicht mit größeren Abhandlungen aufgefallen, zeichnet ein apokalyptisches Bild der modernen Arbeitswelt - schon allein, weil es gut zu einem Buch passt, das sich ja auch verkaufen soll.

Da tut ein ordentlicher Schluck aus der Weltuntergangspulle immer gut. Auch wenn man dabei gerne die positiven Erscheinungen der neuen Arbeitswelt - weniger Hierarchien, mehr persönliche Freiheiten - gerne übergeht. Es passt ja so gut. "Die Kunst der Selbstausbeutung" geht bei ihm nämlich so: Es sind nicht wir, die wir uns in unserer Arbeit verwirklichen - sie ist es, die sich in uns verwirklicht. Der moderne globalisierte Kapitalismus brauche flexible Menschen, die sich ganz der effektiven Erwerbstätigkeit widmen und dabei ihr Privatleben und ihre persönlichen Wünsche zurückstellen können. Die neue Freiheit, die sie seit einigen Jahren genießen, würde vom Arbeitgeber nur dafür genutzt, seine Beschäftigten noch weitgehender ausbeuten zu können. Nach einem Motto, das über dem gesamten Buch stehen könnte: "Macht was ihr wollt. Aber seid profitabel."

Der althergebrachte Nine-to-Five-Job werde also abgelöst von einer Arbeit, die weniger starre Strukturen vorgibt, auf Hierarchien, Firmentraditionen und Gewerkschaftskämpfe verzichtet, dafür aber auch mehr verlangt: Verfügbarkeit, emotionalen Einsatz, Opferung der Familie und der Freunde, und letztendlich: Beendigung des Privatlebens.

Nun - diese Thesen sind nicht neu und wurden nicht zuletzt bei dem amerikanischen Soziologen Richard Sennett ("Der flexible Mensch") soziologisch fundiert und kenntnisreich längst ausgeführt. Jakob Schrenk muss Sennett sehr genau gelesen haben, denn dessen Ideen finden sich fast deckungsgleich bei seinem jungen Adepten. In dieser Hinsicht greift man doch lieber zum Original.

Doch Schrenk hat - trotz aller Katastrophenszenarien von der Allmacht des Kapitalismus bis in die letzte Ecke des Lebens - eine besondere Stärke: die Beispiele. Da ist der an der Münchner Journalistenschule ausgebildete Autor dann eben doch Journalist genug. Er hat recherchiert, er hat Leute getroffen, er lässt sie mit Namen und Geschichte zu Wort kommen. Er tritt eine Reise durch Deutschland an, um seine Thesen wieder zu finden. Man kann von der Chefin einer Internetfirma lesen, die ihre Angestellten per Vertrag zur guten Laune zwingt, von einem Vater, der seine vierjährige Tochter zum Chinesischunterricht schickt, um sie auf den globalen Wirtschaftsmarkt vorzubereiten, von einem 33-jährigen Jungbanker, dessen Privatleben nur noch aus dem Fitnessstudio besteht, oder vom Manager einer Drogeriekette, der nachts nicht schlafen kann, weil die Arbeit ihn nicht loslässt.

Das sind Fälle, die der Leser mit Interesse verfolgen kann - die Geschichten von konkreten Menschen. Schrenk bietet dabei auch noch makellose Stilistik. Den Rest aber hätte Jakob Schrenk sich schenken können. Sein Vorbild Richard Sennett hat über all das schon längst veröffentlicht und nicht nur er. Schrenk fügt dem Diskurs über die moderne Arbeitswelt keine einzige neue These bei.

Rezensiert von Vladimir Balzer

Jakob Schrenk: Die Kunst der Selbstausbeutung - Wie wir vor lauter Arbeit unser Leben verpassen
Dumont 2007
200 Seiten, 16,90 Euro