Schon der Titel ein Skandal
"Die Hose" - ein in der Prüderie der Kaiserzeit ungeheuerliches Wort. In seiner Komödie entlarvt Carl Sternheim mit scharfer Zunge die Doppelmoral der bourgeoisen Gesellschaft. Vor 100 Jahren feierte das Stück in Berlin Premiere.
Auszug aus: "Die Hose":
"Dass ich nicht närrisch werde!
-Tu den Stock fort!
Geschändet im Maul der Nachbarn, des ganzen Viertels. Frau Maske verliert die Hose!
-Au! Ach!
Auf offener Straße, vor den Augen des Königs sozusagen. Ich, ein einfacher Beamter!"
(Auf der Bühne ein bürgerliches Wohnzimmer. Herr und Frau Maske kommen gerade von der Parade, er außer sich.)
"Ist es nicht Zeit, zu Haus Bänder zu binden, Knöpfe zu knöpfen? Unmaß, Traum, Phantasien im Leib, nach außen Liederlichkeit und Verwahrlosung."
-"Ich hatte eine feste Doppelschleife gebunden.
"Ha, eine feste Doppelschleife, Herrgott, da hast du eine feste Doppelohrfeige!"
-"Au, ah!"
Eine in aller Öffentlichkeit gerutschte Damenhose – der tyrannische Hausherr fürchtet um Ansehen und Stellung. Aber er wittert auch schnell ein lukratives Geschäft: Den lüsternen Augenzeugen des Hosenfalls kann er ein Zimmer vermieten. Begierig auf Abenteuer sind der Schriftsteller Scarron und der Friseurgehilfe Mandelstam sofort zur Stelle und umschwärmen die schöne Luise. Sie lässt sich Scarrons Avancen gerne gefallen, im entscheidenden Moment jedoch stürzt sich der selbstgefällige Schwadroneur in seine "Dichtung". Ihr rüstiger Ehemann dagegen erringt seinen Erfolg bei der Nachbarin und verkündet danach erotisch gestärkt:
"Nun will ich aber auch mit meinem großen Geheimnis heraus:
Jetzt kann ich es, dir ein Kind zu machen, verantworten."
"Die Hose" ist das erste Stück des wohlhabenden Bankierssohns Carl Sternheim, das Max Reinhardt vom Deutschen Theater begeistert annimmt. Doch schon der Titel erregt Anstoß. Polizeipräsident Traugott von Jagow hat "aus Gründen der Sittlichkeit" sofort ein Verbot erlassen. Auch die Umbenennung in "Der Riese" besänftigt den scharfen Zensor nicht. Reinhardt und Sternheim verfallen auf einen Trick. Am Morgen des 15. Februar 1911 ist Generalprobe in den Berliner Kammerspielen. Tilla Durieux, Schauspielerin und Frau von Sternheims Verleger Cassirer, erhält ein Telegramm:
"Ich sollte neben Jagow sitzen und ihn bei den von der Zensur beanstandeten Stellen ablenken. Belustigt und geehrt über das Vertrauen, das man in meine Unterhaltungsgabe setzte, ließ ich mich mit Berlins bestgehaßtem Manne bekannt machen, und bald waren wir in ein angeregtes Gespräch vertieft. Ich kannte das Stück und seine gefährlichen Klippen genau, und sooft es an der Zeit war, flüsterte ich meinem Nachbarn eine Bemerkung zu und sah ihn mit Vergnügen von der Bühne abgelenkt."
Das Stück durfte am Abend gespielt werden. Doch der Polizeipräsident war von der jungen Künstlerin so enflammiert, dass er einen Brief schrieb und fragte, ob man sich zum näheren Kennenlernen nicht einmal träfe. Cassirer schäumte, Alfred Kerr witterte eine Gelegenheit, der Zensur einen Stoß zu versetzten, und machte die Sache publik:
"Es gab ein Konzert, das bis in die weiteste Ferne zu hören war. Kleine Gedichte erschienen in Witzblättern, und in der Friedrichstraße wurde von den Zeitungsverkäufern ausgerufen: ‘Traugott und Tilla’."
Ein Skandal, den man eigentlich von der Uraufführung erwartet hätte. Doch die verlief ruhig. Felix Hollaender hatte brav inszeniert, im Stil der üblichen Schwänke. Die vielschichtigen Charaktere wurden verkannt, die knappen, im expressionistischen Stil hingeschleuderten Dialoge verflacht. Die Stimmung im Saal blieb ablehnend und kühl. Und doch sollte die Komödie den Durchbruch des bislang erfolglosen Dramatikers besiegeln. Sie eröffnete den Zyklus "Aus dem bürgerlichen Heldenleben", in dem Sternheim als "Arzt am Leib seiner Zeit" die verlogene bourgeoise Gesellschaft der Kaiserzeit einer scharfen satirischen Analyse unterzog. Hinter der "Maske" von Sittlichkeit und Moral nichts als lüsterner Trieb und egoistische Gier:
"Ein kleiner Beamter in plüschener Welt weiß, Peinlichkeiten von außen zu entgehen, genügt es, Plüsch unter Plüsch zu scheinen. Neu aber, für sich allein, weiß er als unerhörtes Geheimnis: Führt man sich nach außen hinreichend mitbürgerlich und psychologisch auf, darf man nach innen brutal, bronzen, ja ein zyklopischer zu sich selbst gewillter Viechskerl sein ,"
... schreibt Carl Sternheim über sein Drama. Der Sohn, den dieser "kleine Beamte" zeugt, wird jener Christian Maske sein, der in den kommenden Komödien seinen sozialen Aufstieg bis in die Aristokratie hinein skrupel- und rücksichtslos durchpeitschen wird.
"Dass ich nicht närrisch werde!
-Tu den Stock fort!
Geschändet im Maul der Nachbarn, des ganzen Viertels. Frau Maske verliert die Hose!
-Au! Ach!
Auf offener Straße, vor den Augen des Königs sozusagen. Ich, ein einfacher Beamter!"
(Auf der Bühne ein bürgerliches Wohnzimmer. Herr und Frau Maske kommen gerade von der Parade, er außer sich.)
"Ist es nicht Zeit, zu Haus Bänder zu binden, Knöpfe zu knöpfen? Unmaß, Traum, Phantasien im Leib, nach außen Liederlichkeit und Verwahrlosung."
-"Ich hatte eine feste Doppelschleife gebunden.
"Ha, eine feste Doppelschleife, Herrgott, da hast du eine feste Doppelohrfeige!"
-"Au, ah!"
Eine in aller Öffentlichkeit gerutschte Damenhose – der tyrannische Hausherr fürchtet um Ansehen und Stellung. Aber er wittert auch schnell ein lukratives Geschäft: Den lüsternen Augenzeugen des Hosenfalls kann er ein Zimmer vermieten. Begierig auf Abenteuer sind der Schriftsteller Scarron und der Friseurgehilfe Mandelstam sofort zur Stelle und umschwärmen die schöne Luise. Sie lässt sich Scarrons Avancen gerne gefallen, im entscheidenden Moment jedoch stürzt sich der selbstgefällige Schwadroneur in seine "Dichtung". Ihr rüstiger Ehemann dagegen erringt seinen Erfolg bei der Nachbarin und verkündet danach erotisch gestärkt:
"Nun will ich aber auch mit meinem großen Geheimnis heraus:
Jetzt kann ich es, dir ein Kind zu machen, verantworten."
"Die Hose" ist das erste Stück des wohlhabenden Bankierssohns Carl Sternheim, das Max Reinhardt vom Deutschen Theater begeistert annimmt. Doch schon der Titel erregt Anstoß. Polizeipräsident Traugott von Jagow hat "aus Gründen der Sittlichkeit" sofort ein Verbot erlassen. Auch die Umbenennung in "Der Riese" besänftigt den scharfen Zensor nicht. Reinhardt und Sternheim verfallen auf einen Trick. Am Morgen des 15. Februar 1911 ist Generalprobe in den Berliner Kammerspielen. Tilla Durieux, Schauspielerin und Frau von Sternheims Verleger Cassirer, erhält ein Telegramm:
"Ich sollte neben Jagow sitzen und ihn bei den von der Zensur beanstandeten Stellen ablenken. Belustigt und geehrt über das Vertrauen, das man in meine Unterhaltungsgabe setzte, ließ ich mich mit Berlins bestgehaßtem Manne bekannt machen, und bald waren wir in ein angeregtes Gespräch vertieft. Ich kannte das Stück und seine gefährlichen Klippen genau, und sooft es an der Zeit war, flüsterte ich meinem Nachbarn eine Bemerkung zu und sah ihn mit Vergnügen von der Bühne abgelenkt."
Das Stück durfte am Abend gespielt werden. Doch der Polizeipräsident war von der jungen Künstlerin so enflammiert, dass er einen Brief schrieb und fragte, ob man sich zum näheren Kennenlernen nicht einmal träfe. Cassirer schäumte, Alfred Kerr witterte eine Gelegenheit, der Zensur einen Stoß zu versetzten, und machte die Sache publik:
"Es gab ein Konzert, das bis in die weiteste Ferne zu hören war. Kleine Gedichte erschienen in Witzblättern, und in der Friedrichstraße wurde von den Zeitungsverkäufern ausgerufen: ‘Traugott und Tilla’."
Ein Skandal, den man eigentlich von der Uraufführung erwartet hätte. Doch die verlief ruhig. Felix Hollaender hatte brav inszeniert, im Stil der üblichen Schwänke. Die vielschichtigen Charaktere wurden verkannt, die knappen, im expressionistischen Stil hingeschleuderten Dialoge verflacht. Die Stimmung im Saal blieb ablehnend und kühl. Und doch sollte die Komödie den Durchbruch des bislang erfolglosen Dramatikers besiegeln. Sie eröffnete den Zyklus "Aus dem bürgerlichen Heldenleben", in dem Sternheim als "Arzt am Leib seiner Zeit" die verlogene bourgeoise Gesellschaft der Kaiserzeit einer scharfen satirischen Analyse unterzog. Hinter der "Maske" von Sittlichkeit und Moral nichts als lüsterner Trieb und egoistische Gier:
"Ein kleiner Beamter in plüschener Welt weiß, Peinlichkeiten von außen zu entgehen, genügt es, Plüsch unter Plüsch zu scheinen. Neu aber, für sich allein, weiß er als unerhörtes Geheimnis: Führt man sich nach außen hinreichend mitbürgerlich und psychologisch auf, darf man nach innen brutal, bronzen, ja ein zyklopischer zu sich selbst gewillter Viechskerl sein ,"
... schreibt Carl Sternheim über sein Drama. Der Sohn, den dieser "kleine Beamte" zeugt, wird jener Christian Maske sein, der in den kommenden Komödien seinen sozialen Aufstieg bis in die Aristokratie hinein skrupel- und rücksichtslos durchpeitschen wird.