Schon bald: Weltweiter Schutz für den Kölner Karneval

Von Dirk Fuhrig · 29.11.2012
Seit einiger Zeit kümmert sich die UNESCO - neben den Welterbestätten - auch um so sogenannte "immaterielle" Kulturgüter, wie volkstümliche Bräuche, Gesänge oder alte Handwerkstechniken. Anders als 148 Länder weltweit hat Deutschland die entsprechende Konvention bislang nicht ratifiziert. Im Januar aber soll es allerdings so weit sein.
Gehört das Oktoberfest ins Weltkulturerbe? Oder der Kölner Karneval? Und was ist mit der guten alten Tradition des Skatspiels? - Solche und ähnliche Vorschläge könnten kommen, wenn sich Deutschland ab dem kommenden Jahr an der Ausschreibung zum so genannten "immateriellen Kulturerbe" der UNESCO beteiligt.

Kriterien sind nicht so leicht festzulegen. Christoph Wulf, Vizepräsident der deutschen UNESCO-Kommssion:

"Es wird schwieriger zu entscheiden sein. Bei einem Moment können sie sagen: Das hat sich gezeigt in den letzten Jahrzehnten, das ist im Zentrum der Aufmerksamkeit, das ist für unsere kulturelle Identität wichtig. Das ist bei Formen, die etwa an den Körper gebunden sind, bei Tänzen, viel schwieriger zu identifizieren. Das andere ist an die Dynamik der Kultur gebunden, ist in Bewegung."

Was ist denn nun genau "immaterielles Kulturerbe"? Sind es volkstümliches Brauchtum oder eher hochkulturelle Leistungen? Luxemburg zum Beispiel hat seine Echteracher Springprozession auf die UNESCO- Liste gebracht. Frankreich seine Kochkunst und Aserbaidschan sein Frühlingsfest Novruz. Vor allem Länder außerhalb Europas, in Asien und Afrika, sind beim "immateriellen Erbe" bislang stark vertreten.

"Und nun, nach einer ganzen Reihe von Jahren, haben viele Kulturen gesagt in Afrika, in Asien: 'Ja es fehlen ja die ganzen anderen Dinge, die unsere Kultur ausmachen. Wir haben ja keine großen Bauten, aber wir haben Tänze, wir haben Rituale, wir haben Arbeitsformen, die unsere Kultur ausmachen.'"

Deutschland hat sich ziemlich Zeit gelassen. Kein Wunder, könnte man sagen. Immerhin stehen hierzulande genügend "materielle" Welterbegüter, die die UNESCO unter ihren Schutz gestellt hat - von der Berliner Museumsinsel über die Wartburg bis Mittelrheintal und Wattenmeer. Da hatte man es mit der Ratifizierung der entsprechenden Vereinbarung für die "immateriellen" Güter nicht so eilig.

Im Januar soll es jetzt aber so weit sein, sagt Monika Grütters, Vorsitzende des Bundestags-Ausschusses für Kultur und Medien:

"Warum das so lange gedauert hat: Deutschland ist kompliziert und umständlich., Dass ist mit Verlaub, die UNESCO aber auch oft. Es gab Unklarheiten darüber, nach welchen Kriterien die immateriellen Kulturgüter ausgewählt werden sollten. Ich nehme an, dass das in anderen Ländern auch so war, aber vielleicht waren die etwas pragmatischer oder unerschrockener. Dann gab es eine Debatte darüber, dass es auch Missbrauch durch ökonomische oder ideologische Interesse geben könnte. Ich finde es richtig, dass wir auf die Brüche unserer Geschichte hinweisen, aber ich fände es verkehrt, wenn das hier zum Top-Thema gemacht würde. Also, wir haben in erster Linie positive Traditionen, aber natürlich gehört die große Debatte auch über unsere jüngere Geschichte da mit da rein. "

Durch die von Grütters erwähnten Brüche in der deutschen Geschichte könnte es natürlich zu heiklen Debatten kommen. Eine Fuge von Johann Sebastian Bach zum Beispiel dürfte unstrittig sein. Aber was ist mit Richard Wagner? Welche kulturellen Traditionen sind deutschlandweit als identitätsstiftend akzeptiert? - Da darf man sich auf lebhafte Diskussionen gefasst machen. Das deutsche Reinheitsgebot wird als Vorschlag hoch gehandelt. Ebenso die seit vielen Jahrhunderten gepflegte deutsche Handwerksausbildung.

Christine Merkel (Deutsche UNESCO-Kommission): "Handwerk, Know-How - gibt es seitdem es die Menschheit gibt, Handwerkskünste, sonst wären wir alle nicht geboren. Aber teilweise nimmt natürlich die Zahl der Menschen ab, die diese Künste beherrschen. Und die entscheidende Frage ist: Wie werden diese Künste vermittelt? "

Handwerkskunst, nicht nur in Deutschland, steht ganz vorn bei den UNESCO-Fachleuten für's Immaterielle; neben Ritualen und Festen und mündlichen Überlieferungen. In Zypern etwa steht eine Art Poetry Slam nach Vätersitte auf der Schutz-Liste.

Für Deutschland könnte sich Christoph Wulf ebenfalls Gesänge als schützendwertes Gut vorstellen:

"Man könnte zum Beispiel denken, dass die Chöre in Deutschland so etwas wie Ausdruck einer nationalen Tradition sind, die sie woanders nicht haben in dieser Weise."

Bis aus Deutschland immaterielle Kulturgüter von der UNESCO in ihre Liste aufgenommen werden können, wird es allerdings noch einige Zeit dauern,. Erst nach der geplanten Ratifizierung im Januar darf Deutschland Vorschläge einreichen - zwei pro Jahr. Und auf die müssen sich erst 16 Bundesländer einigen. Stichwort: Kulturhoheit der Länder.

So entscheidet die UNESCO in der kommenden Woche bei ihrer Sitzung in Paris erstmal über die mehr als 40 Vorschläge aus zahlreichen anderen Ländern: Über die Geigenbautradition in Cremona, Töpferkunst in Botswana, "Strategien zu Ausbildung von Puppenspielern" in China - oder den Karneval im brasilianischen Recife. Wird der akzeptiert, dann dürfte womöglich auch der Kölner Karneval in ein paar Jahren seine Chance als immaterielles rheinisches Kulturgut bekommen.

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