Schöpfer eines "souverän-witzigen Bayern-Bildes"

Von Knut Cordsen |
Der Kabarettist Gerhard Polt und die Musikgruppe Biermösl Blosn sind die ersten Träger des Großen Karl-Valentin-Preises. Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude überreichte die undotierte Ehrung am Sonntag bei einer Benefiz-Gala im Münchner Volkstheater.
"Ist Polt, ist die Biermösl Blosn valentinesk?"

Die Frage stellen heißt sie beantworten. Der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude indes fand in seiner Lobrede im Münchner Volkstheater zunächst einmal äußerliche Unterschiede vor allem zwischen Gerhard Polt und Karl Valentin, dem Namenspatron des erstmals verliehenen Preises, jenem "Gesellen mit langen, spitzen Don-Quichotte-Beinen", wie ihn Kurt Tucholsky verzückt charakterisiert hat.

"Spindeldürr, tragikomisch, ein Komiker von der traurigen Gestalt. Polt hingegen – ein gestandenes Mannsbild, voller Saft und Kraft. Raumfüllend in den größten Sälen und Theaterhäusern. Phänotypisch also fast ein Antipode. Aber doch: Beide haben soviel Typisches, Treffendes, Entlarvendes auf die Bühne, auf die Leinwand gebracht, Polt auch auf den Bildschirm, dass sie als Verkörperung hiesiger Wesensart gelten."

Valentin wie Polt wie auch die Biermösl Blosn, so Ude, hätten "dem ganzen Land ein neues, selbstironisches und ätzend kritisches, souverän-witziges Bayern-Bild verschafft". Vollkommen zutreffende Worte, aber wollte sie noch wer hören?

"Nein, das wollen Sie ja gar nicht hören, sondern Musik, Musik, Musik und zwar von der Biermösl Blosn."

Die aber war nicht, wie gewohnt, selbdritt, sondern nur zu zweit gekommen. Christoph Well lag mit Fieber im Bett, weshalb nur seine Brüder Hans und Michael gemeinsam mit Polt als des Freistaats beste Botschafter die Bühne betraten.

Polt: "Also, der Hansi hat extra mitgenommen, er hat auch Recht, jetzt wollen wir halt, die wir da sind, noch unseren Senf dazugeben. Das ist ein biologischer Senf, der Hansi mag gern einen biologischen Senf, aber was da wirklich drin ist, weiß ich nicht. Also ich hoff’, a Senf."

Polt und der Biermösl Blosn zu erleben ist immer ein Genuss, und das, weil sie genau das tun, was auch Karl Valentin dem Satiriker Eckhard Henscheid zufolge tat: in Kabarettnummern nicht nur Sprachkritik, Gesellschaftskritik, nein: "Existenzkritik" üben. Im Münchner Volkstheater boten sie Altbekanntes wie ihr Gstanzl über die Geschichte des Moscheebaus zu Ried, das sich oberbayerisch "Riad" ausspricht und also ziemlich arabisch klingt, - ein Programm, das sie vor Jahren schon in "Créme Bavaroise: Obatzt is" gespielt haben, das aber nach wie vor von großer Klasse ist.
Und auch anderes boten die Biermösln zusammen mit Gerhard Polt.

Das alles war natürlich sehr im Sinne des Volkssängers, Misanthropen und Musikalclowns Karl Valentin, der 1948 wohlgemerkt am Rosenmontag gestorben ist.

Polt: "Schon wieder Fasching, oder? Brutal. Wahnsinn. Ja, ich sag’s ja nur, weil es ist die ganze Gaudi wieder, und ich kann’s ja sowieso net leiden."

Der 64-jährige Schlierseer Polt brillierte im Volkstheater in der Rolle eines Bootsverleihers und mit dem bravourösen Monolog einer minderen Bürogestalt, die verzweifelt versucht, sich einen einzigen eigenen Gedanken zu machen, daran aber kläglich scheitert und nun schimpft über das "ambulante Gschwerl" von Gedanken.

Polt: "Im Grunde seines Wesens ist der Mensch ein Gefühlsmensch, ein Gefühlswesen, ja, ein Gefühlswesen, und die Gedanken, die können mich mal am Arsch lecken, gell, so schaut’s aus, so schaut’s aus."

Polt hat zusammen mit der Biermösl Blosn 2002 schon einige Nummern des "unbekannten Valentin" ausgegraben und neu inszeniert, darunter auch die Nummer "Zwangsvorstellungen", in der Valentin darüber räsoniert, ob man nicht - parallel zum Schulzwang - einen "Theaterzwang" einführen und die Menschen folglich in "Zwangsvorstellungen" schicken sollte. Ganz ohne Zwang, aus freiem Willen waren die Münchner ins Volkstheater geströmt, um Polt in der dreistündigen Matinee auch aus Briefen Karl Valentins unnachahmlich vorlesen zu hören. Valentin, dessen 125. Geburtstag am 4. Juni gefeiert wird, hatte einst den Geburtstagsgruß an einen Kollegen mit der Bitte verbunden, diesen doch entsprechend zu entgelten.

Polt: "Ich ersuche Dich, mir für meine an Dich gesandte Gratulation Reichsmark drei einzusenden, da ich aus besonderen Gründen die Gratisgratuliererei schon seit Jahren eingestellt habe. Sollte ich binnen drei Tagen nicht im Besitz der drei Mark sein, wäre ich gezwungen, die ganze Angelegenheit meinem Rechtsanwalt zu übergeben. Mit lauwarmen Grüßen, Dein Kollege Karl Valentin."

Nun also hat der Valentin-Interpret Gerhard Polt verdientermaßen nach dem Heimito-von-Doderer-Preis, dem Jean-Paul-Preis, dem Adolf-Grimme-Preis endlich den Preis erhalten, der ihm am ehesten gebührt: den Großen Karl-Valentin-Preis. Der Preis allerdings hat einen Haken: Er ist mit keinerlei Geldsegen verbunden – er ist undotiert, und damit – gewissermaßen, ja, man könnte sagen: ein Saupreis.