Schöpfer schräger Helden

Von Claas Christophersen und Norbert Zeeb · 17.04.2012
Bisher galt Frank Schulz als Geheimtipp. Doch seit dem Erscheinen seines Krimis "Onno Viets und der Irre vom Kiez" ist Schulz, Jahrgang 1957, in aller Munde. Wer ist dieser Autor, den es von Hagen nach Hamburg verschlagen hat und der sich am liebsten von Dieter Bohlen oder dem "Dschungelcamp" inspirieren lässt?
"Mann, du, pass auf jetzt! – Zwo beide …"

Jede Woche spielt der Schriftsteller Frank Schulz Tischtennis in einer Sporthalle im Hamburger Stadtteil Eppendorf. Acht Herren - fast alle jenseits der Fünfzig - stehen an den Platten. Hier herrscht bitterer Ernst. Selbstbezichtigungen bei verlorenen Bällen, aber auch seltsame Triumphlaute sind zu vernehmen.

"Tana – Schaa … – SCHAAAA … – Schubi!"

"KABANAAAA!"

Ein Kreis pingpongbegeisterter Männerfreunde bildet auch die Keimzelle von Frank Schulz‘ neuem Roman "Onno Viets und der Irre vom Kiez", einem ziemlich ungewöhnlichen Thriller.

"Ich bin erstmalig in meiner zwanzigjährigen Laufbahn Spitzentitel."

... und der Verlag Galiani fährt groß auf für einen Autor, der bisher eher ein Insidertipp war. Noch vor Erscheinen des Romans drängen sich mehr als 400 Medienvertreter und Buchhändler in einem Hamburger Szeneclub. Auf der Bühne: Schwergewichte des Literaturbetriebs wie Harry Rowohlt, Karen Duve und Sven Regener, die Frank Schulz an diesem Abend bei einer Live-Hörbuchlesung unterstützen.

"'Ungefähr viertel vor neun, Après Ping-Pong im 'Tre Tigli‘. Kaum dass wir unseren Stammtisch mit Beschlag belegt hatten, präsentierte Onno uns sein Husarenstück. So, Sportsfreunde, Achtung, Achtung. Ich glaub, ich wird‘ Privatdetektiv. Öff, Öff. Gelächter.""

"Wie der Ich-Erzähler an einer Stelle sagt: In einer Gesellschaft, in der nach Leistung bezahlt wird, wäre Onno eigentlich ein Fall für die Organbank. Der kann nicht viel, aber gerade weil er nicht viel kann, aber trotzdem nicht zum Opfer gestempelt werden will, finde ich das heldenhaft."

Der vom Schauspieler Jan-Georg Schütte gesprochene Onno Viets kommt beim Publikum gut an - genauso wie "Poptitan" Nick Dolan, dem der Bestsellerautor und Musiker Sven Regener die Stimme leiht. Dolan, eine Persiflage der realen Fernsehfigur Dieter Bohlen, möchte, dass der frischgebackene Privatdetektiv Onno dessen untreue Geliebte, Fiona Popo, observiert .

"Schulz (Erzähler): Sagt ihm, Onno, der Name Fiona Popo was? - Onno (J. G. Schütte): Ääääh, ja, achso, natürlich, DIE Frau Popo, sorry. - Schulz (Erzähler): Wie viele Frau Popos kennt er, Viets, denn, sag mal, er ist ja ... - Queckenborn (S. Regener): ... ‘n ganz schlimmä Fingä, passmaauf, ja? - Schulz (Erzähler): Dolan wiederholt's nur ungern, da ist er ... - Queckenborn (S. Regener): ... gaanz äährlich ... - Schulz (Erzähler): ... aber er miuss sich ... - Queckenborn (S. Regener): ... tausennprozendich ... - Schulz (Erzähler): ... drauf verlassen können, dass davon nichts an die Öffentlichkeit drängt. - Queckenborn (S. Regener): Sacht man 'drääängt‘, sachma? - Gelächter."

"Ja, ich guck viel Promi-Scheiß, ich betrachte das wirklich als hervorragende Recherchequelle. Also momentan, ich trau mich kaum, das laut zu sagen, aber dieses Dschungelcamp, das ist großartig."

"Also ‘ne Figur, Fiona Popo, wie Fiona Popo, die verdankt sich solchen Einblicken. Also, ich kenn‘ solche Leute nicht persönlich, aber wenn man ‘n paar Features oder was weiß ich, diese Shows gesehen hat und so, dann kann man ein gewisses Bild daraus destillieren."

Den Sinn für Komik und die genaue Beobachtungsgabe schulte Schulz in seinem nordniedersächsischen Heimatdorf Hagen. Diesem Mikrokosmos verdankt er nicht nur seine ersten drei Romane, die "Hagen-Trilogie". Schon zu Jugendzeiten überboten sich der spätere Schriftsteller und ein Freund darin, Gestik, Mimik und sprachliche Marotten der Dorfbewohner detailgetreu nachzuahmen.

"Wir haben daran so einen Heidenspaß gehabt und haben dabei festgestellt, dass wir, obwohl eigentlich, ja, mehr oder weniger die Randfiguren in so ‘nem Dorf waren, so mit 15, 16 , 17, dann als Hippies und langhaarig und was weiß ich was alles, hätten die Bürger eigentlich unsere Feinde sein müssen, aber, komischerweise, in dem Moment, in dem wir sie imitierten, in dem wir uns mit ihnen befassten und so weiter, das ging gar nicht ohne Liebe. Das war praktisch nicht möglich. Sonst kriegte man die nicht richtig zu packen."

Aus dem Beobachten wird das Schreiben - seit mittlerweile zwanzig Jahren professionell, mit Höhen und Tiefen - und Nebenjobs, auf die Frank Schulz angewiesen war, bis er mit seinem Verlag einen Vorschuss für zwei Bücher vereinbarte .

"Leider läuft dieser Vorschuss dann eben schon nächsten Herbst aus, und das zweite Buch ist nicht mal angefangen. Insofern kann man da nur hoffen, dass dieses Buch schon mal ‘n bisschen mehr einspielt als das, was ich schon verfressen hab, und, ja, so ist die momentane Knete-Lage."

Doch Frank Schulz hat gelernt, auch unter schwierigen Bedingungen wie finanziellen Engpässen oder Schreibblockaden die Ruhe zu bewahren. Eine Fähigkeit, die ihn auch durch so manches Match in seiner wöchentlichen Hamburger Ping-Pong-Runde bringt.

"Der hat Zwei-Null geführt, und ich hab ihn noch Drei-Zwei zu packen gekriegt, und zwar nur, nur, das war ‘ne reine Nervensache, der war besser als ich, so gut, wie der in den ersten zwei Sätzen gespielt hat, würde mir schwerfallen, so ‘ne Klasse aufzubringen. Und dann gab's irgendwann so ‘n Punkt, wo ich merkte, so, ich kann ihn irgendwo an den Eiern packen, ich krieg ihn an den Nerven zu fassen."


Lese- und Hörhinweise:
Frank Schulz' Roman " Onno Viets und der Irre vom Kiez" ist in diesem Frühjahr im Galiani Verlag erschienen, hat 368 Seiten und kostet 19,99 Euro.

Ein Mitschnitt der Hamburger Lesung mit Harry Rowohlt, Rocko Schamoni, Sven Regener und vielen anderen ist als Hörbuch bei Roofmusic erschienen, 1 CD, zum Preis von 14,95.