Gespielter Krieg
Am 18. September werden die Schotten entscheiden, ob sie von England unabhängig werden wollen. Der Tag wurde mit Bedacht gewählt: Vor 700 Jahren tobte die für Schottland bedeutende Schlacht von Bannockburn - die man nun nachspielen kann.
Jedes Jahr Mitte Juni marschieren hunderte patriotisch gesinnter Schotten der SNP mit Dudelsäcken, blau-weißen Fahnen und Skilts von Stirling, der alten Hauptstadt, ins vier Kilometer entfernte Bannockburn zum Reiterdenkmal von Robert Bruce. Hier hat der König der Schotten das doppelt so große Heer des englischen Königs Edwards II. vernichtend geschlagen. Die Battle of Bannockburn vor 700 Jahren ist der Gründungsmythos des unabhängigen Schottland.
"Das kann man nicht abstreiten, dass Bannockburn lange das Symbol für den schottischen Nationalismus war und dass die Nationalpartei seit vielen Jahren hierher pilgert. Aber Sie werden hier nicht viel Propaganda sehen, wie großartig Robert Bruce war und wie schlimm die Engländer sind..."
...verspricht Tony Pollard. Er ist Schlachtfeldarchäologe und Historiker an der Universität Glasgow und er hat das neue Bannockburn-Besucherzentrum mitkonzipiert. Elf Millionen Euro hat es gekostet und bietet eine Kombination aus neuester Hollywood-Technik und mittelalterlicher Schlachtenkunst. Die Macher sind überzeugt: Derzeit gibt es nirgendwo Vergleichbares.
Chris Walker, verantwortlich für 3D-Design und -Technik in Bannockburn, erklärt, dass man eine Erfahrungswelt vor allem für jüngere Generationen schaffen wollte. Denn die könnten meist wenig anfangen mit herkömmlichen Museen:
"Warum also nicht die Besucher 700 Jahre zurückversetzen direkt aufs Schlachtfeld, am Vorabend der Schlacht?"
Der Besucher betritt einen Raum, in dem auf riesigen Leinwänden lebensgroße 3D-Kämpfer projiziert werden, Schützen, die ihre Pfeile von Langbogen oder Armbrust abschießen und als Hologramme mitten durch den Raum fliegen, Soldaten die auf der anderen Seite getroffen und stöhnend zu Boden sinken, Schwertkämpfe, Reiter, die mit ihrem Schlachtross vorpreschen und einen scheinbar überrennen. Tony Pollard, der Schlachtfeldhistoriker, sagt:
"Es gibt Dir den Eindruck, wie angsteinflößend es war, sich einem Schlachtross mit einem gerüsteten Mann darauf gegenüber zu sehen - Du kannst Dir 'Braveheart' so oft ansehen wie Du willst, aber du wirst niemals einen Sinn für dieses mittendrin zu bekommen."
Wie ein schottisches Disneyworld
Ein modernes Disneyworld in Schottland. Computeranimierte historische Figuren geben Auskunft – mit Gestensteuerung kann man sie fragen, wer sie sind, warum sie kämpfen, auf welcher Seite sie stehen:
Außerdem soll man anhand der 3D-Projektionen und Erklärungstafeln, Strategien lernen, die man etwas später braucht, erläutert Projektdirektor David McAllister:
"Was können die Waffen, welche Wirkung hat es, wenn Kavallerie gegen Infanterie kämpft, was kann der Schiltron als Verteidigungsformation. Hier erfährt man eine Art Training für die Schlacht."
Und die schlägt man dann im nächsten kreisförmigen Raum. An der Wand flimmern Kampfszenen. In der Mitte ist ein etwa zwei Meter großer runder Tisch, darauf ein leuchtendes Landschaftsrelief des Schlachtgebiets von Bannockburn. Drumherum bis zu 30 Besucher, die von der Spielleiterin in zwei Gruppen aufgeteilt werden; jeder Mitspieler kommandiert eine Einheit entweder der schottischen oder der englischen Armee. Auf Befehl rücken computersimulierte Bogenschützen vor, Reiter preschen los, je nach Taktik werden Einheiten aufgerieben, fliehen oder setzen nach.
Ein gigantisches PC-Strategiespiel, das wenig martialisch daher kommt; ein War Game mit offenem Ausgang. Dieses Mal gewinnen die Engländer: Offenbar bietet Bannockburns neues Besucherzentrum im Jubiläums- und Referendumsjahr keine weitere Glorifizierung von Robert Bruce, keine neue Pilgerstätte für nationale Hitzköpfe, sagt Tony Pollard, der Historiker:
"Ob wir diese Leute nun als Helden oder Verräter betrachten, sie hatten ihre Stellung nicht, weil sie nette Kerle waren, das waren Bastarde. Edward der II. war einer und Robert Bruce auch. Das ist hier keine Jubelfeier, sondern hier wird die Brutalität des Krieges gezeigt und führt dazu, dass Du über die wirklich grundlegenden menschlichen Instinkte und Handlungen nachdenkst, die in einer Schlacht, in einem Konflikt stattfinden."