Schottland nach dem Brexit-Votum

In der EU bleiben - aber wie?

Ein Schild mit der Aufschrift "Willkommen in Schottland" steht auf einem Parkplatz der A1 an der englisch-schottischen Grenze in der Nähe von Berwick-upon-Tweed.
Eine mögliche Lösung für Schottlands EU-Verbleib wäre ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum. © dpa / Jens Dudziak
Von Friedbert Meurer |
Nach dem Brexit-Votum suchen schottische Politiker nach Lösungen für den Verbleib Schottlands in der EU, auch wenn Großbritannien die Union verlässt. Friedbert Meurer zeigt mögliche Wege auf: von Veto bis "Grönland umgekehrt".
Die erste und nächstliegende Lösung, wie Schottland in der EU bleiben kann, wäre, sich von Großbritannien zu trennen, also die Unabhängigkeit. Schottland droht gegen seinen Willen aus der EU herausgezogen zu werden, das gilt als Legitimation für ein zweites Referendum, nachdem das erste 2014 verloren ging.
"Der einzige Weg, Schottland innerhalb eines europäischen Rahmens zu halten, ist die Unabhängigkeit, also ein zweites Referendum", fordert der frühere schottische Regierungschef Alex Salmond. "Und diesmal würden wir den Volksentscheid gewinnen."
Das ist aber nicht ganz so sicher. In einigen Monaten kann sich der Zorn der Schotten gelegt haben. Es würden wieder die alten Fragen diskutiert: ist ein Bruch mit Großbritannien nicht zu riskant? Die schottische Regierung will erst dann ein zweites Referendum herbeiführen, wenn sie sicher ganz sicher weiß, es auch zu gewinnen.

Referendum müsste das britische Parlament zustimmen

Außerdem muss das Parlament in Westminster einem zweiten Referendum zustimmen. Dazu fehlt im Moment die Bereitschaft. Der für Schottland zuständige Minister David Mundell, ein Tory-Politiker:
"Jetzt über ein neues Referendum zu diskutieren, ist überhaupt nicht hilfreich. Genau jetzt bemühen wir uns doch, für Stabilität zu sorgen . Aber das erste, was die Erste Ministerin jetzt erwähnt, bevor die Tinte unter dem Referendum überhaupt trocken ist, das ist die Unabhängigkeit."
Ein Punkt scheint aber jetzt etwas einfacher zu sein: Schottlands Erste Ministerin Nicola Sturgeon stieß zwar bei ihrem Besuch in Brüssel vergangene Woche auf nicht allzu offene Arme, aber Frankreich und Spanien würden wohl im Fall einer Unabhängigkeit nichts mehr dagegen haben, mit Schottland über eine Wiederaufnahme in die EU zu verhandeln.
Die zweite Möglichkeit wäre die sogenannte "umgekehrte Grönland-Lösung". Grönland gehört zu Dänemark, aber nicht mehr zur EU. Die umgekehrte Grönland-Lösung sieht so aus: Großbritannien geht aus der EU heraus, Schottland bleibt, ist also sowohl Teil der EU als auch Großbritanniens. Aber der Präzedenzfall passt wohl nicht ganz. Die Beziehungen zwischen Grönland und Dänemark sind viel lockerer als zwischen Schottland und Großbritannien. Gäbe es zwischen Schottland und England Grenzkontrollen? Wäre Schottland je nachdem im Binnenmarkt und England nicht?

Brexit insgesamt verhindern?

Also fährt Nicola Sturgeon als dritte Variante schwereres Geschütz auf: ein mögliches Veto gegen London.
"Es geht darum, ob das schottische Parlament einem Brexit-Gesetz im Unterhaus, das Schottland aus der EU würfe, zustimmen muss. Logisch betrachtet kann ich kaum glauben, dass eine solche Zustimmung nicht notwendig sein soll. Das wird natürlich die britische Regierung völlig anders sehen."
Nicola Sturgeon beruft sich auf den Scotland Act, das Gesetz, das Schottland zum Beispiel ein eigenes Parlament beschert hat. Darin gibt es eine Zustimmungsklausel – Schottland muss und darf über bestimmte Gesetze selbst entscheiden. Aber auch über den Brexit? Verfassungsrechtler haben erhebliche Zweifel. Westminster würde einen schottischen Einspruch einfach übergehen, das Veto liefe ins Leere.

Sonderabsprachen mit der EU

Bliebe also eine vierte Möglichkeit: Schottland versucht, sich so intensiv wie möglich an den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU einzubringen. Sehr wahrscheinlich wird London den Regionalregierungen in Wales, Schottland und Nordirland irgendeine Form der Beteiligung oder Konsultation an den Verhandlungen in Aussicht stellen.
Schottland kann dann versuchen, eigene Interessen anzumelden und Sonderabsprachen mit der EU für sich zu treffen. Der frühere britische Außenminister William Hague warnt aber davor, dass Schottland das nutzen werde, um möglichst viel Sand ins Getriebe der Brexit-Verhandlungen zu streuen.
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